Was ist dran an den derben Sprüchen?
Frontalangriffe sind beim Politischen Aschermittwoch wichtiger als Inhalte. Doch was davon stimmt? Ein Faktencheck.
Passau Wer im Bierzelt auftritt, ist klug beraten, gute Laune mitzubringen. Das Publikum erwartet wenig Inhalte – und stattdessen Unterhaltung. In den Sälen am Politischen Aschermittwoch ist das kaum anders, und die beliebtesten Rednerinnen und Redner sind vor allem die, die ihr Publikum zum Grölen und Lachen bringen. Dabei helfen flotte Sprüche und die offene Konfrontation mit dem politischen Kontrahenten – doch lange nicht alles, was auf der Bühne gesagt wird, hält einer Überprüfung stand. Ein Meister der Bierzeltrede ist Markus Söder – der auch heuer an Aschermittwoch in der Passauer Jahrhunderthalle mehrere Dutzend diskussionswürdige Thesen unter die Leute gebracht hat. Wie viel Wahrheit steckt in den markantesten davon?
• „Bayern kann ohne Deutschland leichter leben als Deutschland ohne Bayern. Denn dann wäre Deutschland pleite.“
• Fakten Ohne die Steuereinnahmen aus Bayern würden dem Bund jährlich einige Dutzend Milliarden Euro fehlen – allerdings gäbe es ja auch über 13 Millionen Menschen weniger zu versorgen. Ein großes Loch entstünde sicher im Länderfinanzausgleich, in den der Freistaat zuletzt rund zehn Milliarden Euro einbezahlte. Doch Bayern gibt nicht nur, sondern nimmt auch: Für den Ausbau von Straßen und Schienen gibt der Bund in keinem anderen Bundesland auch nur annähernd so viel aus wie in Bayern. Unterm Strich dürfte gelten: Ohne Bayern würde dem Rest Deutschlands ein starker Wirtschaftsstandort schmerzlich fehlen. Doch schaut man auf die Schuldenstandquote – das Verhältnis von Gesamtverschuldung und Bruttoinlandsprodukt –, so liegt diese aktuell bei etwa 66 Prozent. Wohl genug Luft also für den Rest des Landes, um auch ohne Bayern zumindest über die Runden zu kommen: Erst wenn die Staatsschulden deutlich weiter ansteigen oder die Wirtschaftsleistung massiv einbräche, würde es problematisch.
• „Was unterscheidet meinen Hund Molly von Kevin Kühnert und Ricarda
Lang? Mein Hund hat eine abgeschlossene Ausbildung.“
• Fakten Tatsächlich haben sowohl Ricarda Lang, die Bundesvorsitzende der Grünen, als auch der SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert ihr Studium nicht abgeschlossen. Kühnert jobbte anschließend im Callcenter, bevor er seine beruflichen Tätigkeiten für die Partei aufnahm, Lang startete schon während des Studiums ihre politische Karriere. Ob Söders Hund Molly – wie von ihm behauptet – tatsächlich ausgebildeter Schutzhund ist und zu welcher beruflichen Tätigkeit das erste Haustier im Freistaat dadurch befähigt wäre, ist nicht bekannt.
• Zur Cannabis-Entkriminalisierung: „Ärzte warnen, Psychologen warnen. Die Polizei ist in heller Sorge, was passieren kann. Schaut mal, was in Holland los ist: offene Drogenkriege auf der Straße!“
• Fakten Es gibt zweifellos ernst zu nehmende Kritik an den Plänen der Bundesregierung. Die Bundesärztekammer hatte sich gegen eine Gesetzesänderung ausgesprochen, die den Zugang zu Cannabis erleichtern würde. Auch die Deutsche Gesellschaft für Psychotherapie warnte in einem Positionspapier vor den Folgen einer Legalisierung – wenn auch weniger drastisch. Das Papier stellt „eine gelingende Entkriminalisierung“in Aussicht, dafür brauche es aber „präventive Programme“. Einen Punkt hat Söder mit Blick auf die Niederlande: Drogenkartelle gewinnen dort immer mehr an Macht, in jüngster Vergangenheit häuften sich Sprengstoffanschläge im Drogenmilieu. Dass das Land jedoch nennenswert unsicherer geworden ist, ist nur schwer zu belegen: Laut Global Peace Index sind die Niederlande auf Rang 16 der sichersten Länder der Welt – einen Platz hinter Deutschland.
Für Straßenbau bekommt Bayern so viel Geld wie kein anderes Land.
• „Die AfD ist die fünfte Kolonne Moskaus.“
• Fakten Damit meint Söder, dass die Rechtsaußen-Partei nicht im Sinne Deutschlands handelt, sondern den russischen Interessen massiv Vorschub leistet. Dafür gibt es gute Argumente: Russland bot der AfD Beratungen an, zudem stehen einige Abgeordnete der Partei aktuell unter Spionage-Verdacht. Sie lehnen eine Unterstützung der von Russland überfallenen Ukraine weitgehend ab und setzen sich für ein Ende der Sanktionen gegen Moskau ein. Einige ihrer Politiker pflegen gute Kontakte nach Russland und reisen regelmäßig dorthin. Söder hat also durchaus Fakten auf seiner Seite.