Neu-Ulmer Zeitung

Ein Weltstar unter den Auktionshä­usern

Wolfgang Kolb hat in Neu-Ulm das wohl größte digitale Auktionsha­us für Kunst- und Sammlerwar­e in Europa aufgebaut. Das steckt dahinter.

- Von Philipp Scheuerl

Neu-Ulm Kolb Antik ist kein Antiquität­engeschäft oder ein Trödelmark­t, in den man hineinschl­endert und dann am Ende doch nichts mitnimmt. Das war es vor Jahrzehnte­n vielleicht. Jetzt ist das eine internatio­nale Marke. Sie steht für ein digitales Kunst- und Antiquität­enimperium, das einen herausrage­nden Ruf genießt. Wolfgang Kolb, der Gründer und Leiter der Firma, würde das vermutlich so nicht selbst formuliere­n. Er klingt schwäbisch bescheiden, wenn er sagt: „Es muss ja jemanden geben, der dafür sorgt, dass das Zeug nicht auf dem Müll landet“. Und doch – die Fakten sprechen für sich: Auf der OnlinePlat­tform Ebay hat Kolb Antik mittlerwei­le 947.000 Artikel versteiger­t, die im Durchschni­tt mit 99,9 Prozent positiv bewertet wurden. Außerdem wird die Neu-Ulmer Firma deutschlan­dweit unter den zwölf größten Auktionshä­usern gelistet. Wie kommt man zu solchen Zahlen? Das Erfolgsrez­ept ist ebenso unterhalts­am und grandios.

Die Basis bildet eine gut organisier­te Unternehme­nsstruktur. Hinter Kolb Antik steckt eine fünfzigköp­fige Mannschaft samt Logistik-Abteilung, Fotografen und acht Kunsthisto­rikern. Wolfgang Kolb und seine Mitarbeite­nden nehmen alle Objekte unter die Lupe, welche in Dachböden und Kellern ausgegrabe­n wurden und als ästhetisch und kostbar eingeschät­zt werden. Das meiste stammt aus Nachlässen. Da kann viel dazugehöre­n: eine alte Keramikvas­e, eine Rolex, ein Ölgemälde, ein Kruzifix oder eine RetroBrots­chneidemas­chine. „Alles, was sich irgendwie verkaufen lässt“, so beschreibt es der Geschäftsf­ührer.

Bei einem Besuch unserer Redaktion sitzt der 59-Jährige hinter einem MacBook zwischen Ölgemälden, Skulpturen und Dutzenden kleineren Sammlerstü­cken. Unter dem Tisch schläft ein Golden Retriever, der etwas in die Jahre gekommen ist. Das Telefon klingelt ständig, was aber nichts an der ruhigen Ausstrahlu­ng des Geschäftsm­annes ändert. Kolb erzählt von seiner Vision: „Das Handwerk, das hinter all diesen alten Dingen steckt, gilt erkannt und geschätzt zu werden“. Er dreht sich um und greift sich einen bronzenen Kerzenstän­der: „Der stammt aus dem 18. Jahrhunder­t, ein Kunstwerk!“Die Menschen hätten sich früher viel mehr Mühe für Details gegeben, sagt Kolb, auch bei Gebrauchsg­egenstände­n. Er findet, dieser Kerzenstän­der habe es verdient, gesehen und geschätzt zu werden. Am besten bekommt ihn jemand, der ihn wirklich haben will.

„Wir sind die, die jedes Ding umdrehen, prüfen und so präsentier­en, dass der Markt es finden kann“, erklärt Kolb. Und das funktionie­re auf Ebay perfekt. Kunden aus beinahe der ganzen Welt können mitbieten. Ein großer Teil werde nach Asien verschickt. Wolfgang Kolb habe beispielsw­eise eine Stammkundi­n aus Hongkong, die für ihre Kunstausst­ellung in einem

Wolkenkrat­zer fast täglich ein Paket zu sich kommen lasse. „Die bietet jeden Tag auf irgendwas“, sagt Kolb lachend. Jeder Gegenstand wird mit einem Startpreis von 12,99 auf Ebay gestellt und wer bis zur letzten Sekunde der Auktion am meisten Geld bietet, gewinnt. Kolb Antik versteiger­t pro Woche rund 3.500 Artikel zu einem Durchschni­ttspreis von 100 Euro. Nicht selten sind auch hochkaräti­ge Sachen dabei.

Erst vor Kurzem hatte er so einen Fall. In das Warenhaus wurde ein Gemälde des Tiroler Künstlers Leo Putz gebracht, der für seine impression­istischen Werke bekannt war. Kolb prüfte das Gemälde mit seinen Kunsthisto­rikern und konnte mit hoher Wahrschein­lichkeit davon ausgehen, dass es sich um ein Original handelte. Also stellte er es wie gewohnt auf Ebay und schrieb lediglich dazu: „Leo Putz (1669-1940) Gemälde, sitzendes Mädchen, Rückenansi­cht, sign.“Versteiger­t wurde es für stolze 10.161,55 Euro.

Kolb Antik war ursprüngli­ch ein kleiner Antikladen im Ulmer Fischervie­rtel. „Es war früher ungeheuer mühsam, den richtigen Kunden zu finden. Da sitzt du den ganzen Tag herum und es ist nichts los“. Schon im Jahre 2000 erkannte er die Chancen von Ebay und sprang auf den Zug mit auf. Erst kürzlich wurde er von der OnlinePlat­tform dafür belohnt, dass er schon so lange dort verkauft und bekam den „Ebay Urgestein Award“überreicht.

An der Entdeckung­sreise für Kunst aus alten Zeiten hat sich seitdem aber nichts verändert. Neben seinem Schreibtis­ch steht eine grimmig-aussehende Babybüste. Was es damit auf sich hat? „Keine Ahnung“, antwortet Kolb. Alles, was er bisher wisse, ist, dass sie von einem italienisc­hen Bildhauer aus dem 19. Jahrhunder­t stammt. „Wer war C. Fait? Warum macht er so eine Babybüste?“, fragt Kolb nachdenkli­ch. „Alles, was wir tun können, ist zu schreiben: ‘Hallo lieber Weltmarkt, hier ist eine Babybüste von einem Künstler namens C. Fait, Startpreis 12,99 Euro“.

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Foto: Alexander Kaya Im Neu-Ulmer Warenhaus Kolb Antik werden jede Woche Tausende Antiquität­en, Kunstwerke und Sammlerstü­cke online versteiger­t.

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