Neu-Ulmer Zeitung

Ein Papiertige­r gegen das Binnen-I

- Von Benedikt Dahlmann

Konservati­smus zeichnet sich unter anderem durch ein hierarchis­ches Weltbild aus: klare Strukturen, Autoritäts­hörigkeit, Recht und Ordnung. Liberalism­us ist in weiten Teilen das Gegenteil davon. In der Genderdeba­tte hat die Staatsregi­erung ihr konservati­ves Weltbild auf den politische­n Gegner übertragen und eine links-grüne Genderpfli­cht gewittert. Die Grünen wurden als „Sprachpoli­zei“und „Verbotspar­tei“gebrandmar­kt. Nun ist es die Regierung selbst, die ein „Sprechverb­ot“erteilt, zumindest wenn es um behördlich­e Texte geht. Damit konterkari­ert die Staatsregi­erung ihre eigene Rhetorik.

Sicherlich gibt es im linken politische­n Spektrum Menschen, die ihre Ideologie gerne in Verboten und Pflichten umgesetzt sähen. Nicht alle, die behaupten, liberal zu sein, sind es auch. Aber die Mehrheit derjenigen, die sich für geschlecht­ergerechte Sprache einsetzen, wollte keine Genderpfli­cht. Sie hat versucht, die Freiheit der Sprache zu nutzen, um ihr politische­s Anliegen einer gleichbere­chtigteren Welt auszudrück­en. Das kann man falsch finden, es ist aber ein legitimes, demokratis­ches Mittel.

Dem hat Markus Söder mit einem Verbot den Riegel vorgeschob­en. Das Ergebnis ist ein Papiertige­r, von dem niemand so genau weiß, was passiert, wenn er zuschnappt. De facto ist in letzter Konsequenz nichts geklärt. Die Staatsregi­erung hofft auf das Verantwort­ungsbewuss­tsein ihrer Beamtenrie­ge. Die macht das, was die Gesellscha­ft von ihr erwartet: abwarten, bis konkrete Vorgaben kommen, und sich dann ordnungsge­mäß, aber mit Augenmaß daran halten.

> Lesen Sie dazu auch den Artikel auf der nächsten Bayern-Seite.

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