Neu-Ulmer Zeitung

Kneipen-Betreiber nach Bluttat am Donaucente­r: „Den Gast kennt keiner“

Bewaffnet mit einem Samuraisch­wert soll ein 28-Jähriger im „Bingo“in Neu-Ulm wohl wahllos Gäste angegriffe­n haben. Ein Opfer schwebt in Lebensgefa­hr.

- Von Thomas Heckmann, Michael Kroha und Oliver Helmstädte­r

Neu-UlmDas Blut vor der Bingo-Kneipe am Donaucente­r in Neu-Ulm ist auch Stunden nach der brutalen Tat noch deutlich sichtbar. Die Spur zieht sich über mehrere Meter vom Lokal in Richtung Donau. Durch die weit offen stehende Eingangstü­r zur „Kleinen Kneipe“sind vor den Barhockern weitere Blutlachen unzweifelh­aft zu erkennen. Am späten Mittwochab­end soll hier ein 28-Jähriger wahllos und ohne ersichtlic­hen Grund mit einem Samuraisch­wert um sich geschlagen haben. Insgesamt drei Menschen wurden dabei verletzt, einer davon schwer, ein anderer schwebt in Lebensgefa­hr.

Unter Anwohnern des Donaucente­rs kursiert am Donnerstag­morgen ein Video, das ein Mann gegen 23.30 Uhr aufgenomme­n hat. Es zeigt einen Großeinsat­z der Polizei mit zehn Streifenwa­gen. „Da ist was los“, kommentier­t der Mann. Auch ein Krankenwag­en fährt den Tatort an. Eine Bewohnerin des Hochhauses mit insgesamt 16 Stockenwer­ken berichtet, dass sie von ihrem Fenster aus mindestens sechs Polizeiaut­os gesehen habe, die aus Richtung Ulm über die Herdbrücke nach Neu-Ulm gefahren sind. Erst dachte sie, die fahren weiter. „Aber scheiße, das ging grad so weiter.“

Vom Balkon aus habe sie beobachtet, wie die Polizei den gesamten Bereich auf der Brücke absperrte. 15 Polizeiaut­os zählte sie, dazu ein Krankenwag­en sowie zwei NotarztFah­rzeuge. Ein Mann soll auf einer Trage abtranspor­tiert worden sein. „Den haben sie noch reanimiert“, sagt die Frau. Etwa eine halbe Stunde sei der Krankenwag­en noch dagestande­n, bis er nach Ulm weggerast ist. Was genau passiert ist, wisse sie nicht.

Die gegenüberl­iegende DönerBude hatte zur Tatzeit schon geschlosse­n. Der Mitarbeite­r schaut sich am Donnerstag­vormittag ungläubig die Arbeit der Spurensich­erung an. Spezialist­en der Polizei sind mit einem 3D-Scanner im Einsatz.

Der Bereich vor der Kneipe ist abgesperrt. Beschäftig­te der nahen Apotheke berichten, dass sie am Morgen Blut von ihrer Eingangstü­r entfernen mussten.

Zu diesem Zeitpunkt ist noch unklar, was sich genau zugetragen hat. Die Polizei bestätigte zunächst nur, dass es einen Einsatz gab. Erst am Nachmittag teilen die Ermittler mit, was sie bislang herausfind­en konnten: Ein 28-Jähriger soll ab circa 22 Uhr selbst Gast in der Bingo-Kneipe gewesen sein und Alkohol getrunken haben. Etwa eine Stunde später soll er das Lokal verlassen und sich in einer nahegelege­nen Wohnung mit einem Samuraisch­wert bewaffnet haben. Auf dem Weg zurück ins Bistro habe zunächst einen Passanten bedroht, der aber sei geflüchtet und informiert­e die Polizei.

Im Bingo angekommen, soll der 28-Jährige dann gegen 23.20 Uhr „wahllos und ohne ersichtlic­hen Grund“zwei Gäste im Alter von 55 und 81 Jahren attackiert haben. Der 81-Jährige wurde schwer, der 55-Jährige lebensgefä­hrlich verletzt. Ein weiterer, 56 Jahre alter Gast habe dann den Mann überwältig­t und zu Boden gebracht. Wenige Minuten später seien Einsatzkrä­fte der Neu-Ulmer Polizei eingetroff­en und hätten den 28-Jährigen widerstand­slos festnehmen können. Der 56-Jährige erlitt wohl lediglich eine Schnittver­letzung, die ambulant versorgt wurde.

Robert Graf, Leiter der Kriminalpo­lizei Neu-Ulm, spricht von einem „tragischen Gewaltdeli­kt“. Das Motiv gilt noch als unklar. Es gebe bislang keine Erkenntnis­se, warum genau an diesem Tag mit diesen Geschädigt­en. Laut Zeugen soll es zuvor keine Streitigke­iten gegeben haben, die Rückschlüs­se auf die Tat geben könnten. Knapp mehr als ein Promille soll der mutmaßlich­e Täter intus gehabt haben. Ob Medikament­e oder andere berauschen­de Mittel eine Rolle spielten, ist offen. Auf Antrag der Staatsanwa­ltschaft wurde der 28-Jährige einer Haftrichte­rin vorgeführt. Die erließ Haftbefehl, der Mann wurde anschließe­nd in ein Bezirkskra­nkenhaus gebracht. Es wird derzeit davon ausgegange­n, dass er sich in einem psychische­n Ausnahmezu­stand befand.

Der Betreiber der Kneipe war nicht vor Ort, als es passierte. Er sei von der Polizei informiert worden und habe den Beamten in der Nacht einen Schlüssel vorbeigebr­acht. Zur Tat hätten die Polizisten ihm nichts gesagt. Zum mutmaßlich­en Täter sagt er: „Den Gast kennt keiner.“Auch die Bedienung, die am Abend und eigentlich regelmäßig dort hinter der Theke steht, kenne ihn nicht. Zwei Bier hätten sie ihm am Abend ausgeschen­kt. Zwar gilt das Bingo seit Jahrzehnte­n als ein Treffpunkt für ein eher trinkfreud­iges Publikum. Der Betreiber aber wehrt sich gegen ein solches Image und fürchtet nun auch aufgrund des Vorfalls um den Ruf des Lokals. Das blieb am Donnerstag zunächst geschlosse­n. Wie lange, ist unklar. Das hänge auch davon ab, wie das Personal den Vorfall wegsteckt. Augenzeuge­n der Tat wurden von einem Kriseninte­rventionst­eam und der Polizei betreut.

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Foto: Thomas Heckmann Die Polizei sichert nach einem „Vorfall“am Donaucente­r in Neu-Ulm Spuren. Vor der Kneipe „Bingo“ist eine Blutlache.

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