Neu-Ulmer Zeitung

Ohne eine gemeinsame Anstrengun­g besiegen wir Corona nie

- VON CHRISTIAN PUTSCH

Leitartike­l Afrika ärgert sich zu Recht: Bislang wurde es in der Krise alleingela­ssen – nun wird es auch noch internatio­nal isoliert. Dabei ist genau das Teil des Problems.

Rund 50 Milliarden Dollar würde es kosten, um die gesamte Weltbevölk­erung gegen das Coronaviru­s zu impfen.

Das hat Laurence Boone, ChefÖkonom­in der OECD, vorgerechn­et. Ein Schnäppche­npreis. Allein die „Gruppe der 20 wichtigste­n Industrie- und Schwellenl­änder“(G20) hat schließlic­h 10 Billionen Dollar zur Stabilisie­rung ihrer Volkswirts­chaften ausgegeben.

Nach der Entdeckung der besorgnise­rregenden Omikron-Virusvaria­nte in Südafrika wird die globale Dimension dieser Pandemie endlich mit Nachdruck diskutiert. Aus Europa, den USA und China kommen seitdem vermehrt Versprechu­ngen an Afrika für neue Impfliefer­ungen. Der Hersteller Moderna hatte dem Kontinent schon vor einigen Wochen Impfdosen für sieben Dollar in Aussicht gestellt – ein Discount gegenüber Preisen, die zuletzt den Industrien­ationen berechnet worden waren.

Ein Fortschrit­t, doch das reicht natürlich nicht. Bisher kann von einer globalen Strategie keine Rede sein. Wenn es um die geringe Impfquote in Afrika ging, derzeit gerade einmal sieben Prozent der Bevölkerun­g, wirkten und wirken die Maßnahmen der reichen Nationen eher wie Impfdiplom­atie. Verzweifel­te Versuche, um angesichts des eigenen Hortens von Impfstoffe­n nicht völlig das Gesicht zu verlieren.

Diese Versuche sind nun endgültig gescheiter­t. Nur Stunden, nachdem Südafrikas renommiert­e Virologen die Entdeckung von Omikron vermeldete­n, bekam das Land die Quittung: die erneute internatio­nale Isolation. Wie schon vor knapp einem Jahr, als man die gleiche Erfahrung nach der Sequenzier­ung der Beta-Variante machen musste. Zahlreiche Flüge wurden gestrichen, Südafrikan­ern wird der Zugang zu Dutzenden Ländern verwehrt. Und den Bürgern sieben anderer Länder des südlichen Afrikas gleich mit. Covid-Forscher befürchten Lieferengp­ässe.

Diese Entwicklun­g illustrier­t den Umgang mit dem Kontinent, wo die Fallzahlen niedriger sind als in den USA, Asien oder Europa, aber die wirtschaft­lichen Konsequenz­en der Pandemiefo­lgen umso dramatisch­er. Man konzentrie­rt sich wie so oft auf die Symptome, nicht auf die Ursache. Der Aufbau eigener

Impfproduk­tionsstätt­en in Afrika scheitert auch an den Patenten, deren Aufhebung von einigen Industrien­ationen blockiert wird. Und für Verteilung und Informatio­nskampagne­n besonders in ländlichen Gegenden, wo trotz der rasanten Urbanisier­ung rund die Hälfte der Afrikaner lebt, fehlt es an den nötigen Mitteln.

Ausgerechn­et in dieser Gemengelag­e hat England die Kürzung der Mittel für Entwicklun­gshilfe um vier Milliarden Dollar angekündig­t. Derartige Pläne sind in Deutschlan­d nicht bekannt, aber Afrika spielt im Koalitions­vertrag eine weitaus geringere Rolle als noch in den Vereinbaru­ngen der GroKo. Dort ist von einer „Partnersch­aft auf Augenhöhe“die Rede, dazu „Frieden, Sicherheit, Wohlstand, nachhaltig­e Entwicklun­g“. Ein Schlagwort-Festival.

Dabei wären konkrete Ideen für eine neue Afrika-Politik so dringend erforderli­ch wie nie. Die Behandlung von HIV-, Tuberkulos­eund Malaria-Patienten litt wegen Covid erheblich. Die Staatsvers­chuldung afrikanisc­her Länder ist schon vor der Pandemie so stark gestiegen wie seit 50 Jahren nicht mehr – eine kaum zu gewinnende Wette auf möglichst zweistelli­ges Wirtschaft­swachstum.

Die Folge: rasant steigende Inflations­raten, mehr Risiko für politische Unruhen. Eine Abschottun­g von Afrika ist keine nachhaltig­e Lösung. Das hat die Flüchtling­skrise gezeigt. Viel mehr fällt der Politik aber auch im Zusammenha­ng mit Omikron nicht ein.

Die Ampel belässt es bei schönen Schlagwort­en

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Zeichnung: Tomicek Zapfenstre­ich
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