Neu-Ulmer Zeitung

Bayern reagiert auf die Gewalt an Schulen

Die Zahl der Taten ist um ein Viertel gestiegen. Kultusmini­sterin Anna Stolz will nun mehr tun, um Lehrkräfte zu unterstütz­en.

- Von Sarah Ritschel

München Die Zahl der Gewalttate­n an bayerische­n Schulen ist innerhalb eines Jahres um fast 25 Prozent angestiege­n. Im Jahr 2023 registrier­te die Polizei an den rund 6200 Schulen im Freistaat insgesamt 9620 Delikte, fast 700 davon waren Gewalttate­n wie Raub, räuberisch­e Erpressung, Vergewalti­gung und gefährlich­e oder schwere Körperverl­etzung. Immerhin: Bei Rauschgift­delikten sank die Zahl der neuesten Kriminalst­atistik zufolge.

Die Grünen im bayerische­n Landtag fordern jetzt ein verpflicht­endes Schutzkonz­ept gegen Gewalt an jeder Schule. „Viele Schulleitu­ngen und Lehrkräfte sind überforder­t im Umgang mit Gewalt“, sagt deren bildungspo­litische Sprecherin Gabriele Triebel. „Manche versuchen die Fälle intern zu klären, haben Angst, dass sie an die Öffentlich­keit gelangen und der Ruf ihrer Schule leidet. Dabei muss das Gegenteil passieren.“Schulen bräuchten verlässlic­he Werkzeuge, um im konkreten Fall zu handeln. Auch der Kontakt zu Eltern müsse großgeschr­ieben werden. „Nur wenn man die Problemati­k offen anspricht, kann Prävention funktionie­ren.“Speziell für sexuelle Gewalt hat die Kultusmini­sterkonfer­enz im vergangene­n Jahr einen Leitfaden mit Arbeitsmat­erialien und Handlungse­mpfehlunge­n entwickelt. Triebel fordert: „Er muss verpflicht­end ins Unterricht­sgesetz aufgenomme­n werden.“

Bayerns Kultusmini­sterin Anna Stolz (Freie Wähler) reagiert deutlich auf die neue Kriminalst­atistik. „Gewalt jeder Art – ganz gleich, ob innerhalb der Schülersch­aft oder gegenüber Lehrkräfte­n – an Bayerns Schulen darf nicht geduldet werden“, betont sie. „Jede gemeldete Straftat wird zur Anzeige gebracht.“Bayern habe bereits eine Vielzahl von Maßnahmen und Programmen zur Prävention und Interventi­on

bei Gewalt und Mobbing auf dem Schulgelän­de. Konkret kündigt Stolz an, die sogenannte­n multiprofe­ssionellen Teams an Schulen auszubauen. In diesen Teams werden Lehrkräfte bei ihrer Arbeit durch weitere Fachkräfte, Sozialpäda­gogen etwa, Erzieherin­nen oder Schulpsych­ologen, unterstütz­t.

Auch in anderen Bundesländ­ern werden Schulen immer öfter zu Tatorten. In Nordrhein-Westfalen stiegen die Gewaltdeli­kte im Vergleich zur Zeit vor Corona um mehr als 50 Prozent, in Berlin finden an jedem Schultag im Schnitt fünf Polizeiein­sätze statt.

Bei der Prävention schließen sich die Schulen oft mit externen Stellen zusammen, der Polizei zum Beispiel. Christiane Honer arbeitet in der Zentralen Geschäftss­telle der Polizeilic­hen Kriminalpr­ävention der Länder und des Bundes, die am Landeskrim­inalamt Stuttgart angesiedel­t ist. Dort wird auch untersucht, weshalb Kinder und Jugendlich­e zu Täterinnen und Tätern werden.

„Werden Jugendlich­e gewalttäti­g, treffen häufig verschiede­ne Faktoren in ungünstige­r Konstellat­ion zusammen“, sagt die Pressespre­cherin. „So vielfältig wie die Ursachen sind auch die Erscheinun­gsformen von Jugendgewa­lt, die von verbaler Aggression über Vandalismu­s bis zu Raubdelikt­en reicht.“

Besonders fatal: Jugendlich­e, die zu Hause Gewalt als Mittel der Konfliktlö­sung erleben, schlügen selbst auch eher zu. Hinzu kämen Gruppenzwä­nge, etwa Unsicherhe­it, was die eigene Rolle im sozialen Umfeld betreffe, oder Erlebnishu­nger. Auch Integratio­nsprobleme und Perspektiv­losigkeit können Honer zufolge belastend wirken und sich in Gewalt äußern. Darüber hinaus könne auch „die Gewöhnung an Aggression und Brutalität durch den längerfris­tigen Konsum entspreche­nder Medien bei labilen Jugendlich­en Hemmschwel­len absenken“. Kommentar

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