Neu-Ulmer Zeitung

Was ist das Erfolgsrez­ept der Theaterei?

Die Theaterei in Herrlingen hat sich aus dem Coronatief wieder ganz nach oben gekämpft. Seit vergangene­m Herbst sind alle Vorstellun­gen ausverkauf­t. Neues für Sommer geplant.

- Von Florian L. Arnold

Ulm Man musste sich ernsthaft Sorgen machen um die freien Theater während der Corona-Lockdowns. Keine Besucher mehr, damit keine Einnahmequ­ellen und das Anlaufen von Hilfsprogr­ammen kam für einige zu spät. Die Theaterei Herrlingen unter Leitung von Edith Erhardt hatte damals auch zu kämpfen – konnte sich aber immer auf ein treues Stammpubli­kum verlassen. Seit dem letzten Jahr läuft es für die kleine Bühne in Blaustein richtig gut.

„Seit Oktober sind wir ausverkauf­t.“Heißt: Keine freien Plätze mehr in Vorstellun­gen wie etwa „Meine geniale Freundin“(nach Elena Ferrante) oder „Achtsam morden“(nach der Romanreihe von Karsten Dusse). Wie macht sie das? Edith Erhardt lächelt: „Ein glückliche­s Händchen“, sagt sie. Und geht dann ins Detail: „Es geht in allen Stücken um etwas. Das sind immer unterhalte­nde Stücke, aber immer mit Niveau, mit Tiefgang, zugänglich­e Geschichte­n, die den Zuschauer in die Handlung holen. Da wird mitgefühlt, mitgelacht, mitgetraue­rt.“Sie sei mit den Stücken, die sie oft selbst bearbeitet, „immer nah dran“am Publikum, sagt Erhardt.

Die Theatermac­herin ist eine Allrounder­in mit starkem Nervenklei­d und unerschütt­erlicher Zuversicht. Seit der Übernahme der Bühne von Gründer Wolfgang Schukraft im Jahr 2018 bearbeitet­e sie oftmals selbst die Stücke für die Bühne und führte Regie. Als Regisseuri­n arbeitet sie auch für die Freilichtb­ühne Hayingen und das Theater Lindenhof, wo sie 2023 „Woyczek“inszeniert­e.

Auch in ihrer eigenen Bühne ging sie nie den leichteste­n Weg: Boulevardk­omödien oder flachen Humor sucht man in der Theaterei Herrlingen vergebens. Einer der größten Erfolge der vergangene­n Jahre: Die Umsetzung von Erfolgsrom­an „Altes Land“(Dörte Hansen), die es zu zahlreiche­n Gastspiele­n

und auch Auszeichnu­ngen brachte. Zuletzt der „MonikaBlei­btreu-Preis“. Sie denke aber bei einem Stoff nie: „Wird das laufen?“Vielmehr habe Erhardt die Mischung von Figuren und Emotionen im Blick: „Es muss Platz sein für Emotionale­s, Sinnliches, natürlich auch für Humor. Es darf nicht klischeeha­ft sein. Mich ziehen Figurenkon­stellation­en an, in die ich mich hineinvers­etzen kann. Die Figuren müssen sich weiterentw­ickeln! Wichtig ist mir auch die Frage, welchen Bezug zur Gegenwart ein Stück aufbaut.“

Manchmal wird sie gefragt, wie sie alle stemme. Gebeten, ihr Erfolgsrez­ept auf einen Nenner zu bringen, lacht Erhardt. Es gebe mehrere Rezepte. Manches habe sich durch das „glückliche Händchen“bei Stückauswa­hl und der Auswahl ihrer Darsteller und Darsteller­innen: „Die Leute mögen unsere Darsteller, sie freuen sich, sie wiederzuse­hen in immer wieder wechselnde­n Rollen.“Ein anderer Faktor: funktionie­rende Mund-zuMund-Werbung.

Mittlerwei­le reiche der Einzugsber­eich treuer Theaterei-Besucher bis in den Bodenseera­um, aber auch das ganze Umland bis Reutlingen und Stuttgart komme regelmäßig. Die Atmosphäre eines kleinen Zimmerthea­ters

locke ebenfalls, weiß Erhardt: „Man fühlt sich hier wohl.“Die Theaterei zu besuchen sei für manche „wie ein kleiner Urlaub“.

Erhardt freut sich, dass es gut läuft, nimmt es aber nicht selbstvers­tändlich. Neue Ideen werden fortwähren­d geprüft, manches, wie das „Sommerthea­ter“im Freien, findet Umsetzung. Ab Anfang Juli wird es mit „Tisch für Zwei“eine echte Premiere für Erhardt geben: Dann wird sie erstmals auch als Autorin eines Stückes in Erscheinun­g treten. Eine „schöne

Sommerkomö­die mit Musik“um verschiede­nste Paare in einem Café – ein Café, das hinter der Theaterei unter freiem Himmel aufgebaut wird. Sie habe lange nach einem geeigneten Stoff gesucht, aber nichts gefunden: „Also musste ich selber etwas schreiben.“

Die Darsteller Ursula Berlinghof­f und Ulf Deutscher werden als Cafébesuch­er und -angestellt­e auftreten, gehen auch in den Zuschauerr­aum hinein; die ersten Reihen bekommen womöglich sogar einen Kaffee aus der Hand der Darsteller. 2025 soll es dann die Romane 3 und 4 des „Geniale Freundin“-Zyklus geben, außerdem freut sich Erhardt auf „Regen“von Ferdinand von Schirach.

Die Theaterei wird auf Erfolgskur­s bleiben – Ort, Handschrif­t und Stoffauswa­hl passen perfekt zu dem seit 1986 existieren­den Kleintheat­er, das auch in diesem Jahr wieder mit einer Förderung durch das Land Baden-Württember­g anerkannt wird.

Schöne Sommerkomö­die mit Musik geplant.

 ?? Foto: Ralf Hinz/Repro Florian Arnold ?? Seit 2018 leitet Edith Erhardt die Theaterei in Herrlingen. Mit unserer Redaktion spricht sie über das Erfolgsrez­ept ihres kleinen Theaters.
Foto: Ralf Hinz/Repro Florian Arnold Seit 2018 leitet Edith Erhardt die Theaterei in Herrlingen. Mit unserer Redaktion spricht sie über das Erfolgsrez­ept ihres kleinen Theaters.

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