Kagerhubers Karriere nimmt Fahrt auf
Bob Der 31-jährige Affinger ist Anschieber im deutschen Nationalkader. Beim Weltcup in Königssee rechnet er sich Siegchancen aus. Der Höhepunkt soll im kommenden Jahr folgen
Wenige Sekunden entscheiden, ob Matthias Kagerhuber seinen Job gut erledigt hat. Danach ist er machtloser Mitfahrer. Erlebt, in eine Dose gepresst, wie das Neunfache seines Körpergewichts auf ihn einwirkt. Zwar kann er seine Muskeln anspannen und versuchen, sein Gewicht zu verlagern, gegen die Fliehkräfte kommen er und seine Mitfahrer während des wilden Ritts schwerlich an – trotz ihrer athletischen Körper.
Kagerhuber, 31 Jahre, 1,86 Meter groß und 102 Kilogramm schwer, ist Anschieber beim Bobfahren, fährt für Deutschland im Weltcup und macht sich Hoffnungen auf Olympia 2018 im südkoreanischen Pyeongchang. Er klingt optimistisch, sagt: „Momentan sieht es sehr gut aus.“
Vor zwölf Jahren veränderte sich schlagartig Kagerhubers Alltag. Der gelernte Schreiner aus Affing (Kreis Aichach-Friedberg) wurde im Wehrdienst vom ehemaligen Bobfahrer Michael Tom Felde entdeckt. Kagerhuber bestand den Leistungstest, wurde Sportsoldat.
„Momentan sieht es sehr gut aus.“Matthias Kagerhuber über Olympia
Als Mehrkämpfer der LG AichachRehling bedeutete Sport für ihn Freizeit, von nun an war er sein Beruf. Inzwischen ist Kagerhuber Teil der drei besten Bobteams Deutschlands, er misst sich in den schnellsten und gefährlichsten Eiskanälen der Welt.
Im Winter ist der Gebirgsjäger freigestellt, trainiert täglich mehrere Stunden und konzentriert sich vollends aufs Bobfahren. Bereut hat Kagerhuber den Wechsel ins Profilager nie – auch wenn er die Olympischen Spiele im russischen Sotschi verpasste, weil er in keinem Schlitten unterkam. Für Kagerhuber eine Enttäuschung. Doch der Traum von Olympia lebt weiter, seine Karriere hat in den vergangenen Monaten Fahrt aufgenommen. Bei seinem zweiten Weltcuprennen im kanadischen Whistler fuhr er mit Pilot Johannes Lochner auf Platz drei, im schweizerischen St. Moritz auf Platz vier.
Kagerhuber lebt am Königssee, in unmittelbarer Nähe zur Kunsteis- die Trainingsbedingungen sind optimal. Entscheidend weitergebracht hat ihn zuletzt Thomas Prange, ein Athletiktrainer aus Paderborn. Kagerhuber erklärt: „Ich lege jetzt mehr Wert auf die Sprintleistung, weniger auf die Kraft.“Davon hat Kagerhuber reichlich, anders könnten er und seine Teamkollegen den 210 Kilogramm schweren Schlitten nicht auf Kufen ins Gleiten bringen.
Gerade der Start ist kompliziert: Vier breitschultrige Kerle sollen sich innerhalb weniger Sekunden in eine schmale Röhre quetschen, nachdem sie aus vollem Lauf hineingesprungen sind. Sitzen alle Insassen im Bob, ist der Pilot Herr über Hundertstel und Tausendstel. Sein Fahrvermögen lässt die Crew heil im Ziel ankommen. In St. Moritz hat sich Kagerhuber vor Jahren eine Brandwunde an der Schulter zuge- zogen, als er übers Eis schlitterte, sonst blieb er von schweren Stürzen verschont. „Ohne Vertrauen in den Piloten geht es nicht“, betont der Muskelmann.
Die Sportler sind befreundet, verbringen privat ebenso Zeit miteinander. Um den Teamgedanken zusätzlich zu stärken, durchkreuzten Kagerhuber und seine Kollegen abenteuerlich Felsschluchten beim Rafting und Canyoning. Andererseits konkurrieren die Kumpel untereinander. Die Anschieber der Nationalkader streiten sich um die neun Plätze in den drei Top-Cockpits. Die Leistungsdichte in Deutschland ist hoch, das schwache Abschneiden zuletzt bei Olympia hat den erfolgsverwöhnten Verband zusätzlich angestachelt.
Fortwährend sieht sich Kagerhuber Auswahlverfahren ausgesetzt, der jüngste Test kurz vor Weihbahn, nachten bescherte ihm einen Startplatz für den Heimweltcup am Wochenende am Königssee. Kagerhubers Erwartungshaltung ist hoch: „Wir wollen gewinnen.“Ein Erfolg würde ihn der Heim-WM ein Stück näher bringen, die Mitte Februar, ebenfalls am Königssee, stattfindet; Sotschi waren die Titelkämpfe 2017 wegen der massiven Dopingvorwürfe gegen Russland kurzfristig entzogen worden.
Schafft es Kagerhuber zur Weltmeisterschaft, könnte dies den Weg zu Olympia ebnen. Die Spiele 2018 sollen in seiner Karriere den Höhepunkt, zugleich auch den krönenden Abschluss bedeuten. Danach plant der 31-Jährige den Abschied als Aktiver. Dem Bobsport will er danach als Trainer erhalten bleiben. „Wahrscheinlich geht es in diese Richtung“, sagt Kagerhuber.