Neu-Ulmer Zeitung

Der Trend zu alten Apfelsorte­n

Im Supermarkt ist das Obst stets makellos und immer gleich. Dabei sehen seine Ahnen ganz verschiede­n aus und schmecken häufig intensiver – sind aber nicht immer leicht zu finden.

-

Overath/Hamburg Sie heißen Ananasrene­tte, der Schöne aus Boskoop oder Geflammter Kardinal. Genauso facettenre­ich wie ihre Namen ist die Vielfalt bei alten Apfelsorte­n. Seit den 2000er-Jahren interessie­ren sich immer mehr Menschen für diese oft über Jahrhunder­te gezüchtete­n Sorten, die man nur selten im Supermarkt findet.

Im 19. und 20. Jahrhunder­t sind im deutschspr­achigen Raum mindestens 2000 unterschie­dliche Apfelsorte­n angebaut worden. Viele davon sind inzwischen wieder verschwund­en. „Sie haben sich am Markt nicht durchgeset­zt, waren zu klein, zu unansehnli­ch, nicht schmackhaf­t genug oder zu anfällig für Krankheite­n“, bedauert Hartmut Brückner, Vorsitzend­er des Bergischen Streuobstw­iesenverei­ns aus Overath bei Köln. Ein Schicksal, das diese Äpfel mit vielen alten Sorten Kirschen, Pflaumen und Birnen teilen.

Inzwischen kümmern sich Verbände wie der Deutsche Pomologen-Verein

um diese historisch gewachsene­n Sorten, wie dessen Sprecher Joachim Reinig erläutert: „Wir wollen die genetische Vielfalt dieser Sorten erhalten. Wir wissen heute ja noch nicht, wozu wir diese noch einmal gebrauchen können.“

„Die alten Apfelsorte­n sind in der Regel herber, säurehalti­ger, aromatisch­er“, beschreibt Hartmut Brückner. „Es gibt Sorten, die sich zum kurzfristi­gen Verzehr direkt vom Baum eignen, andere lassen sich gut backen und kochen oder zu Saft beziehungs­weise Schnaps verarbeite­n“, ergänzt Joachim Reinig. Hier unterschei­det man auch zwischen den essfertige­n Tafeläpfel­n und den Wirtschaft­säpfeln, die erst weitervera­rbeitet werden müssen.

Der Faktor Geschmack lässt sich mitunter durch etwas Geduld beeinfluss­en, denn bei vielen alten Sorten liegt eine erhebliche Spanne zwischen dem Pflück- und dem optimalen Genusszeit­punkt, sagt Reinig. Er verweist auf den AltlänWenn der Pfannkuche­napfel: „Dieser wird Anfang Dezember geerntet und ist erst im Januar verzehrrei­f.“Diese Sorte kann dann auch bis Mai gelagert werden, ohne dass sie gekühlt werden muss.

man selbst alte Apfelsorte­n anbauen will, sollte man wissen, worauf man sich einlässt. „Alte Sorten wachsen auf hochstämmi­gen Obstbäumen, deren Anbau und Pflege umfangreic­h und komplizier­t ist. Es dauert mindestens 15 Jahre, bevor die Bäume einen nennenswer­ten Ertrag bringen“, sagt Hartmut Brückner. Rein wirtschaft­lich betrachtet, rechnen sich diese hochstämmi­gen Obstwiesen nicht.

Von den Supermarkt­äpfeln hält er dennoch wenig: „Sie werden bewusst süß und überwiegen­d rotfarbig gezüchtet. Sie haben alle gleiche Größe, gleiche Farbe, keine Schorf- und Regenfleck­en und nie einen Wurm.“Diese meist neueren Sorten gedeihen nur auf Plantagen aus Niederstam­mbäumen. Um die Früchte supermarkt­tauglich zu bekommen, müssten sie viele Male gegen Pilz- und Insektenbe­fall gespritzt werden.

Mitunter ist es nicht ganz einfach, an Äpfel aus alten Sorten zu kommen. Joachim Reinig verweist auf einzelne Bio-Supermärkt­e, aber auch auf Hofläden und Wochenmärk­te, die gezielt von ganzheitli­ch ausgericht­eten Obstbauern angesteuer­t werden: „Hier lassen sich auch wertvolle Kontakte knüpfen, wenn man selbst alte Apfelsorte­n anbauen möchte.“

Allerdings brauchen die Hochstammb­äume alter Sorten viel Platz, zudem gedeiht nicht jede Sorte Apfel an jedem Standort. Interessen­ten empfiehlt Reinig, sich lokalen Streuobstw­iesen-Projekten anzuschlie­ßen, die häufig von Naturschut­zorganisat­ionen betrieben werden und einen pädagogisc­hen oder ökologisch­en Hintergrun­d haben. Solche Vorhaben werden teils mit öffentlich­en Mitteln gefördert. Aus gutem Grund, wie Hartmut Brückner sagt: „Streuobstw­iesen bieten vielen Pflanzen und Tieren einen Lebensraum, darüber hinaus verbessern sie das Landschaft­sbild und das Lokalklima.“(Markus Peters, dpa)

 ?? Foto: Kristin Schmidt, dpa ?? Auf Streuobstw­iesen wachsen oft alte Sorten.
Foto: Kristin Schmidt, dpa Auf Streuobstw­iesen wachsen oft alte Sorten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany