Übergriff in der Sakristei
Justiz Ein psychisch kranker Mann hört Stimmen und hat sich an zwei Frauen vergangen
Der Mann auf der Anklagebank des Landgerichts Ingolstadt ist krank. Er leidet „eindeutig“an einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie, wie der Gutachter später sagen wird. Der Mann höre Stimmen. Gottes Stimme. Und der habe ihm damals, im Dezember 2015, aufgetragen, die Mesnerin in der Sakristei einer Kirche im Landkreis Eichstätt zu bedrängen. Und später zum Jahreswechsel 2016 eine andere Frau in einem Altenheim.
Im vergangenen Sommer ist der 31-Jährige in erster Instanz deshalb zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden. Schuldig wegen sexueller Nötigung in zwei Fällen und Beleidigung. In der Berufungsverhandlung wurde das Urteil des Schöffengerichts gestern allerdings aufgehoben. Der Angeklagte sei, als Gott zu ihm sprach, nicht schuldfähig gewesen. Richter Konrad Kliegl war nicht nur den Anträgen von Staatsanwaltschaft und Verteidigung gefolgt, sondern eben auch Gutachter Frank Wiederholt, Facharzt für Psychiatrie am Bezirksklinikum Kaufbeuren. Der hatte den nigerianischen Asylbewerber untersucht und war zu dem Schluss gekommen, dass dessen Einsichtsfähigkeit eingeschränkt gewesen sei, als er sich an den Frauen verging. Der Mann ist wegen diverser Vorfälle inzwischen in Haar untergebracht.
Am Amtsgericht hatte Landgerichtsarzt Roman Steinkirchner ihn noch für voll schuldfähig erklärt. Der schon vorher auffällig gewordene und bereits psychisch behandelte Mann sei triebhaft und distanzlos. Im Gegensatz zu bereits am Amtsgericht verlesenen Behandlungsberichten sah Steinkirchner bei ihm allerdings keine psychotischen Merkmale. Dass er Gottes Stimme höre und auf Mission sei, wie der Angeklagte damals erzählt hatte, hatte Steinkirchner mit einer in der Heimat des Verurteilten üblichen Art zu glauben, mit dort geläufigen religiösen Vorstellungen erklärt.
Beide Frauen hatten die Übergriffe zunächst nicht angezeigt. Die Mesnerin hatte alles eigenen Angaben zufolge „mit einem Schrecken“überstanden. Der Angeklagte sei damals plötzlich hinter ihr aufgetaucht, habe die Hosen heruntergelassen gehabt und sie dann von hinten begrapscht. Sie hatte sich gewehrt und schließlich war ihr die Flucht aus der Sakristei ins Hauptschiff der Kirche gelungen, wo der Ersatzorganist der Gemeinde gerade Weihnachtslieder probte. Die Mitarbeiterin des Altenheims hatte geschildert, wie er sie berührt und ihr eine Ohrfeige gegeben habe. Sie habe sich aber bedroht und gedemütigt gefühlt. In ärztliche Behandlung hatte auch sie nicht gemusst.
Es sei aber keineswegs selbstverständlich, dass Frauen derartige Übergriffe psychisch vergleichsweise so unbeschadet überstünden, hatte Amtsgerichtsvizedirektor Christian Veh in seiner Urteilsbegründung damals gesagt. Das Ziel des Mannes sei in der Sakristei eine Vergewaltigung gewesen. Dazu sei es nur deshalb nicht gekommen, weil sich die Mesnerin in den Altarraum habe flüchten können. Veh wurde gestern als Zeuge gehört und bestätigte seine Eindrücke von damals: „Es war offensichtlich, dass er auf Frauen fixiert ist.“Es gäbe zudem keinen Grund, den Frauen nicht zu glauben. Die kannten den Mann nicht. Im Sommer hatte der sich vor Gericht aggressiv und ohne Reue gezeigt. Er sei unschuldig.
Er ist krank und wie Gutachter Wiederholt betonte: „Schizophrenie ist eine weltweit gleich verlaufende Erkrankung. Der kulturelle Hintergrund hat darauf keinen Einfluss.“Die Verhandlung muss nun, weil das Amtsgericht eine dauerhafte Unterbringung nicht anordnen kann, am Landgericht ganz neu beginnen. Der Angeklagte, inzwischen teilweise geständig, bleibt untergebracht. „Unbehandelt“sei er für die Allgemeinheit gefährlich. Richter Kliegl folgte auch hier der Einschätzung des Arztes. Der Angeklagte ist früher schon einschlägig aufgefallen. Unter den Stimmen in seinem Kopf hatten bereits die Mitarbeiterin einer Erstaufnahmeeinrichtung, eine Taxifahrerin und eine Ordensschwester zu leiden.
„Unbehandelt ist er für die Allgemeinheit gefährlich.“