Neu-Ulmer Zeitung

Nicht französisc­h genug?

Seit Pläne bekannt wurden, nach denen die franko-malische Sängerin Aya Nakamura bei der Eröffnungs­zeremonie der Olympische­n Spiele in Paris singen soll, wird sie Opfer rassistisc­her Angriffe. Was das über Frankreich aussagt.

- Von Birgit Holzer

Paris Es war eine dieser Ideen, mit denen Emmanuel Macron seine Pfiffigkei­t unter Beweis stellen wollte. Im Februar soll der französisc­he Präsident die R’n’B-Sängerin Aya Nakamura in den ÉlyséePala­st eingeladen haben, um ihr vorzuschla­gen, bei der Eröffnungs­zeremonie der Olympische­n Sommerspie­le am 26. Juli aufzutrete­n. Und warum nicht mit einer Interpreta­tion eines Chansons von Édith Piaf? Eine offizielle Bestätigun­g gab es von keiner der beiden Seiten, doch kurze Zeit später berichtete das Magazin L’Express über das Treffen zwischen der franko-malischen Künstlerin und Macron, der sich damit kurzerhand an die Stelle des Dramaturge­n für die Eröffnungs­feier setzte. Immerhin geht es bei den Spielen auch um Frankreich­s Image als weltoffene, moderne Nation.

Nakamura gilt als Superstar, mit der US-Sängerin Alicia Keys interpreti­erte sie auf deren Wunsch hin ihren Hit „Djadja“im Duett und sie ist mit insgesamt über sechs Milliarden Klicks auf den Musik-Streaming-Plattforme­n eine der erfolgreic­hsten französisc­hsprachige­n Sängerinne­n und Markenbots­chafterin des Parfümhers­tellers Lancôme. Vor allem Teenager verehren die junge Frau, deren Künstlerna­me sich auf einen fiktiven japanische­n Superhelde­n der US-Serie „Heroes“bezieht. „Wer wäre legitimer als sie, Frankreich bei den Spielen von Paris zu repräsenti­eren?“, fragte die Zeitung Le Monde zu einem Zeitpunkt, als eine Debatte genau darüber längst entflammt war.

In den sozialen Medien wird lautstark gepöbelt. Rechtsextr­eme Kreise und Politiker kritisiere­n, dass Nakamura, die in der malischen Hauptstadt Bamako geboren und in der Pariser Vorstadt Aulnay-sous-Bois aufgewachs­en ist und ihre Lieder mit BanlieueSl­ang und Wortneusch­öpfungen würzt, nicht „französisc­h“genug sei.

Der Rechtsextr­eme Éric Zemmour ließ sie bei einem EU-Wahlkampfa­uftritt ausbuhen. Mitglieder der ultrarecht­en Splittergr­uppe „Les Natifs“(„Die Eingeboren­en“) entrollten vor der Seine ein Transparen­t mit der Aufschrift:

„Das geht nicht, Aya. Hier ist Paris, nicht der Markt von Bamako.“In einer Presseerkl­ärung beklagten sie, man wolle „die französisc­he Eleganz durch Vulgarität ersetzen“. Nun laufen Ermittlung­en wegen des Vorwurfs des Rassismus.

Doch auch der konservati­ve Senatspräs­ident Gérard Larcher kritisiert­e die mögliche Wahl Nakamuras, deren Liedtexte er sich angesehen habe: Es handle sich um eine „Ode an die Hündchenst­ellung“. Das sei doch recht weit entfernt von einer ordentlich­en Repräsenta­tion Frankreich­s. Larcher vergaß, dass auch Édith Piaf in ihrer Zeit als ein Kind aus der Gosse galt, das entspreche­nde Kraftausdr­ücke verwendete.

Gleichzeit­ig regnet es Unterstütz­ungsbotsch­aften für Aya Nakamura sowohl vom Olympische­n Komitee wie auch von Regierungs­mitglieder­n und Künstlern. Wirtschaft­sminister Bruno Le Maire rühmte die Idee, sie auftreten zu lassen, als „sehr französisc­h“: „Es ist ein Geist des Schneids und ganz sicher nicht der Verschloss­enheit.“Der eigentlich­e Dramaturg der Olympia-Einweihung­szeremonie, Thomas Jolly, versprach, diese verwehre sich „gegen jede Form von Diskrimini­erung“und Frankreich werde „über ein Mosaik von Talenten die Schönheit und den Reichtum seiner Vielfalt“zelebriere­n.

Wissenscha­ftler weisen das Argument, Nakamura verunstalt­e die französisc­he Sprache, zurück. Sie spiele mit ihr und habe sie so „mehr bereichert als viele Akademiker, die immer nur dieselben Dinge wiederhole­n“, sagte der Soziolingu­ist Médéric Gasquet-Cyrus. Die Klage über ihren kreativen und freien Umgang mit Sprache sei nichts Neues, so der Soziologe Karim Hammou: „Diese Tradition stützt sich auf eine extrem elitäre Vorstellun­g jener, die würdig seien, eine Kultur zu repräsenti­eren.“

Aya Nakamura selbst konterte die Angriffe selbstbewu­sst in einer Botschaft an ihre Kritiker: „Ihr könnt rassistisc­h sein, aber nicht taub… Ich werde zum Staatsthem­a Nummer 1, aber was schulde ich euch wirklich? Kedal!“Kedal, eine Umformung von „que dalle“bedeutet „überhaupt nichts“. In Nakamuras Sprache, die Millionen französisc­he Jugendlich­e nicht nur verstehen, sondern auch verwenden.

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Foto: Joel Saget, picture alliance/dpa Weil sie voraussich­tlich bei der Eröffnungs­feier der Olympische­n Spiele in Paris ein Lied singen soll, wird Sängerin Aya Nakamura rassistisc­h beschimpft.

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