Deutlich mehr rechte Straftaten
20 Prozent mehr Delikte in Bayern. Das Allgäu ist ein Hotspot
Ende der 1920er-Jahre in der Wagnerstraße 14, Maria Herbst zwei Nummern tiefer in der 12. Beide erinnern sich noch gut an den nahen Spielplatz: „Da waren zwei Sandkästen, ein Planschbecken und in der Mitte das Milchhäusle, da gab es sogar Eis.“Im nahen Milchladen holten die Mädchen mit eigenen Kannen Milch für ihre Familien.
Nun also das Wiedersehen. Kurz davor ist den Damen die Aufregung anzumerken. Hildegard Rüb ist sich unsicher: Ob sie mich überhaupt noch erkennt? Ist da überhaupt eine gemeinsame Erinnerung? Maria Herbst rätselt ob des Namens „Rüb“der angeblichen Kindheitsfreundin: „Ich bin gespannt.“Als ihr die Betreuerin auf dem Weg durch das Heim den Geburtsnamen „Hauck“verrät, dämmert es sofort: „Ja klar, die Haucks Hildegard!“Die von nebenan, die mit dem bekannten Ledergeschäft.
Und dann die Sekunden der ersten Begegnung nach so langer Zeit: Strahlen in beiden Gesichtern, Hildegard Rüb ergreift sofort die Hände „ihrer“Maria, drückt sie fest, „ja gibt’s das denn“, um kurz zu stoppen: „Ich darf doch Maria sagen, oder?“Was Maria Herbst nur recht ist, auch sie freut sich riesig, ihre Hildegard zu sehen. „Ich hätte sie sofort erkannt, auch wenn wir uns zufällig in der Stadt begegnet wären.“
Die folgenden zweieinhalb Stunden vergehen wie im Flug – so viel haben sich die 100-Jährige und die 99-Jährige zu berichten, so viele Erinnerungen auszutauschen: über Mitbewohner in ihren Häusern, die böse Ordensschwester im kamen die Familien in Notquartieren unter. In den Stadtteil der Kindheit kehrten allerdings nur die Haucks zurück, Rübs drei Brüder bauten nach Ende ihrer Kriegsgefangenschaft das zerstörte Haus in der Wagnerstraße und das Elternhaus in der Sterngasse auf. Dort eröffneten die Brüder auch das Ledergeschäft wieder. Im Haus in Grombühl lebte Hildegard Rüb bis vor fünf Jahren, bis dahin konnte sie sich allein versorgen.
Was beide Rentnerinnen teilen: Sie haben keine eigenen Kinder. An sozialen Kontakten fehlt es ihnen dennoch nicht. Hildegard Rüb wird regelmäßig von Neffen und Nichten zum Essen abgeholt, Maria Herbst trifft sich noch monatlich mit anderen Seniorinnen und Senioren zum Stammtisch. Wie man bis ins zarte Alter von 100 Jahren geistig und körperlich so fit bleibt? „Dafür gibt es kein Rezept“, sagen beide unisono. Außer vielleicht: beweglich bleiben, im Kopf und in den Gliedern. Und der Humor: Hildegard Rüb und Maria Herbst finden immer etwas zum Lachen. Ab sofort auch wieder gemeinsam.
München Die Zahl der Straftaten mit rechtem Hintergrund hat in Bayern um mehr als 20 Prozent zugenommen. Verzeichneten die Sicherheitsbehörden in den Jahren 2021 und 2022 noch etwa 2500 Delikte, stieg der Wert im vergangenen Jahr auf 3055 an. Das teilte das bayerische Innenministerium auf Anfrage unserer Redaktion mit.
Besonders viele Straftaten verzeichnete das Landeskriminalamt im oberbayerischen Rottal-Inn, in Amberg in der Oberpfalz, aber beispielsweise auch in Würzburg oder im Allgäu – dort vor allem in den kreisfreien Städten Lindau und Memmingen.
Als rechte Straftat ist ein Delikt dann gelistet, wenn es aus einem rechten Motiv heraus begangen wurde oder wenn die Ermittlerinnen und Ermittler beim Täter eine rechte Orientierung feststellen. Nicht in dieser Statistik erfasst sind Delikte, die dem Milieu der Reichsbürger zugeordnet werden, 375 waren es im vergangenen Jahr.
Das bayerische Innenministerium nennt im Wesentlichen zwei Gründe für den Anstieg: Der Krieg in Nahost und die Anschläge der Hamas vom 7. Oktober. „Auch innerhalb der rechten Szene wurden die Terroranschläge thematisiert und haben einen Fokus sowohl auf den Staat Israel als auch auf Antisemitismus bedingt“, sagte ein Sprecher. Der Krieg sorgte zuletzt für einen Anstieg der antisemitischen Straftaten, die auch religiös motiviert waren. Nicht zuletzt schlägt sich die Landtagswahl auch in den Fallzahlen, insbesondere durch Propagandadelikte sowie Sachbeschädigungen, beispielsweise Schmierereien auf Wahlplakaten, nieder.
Aber es gibt auch eine gute Nachricht: Die Zahl der extremistischen Straftaten aus dem rechten Spektrum ist gesunken. Darunter fallen Delikte, die auf die Abschaffung der freiheitlich demokratischen Grundordnung zielen. Lag diese Zahl in Bayern 2022 noch bei über 700, waren es im vergangenen Jahr 476 Delikte.