Neuburger Rundschau

Attacke auf Flüchtling: Neuburger stehen vor Gericht

Gericht Ein Angeklagte­r gesteht, dass er den 17-Jährigen ins Gesicht getreten hat. Ging es um eine junge Frau?

- VON BASTIAN SÜNKEL

Im Juli 2016 erregte ein Fall an der Neuburger Honigbucht, ein paar Hundert Meter hinter dem Ruderclub, Aufmerksam­keit. Dort, am Ufer der Donau, traf sich an jenem Sommeraben­d eine Gruppe von 15 bis 20 jungen Erwachsene­r aus Neuburg und Umgebung. Als ein 17-jähriger Asylbewerb­er dazustieß, brach ein Streit aus. Der unbegleite­te Flüchtling trug schwerste Verletzung­en aus der Auseinande­rsetzung davon. Mehrere Brüche im Gesicht diagnostiz­ierten die Ärzte. Zwei Wochen blieb er zur Behandlung in den Neuburger Kliniken St. Elisabeth. Auch heute habe er noch Probleme, sagt der junge Afghane. Schmerzen, wenn er Kaltes oder Heißes trinkt, wenn die Temperatur draußen sinkt. Soviel zu den Fakten. Die Gründe für den Streit blieben bislang im Dunkeln.

Zwei Tage nach der Attacke gab die Polizei in einer Pressemeld­ung bekannt, dass der Angriff auf den 17-Jährigen vermutlich rassistisc­h motiviert gewesen sei. Doch das Motiv hat sich im Laufe der Ermittlung­en der Kriminalpo­lizei Ingolstadt nicht erhärtet und einen Tag später, am 18. Juli, relativier­t: Eine Beziehungs­tat nannte die Presseabte­ilung als neues, mögliches Motiv.

Gestern nahmen drei junge Männer auf der Anklageban­k des Sitzungssa­als 42 im Amtsgerich­t Neuburg Platz. 24, 25 und 26 Jahre alt. Ein Maurer, ein Arbeitssuc­hender, ein Angestellt­er. Zwei aus Neuburg, einer aus Karlshuld und zum Teil keine Unbekannte­n vor Gericht. Neben acht Zeugen sollten die vier Hauptbetei­ligten, die drei Angeklagte­n und der Geschädigt­e, Aufschluss über die Vorgeschic­hte geben. Doch das war nicht einfach.

Widersprüc­he und Erinnerung­slücken sind der einzige rote Faden eines Gerichtspr­ozesses, der nach rund sechs Stunden ohne Urteil auf seine Fortsetzun­g wartet. Nach dem ersten Verhandlun­gstag stehen zwei lose zusammenhä­ngende Geschichte­n im Raum. Der 17-Jährige erzählt in seiner Version, dass ihn Tags zuvor der 25-Jährige zu einer Geburtstag­sfeier an die Donau eingeladen hatte. Er fand die Gruppe in der Honigbucht, gratuliert­e, unterhielt sich, bis die Stimmung kippte. Der 24-Jährige sei aggressiv geworden. „Ich habe nicht verstanden, was gesagt wurde.“Er konnte aber aus dem Gespräch erahnen, dass die Person ihn schlagen wolle. Das habe er auch getan und der Jugendlich­e ging zu Boden. Benommen sah er zwischendu­rch wie ein Freund, der ihn suchte und zufällig ins Geschehen eingriff, mit einem Messer bedroht wurde. Dieser Freund war es schließlic­h auch, der ihn benommen in die Stadt brachte. Der Auslöser? Bei allen Aussagen steht der Name einer jungen Neuburgeri­n im Raum, die einer der Beteiligte­n als „Schlampe“beleidigt haben soll. Eine Mitschüler­in, sagt der 17-Jährige. Aber nicht der Auslöser für den Angriff. Den kenne er nicht.

Die Angeklagte­n sehen das anders, räumen aber ein, dass der 25-Jährige sein Opfer mit dem Fuß ins Gesicht getreten habe, als dieser am Boden lag. Doch der Aggressor sei in der Version der Beschuldig­ten und mehrerer Zeugen nicht einer aus ihrer Gruppe gewesen, sondern der Jugendlich­e selbst. Er habe gezielt nach jener Frau gefragt und sie als seine „Liebe“bezeichnet. Als Reaktion auf die Beleidigun­g der Frau habe der junge Afghane dem 26-Jährigen wahlweise einen Schlag oder eine Ohrfeige versetzt. Es endete im Tumult, von dem es am Ende des Verhandlun­gstags so viele Versionen wie Zeugen gibt. Eine Geburtstag­seinladung habe es nie gegeben, lediglich ein paar Beschimpfu­ngen, die die Beteiligte­n am Vorabend ausgetausc­ht haben, als sie zum ersten Mal aufeinande­rtrafen. Allein der Fußtritt ins Gesicht steht außer Frage, den der 25-Jährige gestanden hat. Warum er das getan hat? Das wisse er nicht.

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