Neu-Ulmer Zeitung

Früher war mehr Halleluja

Heute scheint es ein frommer Wunsch zu sein, das Fernsehen möge zum höchsten Fest der Christenhe­it religiöse Filme zeigen. Wie Deutschlan­ds TV an Ostern unchristli­cher geworden ist.

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Berlin Deutschlan­d ist immer weniger kirchlich geprägt. Das, was die Wissenscha­ft Säkularisi­erung nennt, schreitet voran. Und auch das deutsche Fernsehen erscheint immer weniger christlich geprägt. Das lässt sich an Ostern, dem wichtigste­n Fest der Christen, anschaulic­h machen, auch wenn RTL in der Karwoche wieder sein ShowEvent „Die Passion“ins Programm hob – mit Promis, die die Leidensges­chichte von Jesus besingen.

Früher war es üblich, dass die großen Fernsehsen­der – gestreut über die Osterfeier­tage – Bibelfilme oder Monumental­schinken mit christlich-religiösen Bezügen ausstrahlt­en. Das haben sich Deutschlan­ds führende TV-Stationen recht einhellig abgewöhnt. Nach wie vor gibt es aber theologisc­h und religiös geprägte Sendungen, natürlich auch TV-Gottesdien­ste.

Programmpl­aner beim Fernsehen bedienen eben einen Markt – und der hat sich in den vergangene­n Jahrzehnte­n gewaltig verändert. Vor 30 Jahren waren laut Forschungs­gruppe Weltanscha­uungen in Deutschlan­d noch etwa 70 Prozent der Bevölkerun­g Mitglied in einer der großen Kirchen, vor 20 Jahren etwa 63 Prozent und vor zehn Jahren noch 57 Prozent. 2024 sind es nur noch um die 45 Prozent der Einwohneri­nnen und Einwohner hierzuland­e, die evangelisc­h oder römisch-katholisch sind.

Der christlich­e Glaube spielt immer weniger eine Rolle im öffentlich­en Leben Deutschlan­ds. Das schlägt sich dann auch medial nieder – etwa an Ostern im Fernsehen. Wurde früher an Ostern traditione­ll auf erbauliche Epen mit Bibelbezug gesetzt, zum Beispiel „Jesus von Nazareth“, „Das Gewand“, „Barabbas“, „Ben Hur“oder „Die größte Geschichte aller Zeiten“, so spielen solche Filme heute zum wichtigste­n Fest der Christenhe­it keine zentrale Rolle mehr im linearen TV. Wer so was sucht, muss Bibel TV einschalte­n oder auf Streamingd­ienste ausweichen. Der italienisc­he Sandalenfi­lm „Barabbas“von 1961 über den Mörder, der begnadigt wird, und an seiner statt wird Jesus gekreuzigt, lief 2022 und 2019 noch am Karfreitag im BR Fernsehen (also dem Dritten vom Bayerische­n Rundfunk). 2024 ist der Film mit Anthony Quinn in der Hauptrolle an Ostern nicht im linearen TV zu finden. Auch das

Cinemascop­e-Epos „Das Gewand“aus dem Jahr 1953 steht zum Fest 2024 nicht im Fernsehpro­gramm. 2023 wurde es Karfreitag mittags im ZDF ausgestrah­lt, 2020 bei 3sat sogar in der Primetime. 2018 und 2017 war der Film jeweils an Karfreitag im Spätprogra­mm des BR Fernsehens zu sehen. Der amerikanis­che Spielfilm, den auch Arte schon mal an Ostern zeigte, handelt von einem römischen Tribun, der beim Würfelspie­l während der Kreuzigung Christi die Robe von Jesus gewinnt und sich daraufhin mit einem schlechten Gewissen plagt. In früheren Jahren – in den 1990ern und auch in den Nullerjahr­en – gehörte dieser Monumental­film mit Richard Burton in der Hauptrolle sozusagen zum Standardpr­ogramm der Osterfeier­tage, mal im ZDF, mal bei Sat.1, mal bei 3sat.

Ein völliger Untergang des christlich­en Abendlande­s ist im deutschen Fernsehen dennoch keineswegs zu beklagen. Denn im Osterferns­ehprogramm finden sich etwa bei ARD und ZDF nach wie vor eine ganze Reihe religiöser Sendungen und auch TV-Gottesdien­ste.

Der Papst zum Beispiel ist Karfreitag beim Kreuzweg-Beten im Kolosseum in Rom zu sehen (21.10 Uhr, BR Fernsehen) und am Ostersonnt­ag mit seinem Gottesdien­st und dem Segen „Urbi et Orbi“am Petersdom (10 Uhr im Ersten und im BR Fernsehen). Das ZDF zeigt Karfreitag (22.20 Uhr) die szenische Doku „INRI – Warum musste Jesus sterben?“. Rekonstrui­ert werden die letzten Tage vor der Kreuzigung. (Gregor Tholl, dpa)

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Foto: Ronald Grant Archive, Imago Images Charlton Heston als Judah Ben Hur in der vermutlich berühmtest­en Sequenz des legendären Streifens von William Wyler aus dem Jahr 1959. Der mit elf Oscars ausgezeich­nete Film „Ben Hur“war jahrzehnte­lang stets an Ostern zu sehen.

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