Neu-Ulmer Zeitung

„Eine Art Geldadel bündelt Macht durch Vermögen“

Rund 25 Millionen Euro wurden Marlene Engelhorn vermacht, jetzt entscheide­t ein 50-köpfiger Bürgerrat, der „Gute Rat“, darüber, was damit geschehen soll.

-

Frau Engelhorn, können Sie kurz erklären, wie der Bürgerrat, den Sie einberufen haben, arbeitet? Marlene Engelhorn: Der „Gute Rat“ist vom Foresight-Institut aus einer Zufallssti­chprobe von 10.000 Adressen beziehungs­weise Menschen ausgewählt worden, die einen Brief mit der Einladung zur Registrier­ung erhalten haben. Die Rückmeldun­gen wurden mit einer statistisc­hen Erhebung gekoppelt, um 50 Personen für den Rat auszuwähle­n. Der Rat weicht weniger als zwei Prozentpun­kte von der österreich­ischen Bevölkerun­g ab, das ist vor allem hinsichtli­ch der demokratis­chen Entscheidu­ng extrem wichtig. Er tagt bereits und wird bis Anfang Juni sechs Mal zusammentr­eten. Der Auftrag ist, über die Frage der Vermögensv­erteilung zu entscheide­n, aber nicht nur: Die Frage ist, wie wirkt sich die extrem polarisier­te Verteilung von Vermögen auf unsere Gesellscha­ft aus, auf Fragen der sozialen Gerechtigk­eit, des Klimawande­ls, auf den Umgang mit Krisen. Vermögensa­ufbau ist das Ergebnis der Zusammenar­beit der gesamten Gesellscha­ft. Für mich ist klar: Ich habe das Vermögen bekommen, weil die Verteilung nicht so reguliert ist, dass das Vermögen wieder an die Gesellscha­ft zurückflie­ßen kann. Ich kann das kompensier­en. Die 50 Leute repräsenti­eren nicht die Parteien, sondern die gesamte Bevölkerun­g: Indem sie darüber entscheide­n, was genau mit dem Vermögen geschieht, wird die Frage der Verteilung ganz grundsätzl­ich gestellt werden. Nur so kann ein umfassende­s Verständni­s gewonnen werden, und darauf soll in der Folge aufgebaut werden – in dem die Ergebnisse zur Grundlage des Veränderun­gsprozesse­s, was Vermögensv­erteilung angeht, werden sollen. Ich will hier also beides verbinden: dass die große Debatte geführt wird, und zwar möglichst demokratis­ch und öffentlich, und die Tatsache, dass ich eigentlich nicht in die Rolle der Millionene­rbin hineingebo­ren hätte werden dürfen. Diese Macht, durch Gnade der Geburt über 25 Millionen Euro verfügen zu dürfen, entspricht eher einem feudalen Modell. Und nicht einem demokratis­chen. Meine Machtposit­ion hat keine Legitimitä­t,

die Legitimitä­t hat die Demokratie. Aber ich wurde nicht besteuert, und damit gehe ich ja seit Jahren allen auf die Nerven. Der Rat ist einem idealen Parlament nicht unähnlich, aber dort wird die Parteienla­ndschaft repräsenti­ert. Hier geht es um die gesamte Gesellscha­ft.

Was machen Sie, wenn es Streit gibt im „Guten Rat“? Wenn es sich dort spießt?

Engelhorn: Dafür gibt es längst Erfahrungs­werte aus anderen Bürgerräte­n. Es gibt Leitfäden, wie man Widerspruc­h und Widerständ­e messen kann und wie man sie in die Entscheidu­ngsfindung einarbeite­n kann. Hat jemand nur Zweifel, Bedenken oder lehnt er oder sie den Vorschlag ganz ab? Die Moderatori­nnen und Moderatore­n sorgen dafür, dass sich alle aus ihren ganz verschiede­nen Perspektiv­en äußern können. Ich habe anfangs mitgeholfe­n, die ersten Personen für das Organisati­ons- und Moderation­steam zu finden, habe mich aber rasch zurückgezo­gen und das Team selbst weiterwach­sen lassen. Die müssen ja gut zusammenar­beiten können.

Welche Bevölkerun­gsgruppen sollen Ihrer Meinung nach Vermögen abgeben?

Engelhorn: Wir haben die Idee des Sozialstaa­ts aus Prinzip, weil wir uns dafür entschiede­n haben, als Gesellscha­ft. Aber dafür sind bestimmte Ressourcen notwendig. Die Frage ist also, in welchem Eigentum diese Ressourcen stehen.

Beispiel Gesundheit: Wollen wir uns von einer privaten Infrastruk­tur abhängig machen oder wollen wir eine öffentlich­e haben – weil wir wissen, dass es besser ist, die öffentlich­en Interessen über die privaten zu stellen? Ich möchte nicht gegen bestimmte Personen oder Gruppen gehen. Leute öffentlich an den Pranger zu stellen, interessie­rt mich überhaupt nicht. Mir geht es um die enorme Polarisier­ung

von Vermögen. Das reichste Prozent muss seine Ressourcen teilen, das wäre die einfache Antwort. Aber in Wahrheit ist es so, dass das reichste Prozent diese Ressourcen gar nicht haben dürfte, und damit aber grundnotwe­ndige Ressourcen dort sind, wo sie nicht demokratis­ch kontrollie­rt werden können. Das ist für manche schon „zu radikal“, ich weiß. Wenn man aber fragt, ob wer eine feudale Vermögensu­nd Machtverte­ilung haben will, heißt es dennoch immer „Nein“. Oft auch von denen, die selbst Reichtum besitzen.

Dem Staat wird häufig vorgeworfe­n, dass er Steuergeld nicht sehr effizient einsetzt. Es gibt Prestigepr­ojekte, Steuervers­chwendung, Millionen für marode Firmen, die dann doch untergehen, zum Beispiel Karstadt. Geht der Staat wirklich besser mit Geld um? Engelhorn: Die Geschichte spricht gegen ein solches Argument. Die letzten 70 Jahre sind ein Ausreißer, was Ungleichhe­it angeht. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie radikal reduziert. Dann kam die neoliberal­e Wende, das Vermögen wurde wieder polarisier­t – mit welchem Ergebnis? Eine vielfache Krise. Jetzt kann man sagen, das sei polemisch. Aber wie die Politik mit öffentlich­em Geld umgeht, ist nicht dasselbe wie die Frage, wie der Staat mit Geldern umgeht. Wie sollen Staaten langfristi­g ihre Einund Ausgaben planen, wenn Regierunge­n bestehende Steuern nicht erhöhen und gleichzeit­ig nicht bereit sind, Vermögen anzutasten? Die Steuern auf Arbeit oder Konsum weiter zu erhöhen, hätte großen Unmut in der bereits bezahlende­n Gesellscha­ft zur Folge, dann bleibt aber nichts anderes über, als zu kürzen, und das geht auf Kosten der Sozialausg­aben oder die Infrastruk­tur wird verkauft. Staaten und der Großteil der Gesellscha­ft verarmen und sehr, sehr wenige werden immer reicher und kaufen diese Infrastruk­tur auf. Und sie regeln dann den Zugang über die Bezahlschr­anke. Also: Denkt man die neoliberal­e Ideologie zu Ende, so bedeutet diese irgendwann das Ende der Demokratie. Das wir gerade erleben: Eine Art Geldadel bündelt Macht durch Vermögen. Demokratis­ch wäre aber, Macht zu teilen und alle einzuladen mitzugesta­lten. Demokratie ist eine Praxis, die man immer wieder üben muss.

„Hätte eigentlich keine Millionene­rbin werden dürfen.“

„Es bräuchte eine Obergrenze für Vermögen.“

Wo würden Sie denn eine Grenze bei Vermögen ziehen? Wie viel Vermögen ist legitim?

Engelhorn: Ich würde mich hüten, so eine Grenze vorzugeben. Aber es bräuchte eine, wir haben ja auch eine Armutsgren­ze. Das war auch das Ergebnis von wissenscha­ftlicher Expertise und politische­r Diskussion. Sobald es das Potenzial gibt, politisch massiv Einfluss zu nehmen, müssen wir darüber reden. Dass wir das brauchen, muss Konsens werden. Aber das muss demokratis­ch und wissenscha­ftlich erarbeitet werden.

Wie halten Sie es mit dem, was von Ihrem Vermögen überbleibt? Engelhorn: Mir ist wichtig, dass meine Lebensführ­ung im Einklang mit den ökologisch­en Grenzen liegt. Und ansonsten kann ich nur sagen: Ich werde mein Leben lang Teil einer privilegie­rten Familie sein, das ist ein Sicherungs­netz, das die allermeist­en nicht haben. Ansonsten ist mir wichtig: Ich will zu den 99 Prozent gehören, die ihren Beitrag leisten und die demokratis­ch entscheide­n. Ich verteile mich raus aus dieser feudalen ,Reichen-Suppe´, mit der ich nichts zu tun haben will.

Interview: Werner Reisinger

Zur Person

Marlene Engelhorn, 31, setzt sich seit Jahren für demokratis­che Rückvertei­lung von Vermögen ein. Als Erbin aus der Unternehme­rfamilie Engelhorn verfügt sie über rund 25 Millionen Euro, die aus dem Verkauf der Boehringer­Mannheim-Gruppe an den HoffmannLa Roche-Konzern stammen. Sie ist Buchautori­n und Mitbegründ­erin der Steuer-Initiative taxmenow.

Pabst neben dem höchstmögl­ichen Kundennutz­en die Nachhaltig­keit. Zuletzt habe die Washtec Gruppe den eigenen Co2-Ausstoß um mehr als 30 Prozent senken können. Auch bei den Anlagen und der Wasch-Chemie setze man auf Umweltschu­tz und reduziere unter anderem weiter den Frischwass­erverbrauc­h der Anlagen. „Das ist nicht nur etwas für unser gutes Gewissen, sondern auch ein Wettbewerb­svorteil“, so Pabst. Im Bereich der Digitalisi­erung wolle Washtec neue Geschäftsf­elder und Umsatzmögl­ichkeiten erschließe­n. Unter anderem soll dies über eine Flatrate für die Autowäsche gelingen.

Vorangetri­eben werden die Ziele von einer neuen Führung. Bereits im Februar hatten der Aufsichtsr­at und der bisherige Vorstandsv­orsitzende Ralf Koeppe das vorzeitige Ende seiner Tätigkeit als CEO und CTO vereinbart. Sein Amt übernimmt ab Mai Michael Drolshagen (zuvor unter anderem Porsche und Thyssen Krupp). Koeppe war 2019 zu Washtec gekommen. In seiner Amtszeit habe er das Unternehme­n erfolgreic­h durch schwerste Krisenzeit­en geführt, die Profitabil­ität der Gesellscha­ft erhalten und Mitarbeite­rn ihre Arbeitsplä­tze gesichert, heißt es seitens Washtec.

Die ordentlich­e Hauptversa­mmlung der Washtec AG findet am 14. Mai statt. Für das Geschäftsj­ahr 2023 schlagen Vorstand und Aufsichtsr­at eine Dividende von 2,20 Euro je Aktie vor.

 ?? Foto: Roland Schlager, apa/dpa ?? Marlene Engelhorn will mit „dieser feudalen Reichen-Suppe“nichts zu tun haben.
Foto: Roland Schlager, apa/dpa Marlene Engelhorn will mit „dieser feudalen Reichen-Suppe“nichts zu tun haben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany