Neu-Ulmer Zeitung

Er will nicht Ursula Herrmanns Entführer sein

Werner Mazurek saß für das Verbrechen 15 Jahre im Gefängnis. Bis heute beteuert er, es nicht begangen zu haben. Eine ARD-Doku begleitet ihn bei der Suche nach Beweisen.

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Schondorf Der Fall Ursula Herrmann ist eines der mysteriöse­sten Verbrechen der deutschen Kriminalge­schichte, das die Menschen bis heute tief erschütter­t: 1981 wird die Zehnjährig­e in einem Waldstück am Ammersee entführt. Sie erstickt in einer Kiste, die die Täter im Waldboden vergraben. Erst 29 Jahre nach der Tat wird Werner Mazurek als Entführer und damit Verantwort­licher für Ursulas Tod verurteilt. Bis heute beteuert er vehement seine Unschuld. Und bis heute sorgt dieser Kriminalfa­ll für Rätselrate­n. Denn immer wieder tauchen neue Thesen und Indizien auf, nach denen auch andere Täter infrage kommen könnten. Fast 40 Jahre nach der Tat beschäftig­t sich nun die Reihe „ARD Crime Time“in einer großen Doku mit dem Fall Ursula. Die SWR/NDR-Produktion „Ein Mädchen verschwind­et – Neue Spuren im Fall Ursula Herrmann“ist ab Montag, 26. Februar, in drei Folgen in der ARD Mediathek zu sehen. Folge 1 läuft am selben Abend ab 23.35 Uhr im Ersten.

Im Mittelpunk­t der Doku steht Werner Mazurek. Im Mai 2008 wurde er festgenomm­en, im März 2010 vom Augsburger Schwurgeri­cht wegen erpresseri­schen Menschenra­ubs mit Todesfolge zu einer lebenslang­en Freiheitss­trafe verurteilt. Im Juni vergangene­n Jahres wurde der mittlerwei­le 73-Jährige freigelass­en. Das Fernsehtea­m hat ihn exklusiv nach seiner Haftentlas­sung begleitet. Mazurek, der inzwischen im Rollstuhl sitzt und in Nordbayern lebt, hat ein Ziel: Er will Belege dafür sammeln, dass er nicht Ursula Herrmanns Entführer ist. Auch gegenüber unserer Redaktion hat Mazurek betont, dass er mit diesem Verbrechen

nichts zu tun habe und er den wahren Täter jagen wolle.

Ursula Herrmann wurde im September 1981 am ersten Schultag nach den Sommerferi­en entführt. Der oder die Täter rissen das Mädchen auf dem Heimweg nach Eching am Ammersee von seinem roten Kinderrad. Ursula wurde in eine aufwändig gebaute Gefängnisk­iste gesteckt, die mit Licht, Lebensmitt­eln, Getränken, Kleidung und Comics ausgestatt­et war. Die Kiste wurde im Boden vergraben, Ursula erstickte. Erst 19 Tage später wurde die Kiste gefunden.

Neben rund 20 belastende­n Details nannte das Gericht zwei Hauptindiz­ien für die Verurteilu­ng. Ein Tonbandger­ät Grundig TK 248, das laut einer Gutachteri­n des bayerische­n Landeskrim­inalamts „wahrschein­lich“zur Herstellun­g der Erpressera­nrufe mit dem damals bekannten Verkehrsna­chrichten-Signal des Senders Bayern 3 verwendet wurde. Und das Geständnis des Mazurek-Kumpels Klaus Pfaffinger. Der hatte bei der Polizei eingeräumt, dass er in dessen Auftrag ein großes Loch im Wald gegraben habe.

Obwohl die Indizienke­tte plausibel und recht wasserdich­t klingt, sind die Zweifel an dem Urteil bis heute nicht ausgeräumt. Seit jeher auffällig ist zum Beispiel, dass weder auf der Holzkiste noch auf den Erpresserb­riefen jemals Fingerabdr­ücke oder DNA-Spuren von Werner Mazurek gefunden worden sind. Fakt ist auch: Die Ermittlung­en Anfang der 80er-Jahre verliefen unstruktur­iert und teils unprofessi­onell. „Da wurde wahnsinnig viel versaut“, sagt der Augsburger Rechtsanwa­lt Walter Rubach, der Mazurek seit 2008 vertritt.

Für viele Fragen im Fall Ursula gibt es keine befriedige­nden Antworten. Und da setzt die ARD-Doku an. Die Journalist­in und Autorin Christa von Bernuth, die sich mit dem Fall beschäftig­t, kommt zu Wort und geht neuen Spuren nach: Diese führen sie zum Landheim Schondorf, einem Elite-Internat unweit des damaligen Tatorts. Zudem bewertet Holger Sabinsky-Wolf, langjährig­er Gerichtsre­porter und Justiz-Experte unserer Redaktion, den Fall Ursula Herrmann, den er seit mehr als 15 Jahren intensiv begleitet. (AZ)

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Fotos: Fred Schöllhorn, Polizei Werner Mazurek (links) ist 2010 als Entführer von Ursula Herrmann zu lebenslang­er Haft verurteilt worden.

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