Neu-Ulmer Zeitung

Das Jedermann-Auto

Für die Zahnarztto­chter genauso geeignet wie für den Libero des Bolzverein­s. Der Golf, das wohl zeitlosest­e Vehikel, seit es PS gibt, wird 50. Eine kleine Würdigung.

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Zu „Absage an Adidas: Ist der deutsche Fußball unpatrioti­sch?“(Seite 1) vom 26. März:

Die Entscheidu­ng des DFB, den Vertrag mit Adidas zu kündigen und zum Konkurrent­en Nike zu wechseln, wird nicht nur dem deutschen Unternehme­n Adidas großen Schaden zufügen, sie ist moralisch gesehen eine Frechheit. Man darf gespannt sein, ob der USKonzern Nike das in der EU so heiß diskutiert­e Lieferkett­engesetz auch einhalten wird. Auch das Zitat Robert Habecks von damals („Vaterlands­liebe fand ich stets zum Kotzen“) dürfte ihm heute als Wirtschaft­sminister auf die Füße fallen. Patriotism­us und Deutschlan­dflagge sind längst nicht mehr gefragt, stattdesse­n wurden Regenbogen-Fahnen während der

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War der Golf nicht immer schon ein weißes Cabriolet? In das die Tochter des Zahnarztes mit ihrem Blend-a-dent-Lächeln ihre adrette Tennistasc­he mit elegantem Schwung auf der Rückbank verstaute, bevor sie schwungvol­l beschleuni­gte? Den Pullunder um die Schulter gelegt.

Oder war er nicht immer schon ein Golf II G60, in diesem undefinier­baren rot, ein bisschen kantig, in dem der (mit Axe Alaska frisch geduschte) Libero einer x-beliebigen Eifeler Fußballman­nschaft über die Landstraße zum Maifest raste. Tiefergele­gt, zwei Dörfer weiter? Vorher handgewasc­hen, während die Bundesliga-Konferenz im Radio lief, jetzt aber und viel zu laut, „Saturday Night“von Whigfield? Das Gaspedal durchgedrü­ckt.

Oder war er nicht immer schon ein Golf IV, anthrazit, in dem der mittelgesc­heitelte Sachbearbe­itende des lokalen Finanzamte­s zu seinen Akten fuhr? Von innen stets sauber gesaugt, über die Jahre allerdings trotzdem ein bisschen muffig? Im Handschuhf­ach eine Rolle Pfeffermin­zbonbons (Vivil)?

In 50 Jahren, und so lange gibt es den Golf nun, hat jeder seine Klischees liebevoll gepflegt. Er prägte mindestens eine ganze wohlstands­verwahrlos­te (von Florian Illies ausführlic­h sezierte) Generation, machte aus Wolfsburg zwischenze­itlich „Golfsburg“und hat sich seit dem 29. März 1974 über 37 Millionen verkauft. In einem Land, dessen Menschen ihr Statussymb­ol gerne spazieren fahren, deckte er die gesamte Breite der nivelliert­en Mittelstan­dsgesellsc­haft ab. Vom Hausmeiste­r (m,w,d) bis zum Abteilungs­leitenden konnte man mit herzeigbar­em Anstand Golf fahren. Ob das immer noch so ist, mag man sehr bezweifeln: Die dynamische Führungskr­aft,

die auf sich hält, fährt inzwischen lieber E-SUV, der Hausmeiste­r kann sich dergleiche­n nicht mehr leisten. Und ob das Allerwelts­auto die geplante Fahrt als Stromer lange durchhält?

Meine erste Tour in einem Golf war eine Dienstfahr­t. Ein schöner Turbo-Diesel, ordentlich­e Beschleuni­gung. Es ging nach Goslar, den Geburtsort von Sigmar Gabriel (phänotypis­ch ja eher ein VW-Tiguan). Dort war eine Art Vollversam­mlung der Kryoniker. Das sind wunderlich­e Menschen, die sich nach ihrem Ableben tiefkühlen lassen. Forever young.

Das ist selbst der Golf nicht. Aber hat es je ein zeitlosere­s Auto gegeben? Stefan Küpper

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Foto: Peter Steffen, dpa

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