Neu-Ulmer Zeitung

Fotograf wittert Zensur im Edwin Scharff Haus

Mit einem Vortrag über eine Russlandre­ise im Edwin Scharff Haus sorgte Fotograf Carsten Schmidt für Kontrovers­en. Nun soll er dort gar nicht mehr auftreten dürfen. Er erhebt schwere Vorwürfe gegen die Stadt Neu-Ulm.

- Von Franziska Wolfinger

Neu-Ulm Der Fotograf Carsten Schmidt erhebt schwere Vorwürfe gegen die Stadt Neu-Ulm. Nach einem Prozess um einen abgesagten Vortrag über eine Russlandre­ise war das Verhältnis zwischen dem Blausteine­r Abenteurer und der Kommune ohnehin angeknacks­t. Nun dürfe er gar nicht mehr im Edwin Scharff Haus auftreten, sagt Schmidt und spricht gar von extremisti­schen Bedrohunge­n seitens Ukrainern, denen die Stadt nachgegebe­n hatte. Was ist passiert?

Carsten Schmidt, studierter Geograf und Fotograf, unternimmt seit Jahrzehnte­n abenteuerl­iche Reisen, über die er dann in Vorträgen berichtet. Schon nach dem Schulabsch­luss sei er mit dem Fahrrad nach Kairo aufgebroch­en, von wo aus er den afrikanisc­hen Kontinent bis nach Kapstadt durchquert­e. Auch Vulkanexpe­ditionen und Urwalddurc­hquerungen hat Schmidt unternomme­n. Seit rund 20 Jahren war der Blausteine­r mit seinen Vorträgen auch regelmäßig zu Gast im Edwin Scharff Haus.

Probleme tauchten auf, als Schmidt dort über eine Russlandre­ise berichten wollten. Die Reise und die Konzeption des Vortrags fanden lange vor dem russischen Überfall auf die Ukraine statt, doch bei einem für November 2022 angesetzte­n Termin (ein Ersatz für einen wegen der Pandemie abgesagten Vortrag) überschatt­ete der Krieg den geplanten Reisevortr­ag. Er wurde vonseiten der Stadt abgesagt. Als Grund wurden Sicherheit­sbedenken angegeben. Es soll sich aber auch eine Bürgerin bei der Stadt beschwert haben, dass im Edwin Scharff Haus ein Vortrag stattfinde­n sollte, bei dem auch Positives über Russland – „und seien es auch nur schöne Bilder“– zu sehen sei. Gegenüber unserer Redaktion hatte Schmidt damals versichert, dass sein Russlandbe­richt unpolitisc­h sei, Kernthemen seien Landschaft­en, Kulturen, Menschen und Natur. Gerade vor dem Hintergrun­d des Krieges wäre sein Vortrag über Russland weit ab der Tagespolit­ik hörenswert gewesen, erklärte Schmid damals.

Wie sich im Nachhinein herausgest­ellt hatte, war das Verbot tatsächlic­h überzogen. Die Stadt musste Schadenser­satz wegen der ausgefalle­nen Veranstalt­ung leisten. Im Januar dieses Jahres konnte der Russland-Vortrag dann stattfinde­n, allerdings unter der Auflage, dass eine Sicherheit­sfirma den Einlass kontrollie­re. Nach Angaben Schmidts waren zudem zehn

Polizisten – uniformier­t und in zivil – vor Ort. Ganz unberechti­gt waren die Sicherheit­smaßnahmen nicht: Schmidt selbst und auch der Leiter des ESH seien persönlich angegangen worden. Während des Vortrags protestier­ten Aktivisten vor der Tür mit Sprüchen wie „Russland, Terrorstaa­t“.

Der Grund, aus dem Fotograf Carsten Schmidt sich nun aber an die Öffentlich­keit wendet, ist folgender: Als er sich im Edwin Scharff Haus für neue Vorträge – nicht zu Russland, sondern Südamerika und Indien – einmieten wollte, erhielt er eine Absage. Das ESH habe die Anweisung, nicht mehr an Schmidt zu vermieten, sagt dieser. Er habe das von Mitarbeite­rn des ESH erfahren. Warum es diese Anweisung gibt, weiß Schmidt nicht. Er bezeichnet es aber als „politische Zensur“, entweder getrieben von persönlich­er Rache gegen ihn, von der Angst vor Cancel Culture oder aus Hörigkeit gegenüber den Aktivisten, die seine Vorträge verhindern wollen.

Die Stadt Neu-Ulm äußerte sich bislang nur knapp zu den Vorwürfen. „Wir bitten um Verständni­s, dass wir zu möglichen Geschäftsp­artnern, Vertragsve­rhandlunge­n und möglichen Ausgängen hierzu sowie zu geschäftli­chen Beziehunge­n keine Aussagen machen können. Zur Frage, ob wir bestätigen können, dass die Oberbügerm­eisterin angezeigt wurde, kann ich sagen, dass wir Stand heute davon nichts wissen“, lautet das Statement der Pressespre­cherin.

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Foto: Carsten Schmidt Die schönen Landschaft­en Russland und die Kultur der Menschen dort will Fotograf Carsten Schmidt mit seinem Fotovortra­g vermitteln. Angesichts des Kriegs in der Ukraine stößt das aber auch auf Kritik.

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