Erwartungen an KI-Campus sind „grenzenlos“
Zum Richtfest für den „Künstliche Intelligenz Campus Ulm“(KICU) kommen Unternehmerinnen und Unternehmer aus der ganzen Region. Ernsthafte Interessenten stehen wohl schon bereit.
Ulm KI zieht an: Aus allen Richtungen kommen die Menschen der Wissenschaftsstadt am Dienstagmorgen zum Richtfest des neuen Campus für Künstliche Intelligenz (KICU) angereist. Dort bietet sich diese analoge Szene: Vier Zimmermänner stehen mit prall gefüllten Weingläsern auf dem Gerüst, zu ihren Füßen sind über hundert Zuschauerinnen und Zuschauer versammelt. Einer von ihnen ruft einen Richtspruch herab, in dem es da heißt: „Schon bald wird hier die künstliche Intelligenz gelehrt, damit wir auch in Krisenzeiten verschont sind, von den großen Pleiten.“Danach werden die Weingläser zerschmettert – und das Begrüßen, das Netzwerken, das Fragenstellen im Publikum beginnt. Ulms Oberbürgermeister Martin Ansbacher (SPD) spricht bei seinem ersten Richtfest von einem richtungsweisenden Zukunftsprojekt. „Die Erwartungshaltung ist grenzenlos“.
Doch was genau soll in diesem Haus für Künstliche Intelligenz (KI) passieren? Wie soll es der Wirtschaft dienen? Ansbacher erzählt bei seiner Rede eine Anekdote. Erst am Morgen habe er einen 70-Jährigen getroffen. Der wollte von ihm wissen: „Wohin gehen Sie?“Ansbacher erzählte ihm von dem Richtfest am Eselsberg. Der Rentner antwortete ihm: „Also das mit der künstlichen Intelligenz ist ja gut und recht, aber man sollte sich auch um die menschliche Intelligenz kümmern!“Gelächter im Publikum. Martin Ansbacher sagt: „Das stimmt! Aber hier geht es darum, beides zu verbinden, die menschliche und die künstliche Intelligenz.“Sein Vorgänger Gunter Czisch (CDU) hat den Weg für das 6,1-Million-Euro-Projekt geebnet, das vom Land Baden-Württemberg mit einer dicken Summe gefördert wird.
Der KICU-Campus ist im Endeffekt ein großes, modernes Haus, in dem sich vorwiegend kleine und mittelständische Unternehmen, Doktoranden wie Studenten und sonstige Experten treffen. Sie können dort zusammenarbeiten und erforschen, wie sie künstliche Intelligenz in ihre eigenen Produkte und Dienstleistungen integrieren.
Martin Allgaier ist jemand, der genau zu jener Zielgruppe passt. Beim Pfaffenhofer Softwareunternehmen Newtec leitet er die 50-köpfige Entwicklungsabteilung und betreut Projekte, in denen KI bereits zur Anwendung kommt, wie zum Beispiel an der Softwareprogrammierung von Herz-Lungen-Maschinen. Von dem KICU-Haus erhofft sich der 49-Jährige neue Geschäftsbeziehungen im Bereich der KI. „Wenn jeder Erfahrungen in die Waagschale legt, können andere davon profitieren“, sagt Allgaier. Er ist schon gespannt, welche Firmen sich dort ansiedeln werden. Wie Christian Bried, der Chef der städtischen Projektentwicklungsgesellschaft (PEG) informiert, hätten sich ernsthafte Interessenten gemeldet und man sei dabei Verträge zu schaffen. Im Juni soll das KIHaus fertig sein, ab September könnten die ersten Teilnehmer einziehen. „Wir liegen in den Terminen und in den Kosten“, verkündet Bried stolz.
Das Projekt wird sich insofern von gewöhnlichen Co-Workingspaces, sprich Bürogemeinschaftsräumen, unterscheiden, als das Angebot sehr niederschwellig sein soll. Interessierte Partnerinnen und Partner sollen möglichst einfach am Campus mitmachen können. Die PEG richtet das Gebäude samt Möbeln und Café voll ein. In welcher Art und Weise, wer mit wem und wie oft zusammenarbeiten wird, scheint noch recht offen zu sein. Tobias Dobner, Geschäftsführer der Neu-Ulmer Softwarefirma Picoba, hofft auf eine möglichst unkomplizierte Lösung. „Ich bin sehr gespannt, was hier passiert“, sagt Dobner.
Mit am Stehtisch steht Florian
Neymeyer, der Personalchef der international agierenden Ulmer Firma Uzin Utz. Er ist ein begeisterter Nutzer des KI-Textprogramms ChatGpt und hat sich dafür stark gemacht, dass das Unternehmen 150 Lizenzen der Software bestellt. Ein Mitarbeiter befasse sich in Vollzeit mit nichts anderem als künstlicher Intelligenz, sagt Neymeyer. Für das KI-Haus am Eselsberg könnte er sich etwa vorstellen, dass jener KI-Profi dort einen Tag der Woche verbringt.
Menschliches Wissen um künstliche Intelligenz soll sich in Ulm und Umgebung rasch verbreiten. Deswegen sollen im KICUHaus künftig Seminare und Schulungen abgehalten werden. Alexander Nikolaus, Leiter des Ulmer Zentrums für Digitalisierung, hat erst in Biberach Seminare organisiert, wie sich Kleinunternehmen bei dem Erstellen von Geschäftskonzepten mit ChatGPT helfen lassen können. Das kann er sich für das KICU-Projekt ideal vorstellen. Nikolaus freut sich schon jetzt: „Die KI hat in Ulm jetzt einen Ort“.
Wer mit wem wie zusammenarbeitet, scheint offen zu sein.