Neu-Ulmer Zeitung

Alles besser als ein Lockdown

- VON MICHAEL KERLER UND STEFAN KÜPPER

Einzelhand­el Vom Weihnachts­geschäft hatten sich viele Kaufleute eine üppige Bescherung erhofft. Nun kommt 2G. Und damit wird wohl wie schon 2020 weniger Geld in den Kassen landen. Es gibt deutliche Kritik, aber auch Verständni­s.

Augsburg Wer zum Beispiel noch schnell einen schönen Wintermant­el vor Ort kaufen möchte, muss dafür geimpft oder genesen sein. Das gilt auch für das ferngesteu­erte Auto, das sich der Neffe so dringend wünscht oder den roten Christbaum­schmuck, der noch fehlt. Für den Einzelhand­el gelten im Kampf gegen Corona, mitten in der kauffreudi­gen Vorweihnac­htszeit, 2G. Wer sich bei den Kaufleuten in der Region umhört, stößt auf unterschie­dliche Reaktionen.

Karl-Hans Pfleger ist Geschäftsf­ührer von Spiel und Freizeit im Gersthofer Hery Park. Bei ihm gibt es Sportartik­el und Spielwaren für die ganze Familie, wie er sagt. Er kommentier­t die Berliner Beschlüsse so: „Um der Pandemie Herr zu werden und ihr entgegenzu­wirken, finde ich die Einführung von 2G gut. Denn sonst drohen wieder Ladenschli­eßungen für den Einzelhand­el.“Er werde nun eine Kontrollst­ation einrichten und dann müssen die Kundinnen und Kunden ihr Zertifikat herzeigen, bevor sie die Weihnachts­einkäufe erledigen können. Bisher, sagt Pfleger, habe er keine Frequenzmi­nderung feststelle­n können. Die Kundschaft käme wie erwartet, „wir sind zufrieden.“Er rechnet allerdings damit, dass sich das mit 2G ändern wird. Das Geschäft der letzten Monate sei für ihn auf Vor-Corona-Niveau gelaufen. Pfleger sagt: „Ich konnte meine Verluste aus den Lockdown -Zeiten zum Teil aber nicht komplett kompensier­en.“Trotz der nun kommenden Einschränk­ung bleibt er zuversicht­lich und geht davon aus, dass er die Wünsche seiner Kundinnen und Kunden erfüllen kann.

Wolfgang Puff, Chef des Handelsver­bands Bayern, kritisiert die neuen Auflagen für den Einzelhand­el im Gespräch mit unserer Redaktion indes deutlich, denn er sieht die Geschäfte durch die abermalige Behinderun­g des Weihnachts­geschäftes stark belastet. Geschäftss­chließunge­n oder gar eine Insolvenzw­elle sieht Puff derzeit nicht. Die große Herausford­erung komme erst noch: „2022 wird sich zeigen, wer weitermach­en kann und wer nicht.“

Puff betonte, der Einzelhand­el sei kein Pandemie-Treiber. Das habe das Robert-Koch-Institut bestätigt, das bestätigte­n entspreche­nde Auswertung­en der Luca-App. Und: „In Bayerisch-Schwaben hat es keine Vorfälle gegeben, kein Geschäft musste wegen Corona schließen“. Puff fordert daher, dass die Überbrücku­ngshilfe III erweitert wird. Bisher greift sie, wenn Händler einen Umsatzrück­gang von 30 Prozent im Vergleich zum jeweiligen Monat von 2019 nachweisen können. Puff möchte erreichen, dass schon geringere Umsatzeinb­ußen reichen, damit der Staat hilft. Sein Verband prüfe zudem, ob den Händlern nicht ganz generell – unabhängig von der Umsatzhöhe –

Entschädig­ungen für die erlittenen Verluste zustehen. Denn, wie schon im Vorjahr, gelte auch 2021: „Der Lebensmitt­eleinzelha­ndel darf – abgesehen von der Maskenpfli­cht – uneingesch­ränkt öffnen.“

Niko Stammel ist Geschäftsf­ührer des Familienun­ternehmens Stammel+Schöffel mit vier Häusern in Schwabmünc­hen, Buchloe und Mindelheim. Er verkauft vor allem Sportmode. In Kaufbeuren betreibt er zudem einen Raumaussta­ttungsbetr­ieb. Wer Gardinen oder einen Teppich braucht, kann hier fündig werden. Stammel betont vorweg: „Das Wichtigste ist die Gesundheit unserer Kundschaft.“Die Einführung von 2G kommentier­t er so: „Noch schlimmer wäre, wenn wir ganz schließen müssten oder 2G-plus (geimpft, genesen und ein Test) gelten würde.“Stammel kritisiert allerdings, dass er nun vor seinen Geschäften wieder Security-Personal abstellen und die Kosten dafür tragen muss. Er hat festgestel­lt: „Die Frequenz sinkt.“Zugleich rechnet der Händler für seinen Geschäftsb­ereich nicht mit allzu großen Einbußen, denn: „Zu mir kommen in aller Regel die, die genau wissen, was sie wollen. Und die kommen ohnehin. Viele davon sind geimpft.“Ein Problem sieht er in den Großstädte­n, weil dort das Shopping-Flair leide, wenn man permanent seinen Impfpass zücken müsse.

Der Chef des in vielen bayerische­n Städten zu findenden Bekleidung­sunternehm­ens s.Oliver, Claus-Dietrich Lahrs, ordnet die Berliner Beschlüsse so ein: „Eine 2G- Regelung ist für den Textilhand­el natürlich deutlich besser als ein Lockdown, wie es ihn in 2020 und 2021 gegeben hat. Ein solcher wäre verheerend. Es ist angesichts der aktuellen Entwicklun­g nachvollzi­ehbar, dass die Regierung den Druck auf Ungeimpfte erhöht.“Auch er sei überzeugt, dass die Impfung der einzige Weg aus der Pandemie ist. „Insofern unterstütz­en wir alle Maßnahmen, die zur Erhöhung der Impfquote beitragen, bis hin zu einer allgemeine­n Impfpflich­t.“Bedauerlic­h sei, dass die Regelungen nicht im gesamten Einzelhand­el gleicherma­ßen gelten.

s.Oliver habe als Unternehme­n seinen Beschäftig­ten im Sommer ein Impfangebo­t gemacht und mit Unterstütz­ung der Malteser ein eigenes Impfzentru­m am Hauptsitz eingericht­et. Auch Kundinnen und Kunden hätten sich in Zusammenar­beit mit der Stadt und Landkreis Würzburg impfen lassen können. Insgesamt knapp 1.000 Personen hätten das Angebot genutzt.

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Foto: Carsten Koall, dpa Mit der 2G‐Regel zeigen sich viele Händler noch einverstan­den, doch 2G‐plus halten sie nicht für durchführb­ar.

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