Ein Weltstar unter den Auktionshäusern
Wolfgang Kolb hat in Neu-Ulm das wohl größte digitale Auktionshaus für Kunst- und Sammlerware in Europa aufgebaut. Das steckt dahinter.
Neu-Ulm Kolb Antik ist kein Antiquitätengeschäft oder ein Trödelmarkt, in den man hineinschlendert und dann am Ende doch nichts mitnimmt. Das war es vor Jahrzehnten vielleicht. Jetzt ist das eine internationale Marke. Sie steht für ein digitales Kunst- und Antiquitätenimperium, das einen herausragenden Ruf genießt. Wolfgang Kolb, der Gründer und Leiter der Firma, würde das vermutlich so nicht selbst formulieren. Er klingt schwäbisch bescheiden, wenn er sagt: „Es muss ja jemanden geben, der dafür sorgt, dass das Zeug nicht auf dem Müll landet“. Und doch – die Fakten sprechen für sich: Auf der OnlinePlattform Ebay hat Kolb Antik mittlerweile 947.000 Artikel versteigert, die im Durchschnitt mit 99,9 Prozent positiv bewertet wurden. Außerdem wird die Neu-Ulmer Firma deutschlandweit unter den zwölf größten Auktionshäusern gelistet. Wie kommt man zu solchen Zahlen? Das Erfolgsrezept ist ebenso unterhaltsam und grandios.
Die Basis bildet eine gut organisierte Unternehmensstruktur. Hinter Kolb Antik steckt eine fünfzigköpfige Mannschaft samt Logistik-Abteilung, Fotografen und acht Kunsthistorikern. Wolfgang Kolb und seine Mitarbeitenden nehmen alle Objekte unter die Lupe, welche in Dachböden und Kellern ausgegraben wurden und als ästhetisch und kostbar eingeschätzt werden. Das meiste stammt aus Nachlässen. Da kann viel dazugehören: eine alte Keramikvase, eine Rolex, ein Ölgemälde, ein Kruzifix oder eine RetroBrotschneidemaschine. „Alles, was sich irgendwie verkaufen lässt“, so beschreibt es der Geschäftsführer.
Bei einem Besuch unserer Redaktion sitzt der 59-Jährige hinter einem MacBook zwischen Ölgemälden, Skulpturen und Dutzenden kleineren Sammlerstücken. Unter dem Tisch schläft ein Golden Retriever, der etwas in die Jahre gekommen ist. Das Telefon klingelt ständig, was aber nichts an der ruhigen Ausstrahlung des Geschäftsmannes ändert. Kolb erzählt von seiner Vision: „Das Handwerk, das hinter all diesen alten Dingen steckt, gilt erkannt und geschätzt zu werden“. Er dreht sich um und greift sich einen bronzenen Kerzenständer: „Der stammt aus dem 18. Jahrhundert, ein Kunstwerk!“Die Menschen hätten sich früher viel mehr Mühe für Details gegeben, sagt Kolb, auch bei Gebrauchsgegenständen. Er findet, dieser Kerzenständer habe es verdient, gesehen und geschätzt zu werden. Am besten bekommt ihn jemand, der ihn wirklich haben will.
„Wir sind die, die jedes Ding umdrehen, prüfen und so präsentieren, dass der Markt es finden kann“, erklärt Kolb. Und das funktioniere auf Ebay perfekt. Kunden aus beinahe der ganzen Welt können mitbieten. Ein großer Teil werde nach Asien verschickt. Wolfgang Kolb habe beispielsweise eine Stammkundin aus Hongkong, die für ihre Kunstausstellung in einem
Wolkenkratzer fast täglich ein Paket zu sich kommen lasse. „Die bietet jeden Tag auf irgendwas“, sagt Kolb lachend. Jeder Gegenstand wird mit einem Startpreis von 12,99 auf Ebay gestellt und wer bis zur letzten Sekunde der Auktion am meisten Geld bietet, gewinnt. Kolb Antik versteigert pro Woche rund 3.500 Artikel zu einem Durchschnittspreis von 100 Euro. Nicht selten sind auch hochkarätige Sachen dabei.
Erst vor Kurzem hatte er so einen Fall. In das Warenhaus wurde ein Gemälde des Tiroler Künstlers Leo Putz gebracht, der für seine impressionistischen Werke bekannt war. Kolb prüfte das Gemälde mit seinen Kunsthistorikern und konnte mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass es sich um ein Original handelte. Also stellte er es wie gewohnt auf Ebay und schrieb lediglich dazu: „Leo Putz (1669-1940) Gemälde, sitzendes Mädchen, Rückenansicht, sign.“Versteigert wurde es für stolze 10.161,55 Euro.
Kolb Antik war ursprünglich ein kleiner Antikladen im Ulmer Fischerviertel. „Es war früher ungeheuer mühsam, den richtigen Kunden zu finden. Da sitzt du den ganzen Tag herum und es ist nichts los“. Schon im Jahre 2000 erkannte er die Chancen von Ebay und sprang auf den Zug mit auf. Erst kürzlich wurde er von der OnlinePlattform dafür belohnt, dass er schon so lange dort verkauft und bekam den „Ebay Urgestein Award“überreicht.
An der Entdeckungsreise für Kunst aus alten Zeiten hat sich seitdem aber nichts verändert. Neben seinem Schreibtisch steht eine grimmig-aussehende Babybüste. Was es damit auf sich hat? „Keine Ahnung“, antwortet Kolb. Alles, was er bisher wisse, ist, dass sie von einem italienischen Bildhauer aus dem 19. Jahrhundert stammt. „Wer war C. Fait? Warum macht er so eine Babybüste?“, fragt Kolb nachdenklich. „Alles, was wir tun können, ist zu schreiben: ‘Hallo lieber Weltmarkt, hier ist eine Babybüste von einem Künstler namens C. Fait, Startpreis 12,99 Euro“.