Waldbesitzer gegen die EU
Ein neues Gesetz soll verhindern, dass große Baumbestände verschwinden. Das trifft auch die kleinen Privatwaldbesitzer. Die meisten ahnen noch gar nicht, was da auf sie zukommt.
Aichach „Gegen sinnlose Bürokratie und Totalüberwachung unserer Wälder durch die EU!“, titelt die Petition für selbstbestimmte Waldbewirtschaftung in der EU, die Forstwirt Bernhard Breitsameter, Vorsitzender des Waldbesitzerverbands Aichach, in den Händen hält. Darin geht es um die EU-Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten (EUDR) – einer Verordnung, die im Juni 2023 in Brüssel beschlossen wurde und die bis Ende des Jahres von den EU-Mitgliedstaaten angewandt werden muss. Kleine Unternehmen haben ein halbes Jahr mehr Zeit. Unter Privatwaldbesitzern und Landwirten ist sie noch weitgehend unbekannt – dabei könnte sie ihnen so einige Probleme bereiten.
Doch von vorne. Idee der Verordnung ist, durch die Förderung von „entwaldungsfreien Produkten“die Treibhausgasemissionen und den Verlust der biologischen Vielfalt zu verringern. Entwaldungsfrei heißt dabei, dass Rohstoffe wie Holz oder Soja nicht auf nach 2020 entwaldeten Flächen erzeugt werden dürfen. Holz etwa darf zwar geschlagen werden, aber es dürfen dabei keine Waldflächen verloren gehen.
Im Kern eine wichtige Sache – denn weltweit verschwinden immer mehr Wälder. 2022 erreichte der Wert einer internationalen Erhebung zufolge mit 6,6 Millionen Hektar Wald einen neuen Höchstwert – eine Fläche fast so groß wie Bayern. Im Zeitraum von 1990 bis 2020 waren es nach Schätzungen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) rund 420.000.000 Hektar, eine Fläche größer als die EU. Trotzdem lässt sich über Sinn und Zweck einer solchen Verordnung in der EU streiten. Denn die Rodungsprozesse finden hauptsächlich in Waldgebieten in Brasilien und Bolivien, im Kongo und in Südostasien statt. Von den gerodeten Flächen 2022 lagen 96 Prozent in tropischen Regionen. In der EU haben die Waldflächen in den vergangenen 30 Jahren dagegen um zehn Prozent zugenommen.
„Insbesondere Deutschland verfügt über eine bewährte und vor allem nachhaltige Waldbewirtschaftung, unterstützt durch geltende Bundes- und Landeswaldgesetze“,
erklärt ein Sprecher der Bayerischen Staatsforsten auf Anfrage unserer Redaktion. „Grundsätzlich ist der Gedanke der Europäischen Kommission gut, den globalen illegalen Holzeinschlag zu stoppen. Die Bayerischen
Staatsforsten unterstützen jedoch die Bedenken vieler Akteure und Politiker hinsichtlich der praktischen Umsetzung in Europa.“Werde die EUDR so umgesetzt wie geplant, steige der Bürokratieaufwand beträchtlich.
Auch die Unterstützer der Petition gegen die EUDR befürchten, dass die Verordnung ein neues „Bürokratiemonster“erschafft. Vor allem älteren Waldbesitzern könnten die digitalen Anforderungen Probleme bereiten. Denn die EUDR verlangt verschiedene Nachweise, bevor das Holz auf den Markt kommen kann. Das umfasst eine Sammlung von digitalen Informationen, Daten und Unterlagen, aus denen hervorgeht, dass etwa Holz legal und entwaldungsfrei geschlagen wurde. Die Rückverfolgbarkeit bis zum Grundstück ist laut des Amts für Landwirtschaft und Ernährung notwendig, um nachzuweisen, dass an einem bestimmten Standort keine Entwaldung stattfindet.
Kleine Privatwaldbesitzer dürften im Vergleich zu geschulten Fachleuten größere Probleme haben, die Richtlinie umzusetzen. Forstwirt Bernhard Breitsameter beschreibt, was auf sie zukommt. Dafür nutzt er das Beispiel einer fiktiven 80-jährigen Person namens Josef Gruber, der einen kleinen Wald bei Aichach besitzt. Will er seinem Schwager einen Baum aus seinem Wald als Brennholz verkaufen, also vermarkten, muss Gruber die geografischen Koordinaten des Grundstücks in einem elektronischen EU-Informationssystem eintragen, mitsamt des lateinischen Namens des Baumes. „Glauben Sie, dass er das macht?“, fragt Breitsameter herausfordernd. Es ist eine rhetorische Frage.
Er selbst, ebenfalls Privatwaldbesitzer von insgesamt 1,3 Hektar, wisse, wie das alles gehe. Damit sei er aber die Ausnahme. „Im Großraum Augsburg hat der durchschnittliche Waldbesitzer 2,2 Hektar.
Der lebt nicht davon. Oft ist das in der Familie, oft sind es Rentner. Josef Gruber ist ein Paradebeispiel.“Laut Breitsameter kommt jeder dritte deutsche Waldbesitzer aus dem Freistaat, der von den deutschen Bundesländern mit Abstand am meisten Waldfläche aufweist. 54 Prozent davon sind in Privatwaldbesitz. 2009 war in Bayern ein Drittel der Waldbesitzer älter als 65, die Zahl dürfte seitdem nicht gesunken sein.
Die EUDR wird auch Landwirte sowie verschiedene Industriebereiche treffen. In der EU-Liste der
In der EU nehmen die Waldflächen dagegen zu.
In Bayern sind 54 Prozent des Waldes im Privatbesitz.
Rohstoffe, die zum Teil nicht mit Entwaldung in Verbindung stehen dürfen, sind Kakao, Kaffee, Palmöl, Soja, Kautschuk und Holz aufgeführt. Aber auch Rinder stehen auf der Liste.
Aus Sicht der Staatsforsten ist mindestens eine Verschiebung der EUDR nötig, um eine unbürokratischere Lösung zu erarbeiten. Breitsameter und seine Mitstreiter sind ähnlicher Meinung. Sie wollen erreichen, dass es einen Aufschub von zwei Jahren gibt, um die EUDR zu überarbeiten. „Eine entwaldungsfreie Lieferkette ist richtig und wichtig“, stellt der 52-Jährige klar. „Aber solche Gesetze müssen in Ländern greifen, die tatsächlich Raubbau betreiben.“
Er würde sich wünschen, dass das Gesetz auf die deutschen Verhältnisse angepasst wird – etwa mit einer Länderöffnungsklausel. Der Waldbesitzerverband schlage vor, dass die bisherige automatische GPS-Lokalisation der HolzLagerplätze beibehalten wird – eine Information, die vom Verkäufer an den Fuhrmann und den Käufer weitergegeben wird. „Da kann man den Namen Josef Gruber hinterlegen. So kann bei Bedarf nachvollzogen werden, wo das Holz herkommt – aber nicht automatisch. EUDR ist eine reine Überwachung.“