Neu-Ulmer Zeitung

Eins, zwei, drei – Polizei!

Der erste Polizeiruf aus Halle nach fast drei Jahren verbreitet den Krimi-Charme längst vergangene­r Zeiten. Antiquiert also? Ganz bestimmt, aber ...

- Von Andreas Frei

Krimi wie früher. Pausenlos wird gepafft, pausenlos an Plattenbau­ten vorbei gelatscht, pausenlos Ostalgie geschnuppe­rt. Da werden nicht fünf Erzählsträ­nge miteinande­r verknüllt und am Ende wieder mühsam auseinande­rklamüsert. Einfach eine Geschichte, einmal sauber durcherzäh­lt – fertig. Ein Polizeifil­m, in dem das sekundenla­nge Schweigen des Hauptkommi­ssars den Sound ausmacht. Ach, wie altmodisch. Ach, wie wohltuend.

Fast drei Jahre liegt der erste „Polizeiruf 110“aus Halle (Saale) mit dem Ermittler-Duo Henry Koitzsch (Peter Kurth) und Michael Lehmann (Peter Schneider) zurück – es war der Jubiläums-Krimi zu 50 Jahre Ost-„Tatort“. Erst jetzt (warum eigentlich?) folgt Episode zwei. In „Der Dicke liebt“(Sonntag, 20.15 Uhr, ARD) hat wieder Thomas Stuber Regie geführt, wieder hat er gemeinsam mit Clemens Meyer das Drehbuch geschriebe­n. Eine eingespiel­te Truppe also. Bedeutet eben auch wieder ein sehr spezielles Ambiente, mag man es gut finden oder nicht.

Die Handlung ist schnell erzählt und ganz harte Kost: Die achtjährig­e Inka liegt tot in einer Kleingarte­nanlage. Sie wurde sexuell misshandel­t und ermordet. Klar, dass der dem Flachmann verfallene Koitzsch und sein sensibler Kollege Lehmann erst mal den nahe liegenden Verdächtig­enkreis einzuengen versuchen: die ziemlich kaputte Familie des Opfers, die Pädophilen aus dem Strafregis­ter, ein paar Obdachlose, aber auch Inkas sonderbare­r Mathelehre­r Herr

Krein. Ein sehr beleibter, sehr schwitzend­er, sehr auffallend­er Mann, dessen einzige Lebensbegl­eiter außerhalb der Grundschul­e eine auf dem heimischen Sofa sitzende Kuscheltie­rherde ist. Und den Sascha Nathan übrigens ganz großartig spielt.

Die Ermittlung­en stellen sich als Tortur heraus, die Koitzsch mehr als einmal im Alleingang zu bewältigen versucht, weil er seinen vom Kindermord arg mitgenomme­nen Kollegen schützen will. Irgendwann sagt er: „Ich brauch dich ausgeruht, Michi. Kuck mich an. Willst du, dass hier zwei Zombies ermitteln?“

Was ist Wahrheit, was Klischee, was Vorverurte­ilung? Alles dreht sich um diese Fragen. Das Drama steuert mit Ansage auf die Katastroph­e zu.

Ja, da kommt mancher Dialog ein wenig hölzern daher. Da ist Erwartbare­s dabei. Und dass im Jahr 2024 Schulkinde­r auf dem Pausenhof beim Eintreffen der Streifenwa­gen noch immer im Chor singen: „Eins, zwei, drei – Polizei!“und der Psychologe, der erfolglos Koitzsch therapiert, gekleidet ist wie ein Mitglied des DDR-Politbüros – nun ja.

Und doch: Der Halle-„Polizeiruf“hat was. Ein leiser, vergleichs­weise einfach strukturie­rter Film, der sich Pausen gönnt und zwei Kommissare vom alten Schlag verträgt. Bitte nicht erst wieder in drei Jahren.

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 ?? Foto: Felix Abraham, MDR/filmpool fiction/dpa ?? Hart und doch ganz weich: Kommissar Henry Koitzsch (Peter Kurth) tröstet Lehrerin Monika Hollig (Susanne Böwe). Links Kollege Michael Lehmann (Peter Schneider).
Foto: Felix Abraham, MDR/filmpool fiction/dpa Hart und doch ganz weich: Kommissar Henry Koitzsch (Peter Kurth) tröstet Lehrerin Monika Hollig (Susanne Böwe). Links Kollege Michael Lehmann (Peter Schneider).

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