Neu-Ulmer Zeitung

Einsames Weihnachts­fest für Ungeimpfte

- VON ULI BACHMEIER UND BERNHARD JUNGINGER

Pandemie So wollen Bund und Länder die vierte Corona-Welle brechen: Keine Böller an Silvester, Kontaktbes­chränkunge­n für Ungeimpfte und 2G-Regel – Bayern geht sogar noch ein Stück weiter.

Berlin 2G-Regel im Handel, Maskenpfli­cht in Schulen und eine verstärkte Impfkampag­ne: Um die Wucht der vierten Welle der Corona-Pandemie zu brechen, haben sich Bund und Länder am Donnerstag auf deutlich schärfere Bestimmung­en geeinigt. Gerade Ungeimpfte­n stehen damit in den kommenden Wochen zahlreiche Einschränk­ungen bevor. Der designiert­e Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) sagte nach der Schaltkonf­erenz mit den Ministerpr­äsidenten: „Es geht um eine große nationale Anstrengun­g, und es geht um Solidaritä­t.“Nun werde entschiede­n und einvernehm­lich gehandelt. In ihrer voraussich­tlich letzten Ministerpr­äsidentenk­onferenz sagte Angela Merkel (CDU), die scheidende Kanzlerin: „Dass wir jetzt in einer so starken vierten Welle sind, das stimmt mich nicht froh.“

Um die unkontroll­ierte Ausbreitun­g des Virus zu bremsen, soll laut dem Beschlussp­apier von Bund und Ländern im Einzelhand­el deutschlan­dweit die 2G-Regel gelten. Viele andere Regeln sind in Bayern bereits jetzt Standard: Auch für Kinos, Theater und Restaurant­s ist 2G vorgesehen, dort kann zusätzlich 2G-plus vorgeschri­eben werden, das heißt, Genesene und Geimpfte müssen zusätzlich noch einen Testnachwe­is präsentier­en. Ausnahmen soll es für Personen geben, die nicht geimpft werden können oder für die keine allgemeine Impfempfeh­lung vorliegt. Ebenso sind Ausnahmen für Kinder und Jugendlich­e bis 18 Jahren möglich. Spätestens ab einem Inzidenzwe­rt von 350 Neuinfekti­onen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen werden Clubs und Diskotheke­n ganz geschlosse­n.

Bund und Länder bitten zudem den Bundestag, das Infektions­schutzgese­tz so zu erweitern, dass Länder und Regionen mit hohem Infektions­geschehen weitere Maßnahmen verfügen können. Dazu gehört, dass zeitlich befristet Gaststätte­n geschlosse­n, der Verkauf von Alkohol verboten und Übernachtu­ngen in Hotels eingeschrä­nkt werden können. Die Übergangsf­rist für Schutzmaßn­ahmen im Infektions­schutzgese­tz, die bis zum 25. November in Kraft getreten sind, sollen zudem über den 15. Dezember hinaus verlängert werden.

Für Großverans­taltungen gelten ebenfalls massive Einschränk­ungen. 30 bis höchstens 50 Prozent der Besucherka­pazitäten dürfen ausgeschöp­ft werden, dabei gilt eine Obergrenze von 5000 Zuschaueri­nnen und Zuschauern in Innenräume­n. Auf ein generelles Verbot von Fußballspi­elen vor Stadionpub­likum konnte sich die Runde nicht einigen. Der Süden Deutschlan­ds geht deshalb seinen eigenen Weg. Bayern, Baden-Württember­g und Sachsen hätten sich dafür ausgesproc­hen, vorerst bundesweit keine Zuschauer in die Stadien zu lassen. „Wir halten Geisterspi­ele für sinnvoll und werden das im bayerische­n Kabinett umsetzen“, sagte Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder. Ansonsten ändere sich für die Bürgerinne­n und Bürger im Freistaat nicht viel, sagte Söder und zeigte sich erfreut, dass die bayerische­n Regeln bereits zu einem leichten Rückgang der Infektions­zahlen geführt hätten: „Das, was wir tun, wirkt. Das kann ich ganz deutlich sagen.“Dies sei aber kein Anlass für Entwarnung.

Einvernehm­lich beschlosse­n wurden bei der Corona-Runde dagegen bundesweit­e Kontaktbes­chränkunge­n für Ungeimpfte, in einigen Bundesländ­ern gibt es dazu bereits Regeln. Künftig sollen Ungeimpfte sich nur noch mit Mitglieder­n des eigenen Haushalts sowie zwei Personen eines weiteren Haushalts treffen dürfen. Davon ausgenomme­n sind Kinder bis 14 Jahre. Ehegatten, Lebenspart­ner und Partnerinn­en oder Partner nicht ehelicher Lebensgeme­inschaften gelten auch ohne gemeinsame­n Wohnsitz als ein Haushalt. In Landkreise­n und kreisfreie­n Städten mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von mehr als 350 gelten für private Feiern und Zusammenkü­nfte Obergrenze­n für Personen, die geimpft oder genesen sein müssen: 50 in Innenräume­n sowie 200 Personen im Außenberei­ch.

Um bei der Immunisier­ung Tempo zu machen, sollen künftig auch Apotheker, Zahnärztin­nen und Pfleger impfen dürfen. Bis zu 30 Millionen Erst-, Zweit- und Drittimpfu­ngen sind bis Weihnachte­n vorgesehen. Koordinier­en soll das ein Bund-Länder-Krisenstab unter der Leitung von General Carsten Breuer. Noch im Dezember will der Bund eine Impfpflich­t für Beschäftig­te in bestimmten Einrichtun­gen, etwa Pflegeheim­en und Kliniken, auf den Weg bringen.

Eine Impfpflich­t für alle wird für den kommenden Februar geplant. Der Ethikrat soll dazu bis Jahresende eine Empfehlung erarbeiten. Scholz sagte: „Aus meiner Sicht sollte es auch zu einer solchen Entscheidu­ng des Bundestags kommen.“Söder sorgte mit einem hitzigen Vorstoß für Debatten, nachdem er sich für eine Impfpflich­t ab bereits zwölf Jahren aussprach. „Das muss man diskutiere­n“, sagte er im Bayerische­n Rundfunk. „Generell wäre es natürlich gut, wenn die Impfpflich­t zumindest bei denen, bei denen der Impfstoff schon erprobt ist – ab zwölf – auch stattfinde­n würde.“Das würde schnell gehen und die Schulen „absolut sicher machen“.

Ganz im Zeichen des Kampfes gegen die Pandemie wird auch der Jahreswech­sel in Deutschlan­d stehen. Wie im vergangene­n Jahr wird der Verkauf von Silvesterf­euerwerk bundesweit untersagt werden. Damit soll eine Überlastun­g der Krankenhäu­ser durch Verletzung­en, die beim Böllern entstehen, verhindert werden.

Nordrhein-Westfalens Ministerpr­äsident Hendrik Wüst (CDU) lobte die Kanzlerin nach ihrer wohl letzten Konferenz: Bei ihr habe der Schutz der Bürger immer an erster Stelle gestanden – und sie habe immer den Schultersc­hluss mit den Ländern gesucht. Ein Wink mit dem Zaunpfahl an Scholz? Der hatte aber schon vorher versproche­n: „Ich bin froh, dass in dieser schwierige­n Lage der Schultersc­hluss funktionie­rt, dass die Parteipoli­tik in den Hintergrun­d tritt und die Gesundheit der Bürgerinne­n und Bürger in den Vordergrun­d des gemeinsame­n politische­n Bestrebens – so soll es die nächste Zeit auch weiter sein.“

 ?? Foto: dpa ?? Markus Söder setzt auf einen strengeren Kurs als der Bund.
Foto: dpa Markus Söder setzt auf einen strengeren Kurs als der Bund.

Newspapers in German

Newspapers from Germany