„In die letzte Lebensphase passt viel Schönes“
Warum begleiten Menschen andere beim Sterben? Zwei Frauen erzählen von ihrem Ehrenamt. Was sie eint: Sie empfinden die Begegnungen als bereichernd.
Augsburg Der Tod wird oft weggeschoben. Er ist etwas, über das wenige offen sprechen. Wir haben es trotzdem getan, und zwar mit zwei Frauen, die dem Sterben immer wieder begegnen. Sie engagieren sich ehrenamtlich als Hospizbegleiterinnen. Das heißt, sie begleiten Menschen, die sie vorher nicht kannten, auf ihrer letzten Reise. Was sie eint: Sie empfinden die Arbeit als sehr bereichernd – und der Tod hat für sie seinen Schrecken verloren.
Hier erzählen sie, warum der Umgang mit Sterbenden ihr Leben reicher macht.
Anneliese Braun, Hospizbegleiterin im Donau-Ries: Vor 16 Jahren habe ich ein Buch gelesen, in dem eine Frau beschrieb, wie sie ihren Mann während einer Krebsdiagnose begleitet. Da dachte ich: Wenn ich in Rente bin, möchte ich etwas machen, das Sinn stiftet. Ich mag Menschen und möchte ihnen meine Zeit schenken. Kurz darauf las ich in der Zeitung, dass ein Ausbildungskurs für Hospizbegleiterinnen angeboten wird. Ich rief an und es war noch genau ein Platz frei. Da dachte ich: Das ist meiner, ich warte nicht bis zur Rente. Seither begleite ich Menschen auf ihrem letzten Weg.
Was ich dort erlebe, bereichert mich unheimlich. Die Leute sagen oft in einem Satz Dinge, für die andere ein ganzes Buch brauchen. Die genau den Kern treffen. Eine Frau sagte einmal zu mir: ‘Machen Sie mit Ihrem Geld etwas Schönes, vom Geld kann man sich kein Leben kaufen.’ Durch die Begleitungen habe ich gelernt, im Alltag gelassener zu werden. Es ist sinnlos, sich über Kleinigkeiten aufzuregen. Was mich wirklich reich beschenkt, sind kleine Dinge, die Menschen sagen: „Schön, dass Sie wieder da sind“, „Diese Stunde mit Ihnen tut mir so gut“, „Kommen Sie bitte wieder.“Und ich werde mit Vertrauen beschenkt. Die Menschen sind mir ja zunächst fremd und schenken mir dennoch so viel davon.
Während der Besuche kommt es nur darauf an, zuzuhören. Ich bin eine neutrale Person. Mir können die Menschen alles erzählen. Sie sprechen über Ängste, Verlust. Viele Frauen trauern um Babys, die sie verloren haben. Manche erzählen
• Was ist Hospizbegleitung?
Es gibt verschiedene Orte, an denen sterbende Menschen betreut werden: Zum einen stationäre Hospize. Vereinfacht gesagt, sind das Pflegeheime für Menschen, die sterben. Dort arbeiten Therapeutinnen und Pflegepersonal und die Betreuung ist sehr engmaschig. Anders als Palliativ-Stationen sind Hospize nicht im Krankenhaus.
Zum anderen gibt es ambulante Hospizbegleitungen. Dabei handelt es sich um ein ehrenamtliches Angebot, das etwa von Sozialverbänden wie der Caritas oder dem Bayerischen Roten Kreuz organisiert wird. Die Begleiterinnen kommen zu Sterbenden, mir vom Streit mit ihren Kindern. Ich höre mir das an, ohne zu bewerten. Ohne Probleme lösen zu wollen. Das tut den Menschen gut, weil alles, was sie sagen, im Raum bleibt. Aber oft sind unsere Begegnungen gar nicht schwer oder ernst. Wir lachen sehr viel miteinander. Zum Tod gehört die Trauer, aber zur Trauer gehört auch das Lachen.
Franziska Zecha, Günzburg: Ich habe mir nie Gedanken über den Tod gemacht, bis vor vier Jahren mein Papa starb. Ich bin nach wie vor tieftraurig über diesen Verlust. egal, wo diese sind: nach Hause, ins Heim oder auf die Palliativ-Station. Sie kommen meist einmal die Woche für eine Stunde. Und nur, wenn der Sterbende die Besuche auch wünscht.
• Wie kann ich Hospizbegleiter werden?
In vielen Landkreis in der Region gibt es einen Hospizverein. Sie gehören oft zu den Sozialverbänden. Wer eine Hospizbegleitung wünscht, kann sich dort melden. Sie koordinieren die Besuche von Ehrenamtlichen, organisieren aber auch Trauergruppen oder Veranstaltungen für Trauernde und bilden Hospizbegleiterinnen und
Aber er hat mir das kostbarste Geschenk gemacht: Ich kann das Leben als Ganzes sehen; mit Anfang und Ende. Damals habe ich bemerkt, dass wir uns im Leben oft beistehen. Aber wenn es ums Sterben geht, ducken wir uns meistens weg, statt den letzten Weg mitzugehen. Da habe ich mir zum ersten Mal Gedanken darüber gemacht, wie man das besser machen kann.
Zum Beispiel, indem man über Dinge spricht. Am Ende verfallen Angehörige leicht ins Schweigen. Da ist so viel Trauer, dass es schwer wird, zu sprechen. Aber Gespräche -begleiter aus. Die Ausbildung besteht aus einem Theorie- und einem Praxis-Teil. Die der theoretische Teil der Ausbildung dauert etwa ein halbes Jahr und findet meist an Wochenenden statt. Ihm folgt ein Praktikum mit 20 Stunden, das die künftigen Hospizbegleiter in einer Pflegeeinrichtung absolvieren.
• Was kostet der Hospizdienst? Für Menschen, die im Sterben liegen, ist ein Besuch durch eine Hospizbegleiterin kostenlos – die Arbeit der Koordinatorinnen in den Hospizgruppen und -vereinen wird zu einem Großteil von den Krankenkassen refinanziert.
bringen Heilung. Für den Sterbenden, weil er leichter zur Ruhe kommt. Für die Angehörigen, weil sie noch lange von diesen Gesprächen zehren können. Bei manchen Themen fällt es leichter, mit einer Begleiterin als außenstehende Person zu sprechen. Ohne die Sorge, seine Liebsten noch zusätzlich zu belasten.
Ich habe meine Ausbildung frisch abgeschlossen und bin in der ersten Begleitung. Bisher durfte ich viel Einfühlungsvermögen lernen. Lernen, sich voll auf eine Person einzulassen. Das, wovon man denkt, es täte jetzt gut, hinten anzustellen. Mir ist bewusst geworden, wie viel Schönes in die letzte Lebensphase hineinpasst. Am Ende kommt es nicht darauf an, wie viele Tage es noch waren, sondern ob wir sie für uns bestmöglich genutzt haben – oder wie es meine Begleitung ausdrückte: „In meinem Herz habe ich aufgeräumt.“Wenn wir die Abschiede zehnmal bewusster wahrnehmen und genießen, fällt es leichter, loszulassen. Für den Sterbenden ist es würdevoll, wenn der letzte Abschnitt als dieser wahrgenommen wird.
Seit meiner Ausbildung gucke ich sensibler auf Mitmenschen. Ich versuche, mich mehr zurückzunehmen, und kann besser mit dem Herzen zuhören. Das Schönste an diesem Ehrenamt ist wohl das Vertrauen, das mir entgegengebracht wird. Es macht mich demütig. Auch wenn es mal schwere Themen sind, über die wir sprechen – die Person ist mit diesen Gedanken weniger allein. Das macht es ein klein wenig besser.