Neuburger Rundschau

Voll schuldfähi­g

Justiz Im Anastasia-Prozess ist die Beweisaufn­ahme kurz vor ihrem Ende. Die Gutachter bewerteten den Angeklagte­n als psychisch gesund. Für die Plädoyers wird die Öffentlich­keit ausgeschlo­ssen

- VON STEFAN KÜPPER

Die nüchterne, strafrecht­lich relevante Nachricht im Ergebnis vorweg: Im Anastasia-Prozess ist der angeklagte Ex-Bundeswehr­soldat voll schuldfähi­g. Das ist das Ergebnis der Gutachten, die gestern am Landgerich­t vor der Großen Strafkamme­r vorgestell­t wurden. Sowohl der psychiatri­sche Gutachter Béla Serly als auch Diplom-Psychologe Günter Lauber hatten bei ihrer Untersuchu­ng keinerlei Auffälligk­eiten feststelle­n können: Normalbefu­nd.

Dennoch hatten sie nach langen Gesprächen mit dem Angeklagte­n natürlich einiges mehr zu berichten. Sowohl über ihn, dem die Staatsanwa­ltschaft Ingolstadt einen heimtückis­chen Mord an seiner hochschwan­geren Ex-Geliebten vorwirft, als auch über das Verhältnis zu ihr. Das war insofern besonders aufschluss­reich, da der 25-Jährige aus dem Landkreis Eichstätt sich seit seiner von Jörg Gragert verlesenen Verteidige­r-Erklärung zu Beginn des Prozesses ausschweig­t. Er bestreitet die ihm zur Last gelegte Tat vehement: Er habe Anastasia M. nicht umgebracht. Und selbst wenn er der Vater des ungeborene­n Kindes gewesen wäre – was er nicht ist – hätte er Unterhalt bezahlt.

Was die Gutachter über den gelernten Koch zu sagen hatten, scheint nicht so recht zu der grausa- Tat zu passen. Wie berichtet, war Anastasia M. im November 2015 brutal erschlagen worden, bevor sie mit ihrem Kind in die Donau geworfen wurde.

Denn wie Lauber vor der Kammer unter Vorsitz von Landgerich­tsvizepräs­ident Jochen Bösl ausführte, sei beim Angeklagte­n zum Beispiel kein besonders hohes Aggression­spotenzial auszumache­n. Auch hier gelte: Normalbefu­nd. Wie schon seine Freunde und Angehörige­n es in der Hauptverha­ndlung geschilder­t hatten, gelte für den die ganze Verhandlun­g über sehr ruhig anmutenden Mann zudem: Er balle eher die Faust in der Tasche und gehe Konflikten aus dem Weg. Umgekehrt steht in den Polizeiakt­en, dass der Angeklagte vor wenigen Jahren einer jungen Frau, die von ihrem Partner auf offener Straße zusammenge­treten worden war, zu Hilfe geeilt war und den Schläger unschädlic­h gemacht hatte. Seine Freunde hatten ihn als extrem hilfsberei­t beschriebe­n. Es gebe, so Lauber schließlic­h, keinerlei Hinweise auf Persönlich­keitsstöru­ngen.

Wie Serly ausführte, käme der Mann aus einer intakten Familie, habe eine glückliche Kindheit verlebt, so dessen eigene Schilderun­gen während seiner Begutachtu­ng. Das Verhältnis zur Familie sei nach wie vor sehr gut. Man stehe zum Sohn. Es gebe keinerlei Hinweise auf Alkoholpro­bleme oder Drogenkon- sum beim Angeklagte­n, so Serly. Auch zur Tatzeit, unterstell­t, er wäre schuldig, gebe es nichts, was auf eine Einschränk­ung seiner Wahrnehmun­gs- oder Steuerungs­fähigkeit hindeute. Schließlic­h gebe es keine Hinweise auf einen Affekt, auch keine Anzeichen für ansteigend­e chronische Affektspan­nungen. Selbst als Anastasia ihn unter Druck setzte, weil er sich nicht um sie und das angeblich von ihm stammende Kind kümmerte, habe sich nichts in seinem Leben verändert, so Serly weiter: „Es lief alles wie sonst auch.“

Die Beziehung zu Anastasia sei „rein sexuell“gewesen. Man habe sich im Dezember 2014 auf der Arbeit kennengele­rnt, privat sonst aber nichts unternomme­n, sondern sich lediglich in unregelmäß­igen Abständen zum Sex nach Feierabend getroffen. Zum letzten Mal Anfang Oktober 2016. An einer Beziehung zu ihr habe er kein Interesse gehabt. Zumal ihm bekannt gewesen sei, dass sie mit verschiede­nen Partnern verkehrt habe, so der Angeklagte gegenüber Serly. Der beschrieb dessen Persönlich­keit als „emotional noch etwas unreif“, was aber nachvollzi­ehbar sei in dem Alter. Ein Satz des Angeklagte­n beschreibe dessen „spielerisc­hen“Zugang besonders gut: „Ich genieße mein Leben und mache, was mir Spaß macht.“

Wie hart ihn dagegen seine Situamen tion und die U-Haft treffen, geht aus einem vor Gericht verlesenen Brief an die Familie vom November 2016 hervor. Er verstehe nicht und werde wohl nie verstehen, warum er eingesperr­t worden sei. Zeugen hätten gelogen und er sei derjenige, der das nun „ausbaden“müsse. Zum Glück habe er eine starke Persönlich­keit, die das überstehen könne.

Im Bundeszent­ralregiste­r gibt es bislang nur einen Eintrag zu ihm. 2012 war er mit einem verbotenen Springmess­er erwischt worden. Ansonsten sind allerdings keinerlei Vorstrafen vermerkt.

Das Urteil soll Donnerstag kom mender Woche verkündet werden

Am Donnerstag wird Richter Bösl die Beweisaufn­ahme schließen, sofern keine weiteren Anträge folgen. Dann werden die Verteidige­r Jörg Gragert und Franz Xaver Wittl, Staatsanwa­lt Jürgen Staudt und der Vertreter der Nebenklage, HansJürgen Hellberg, ihre Schlussvor­träge halten.

Allerdings unter Ausschluss der Öffentlich­keit, wie die Kammer gestern mitteilte. Da bei der Befragung eines Zeugen in dem umfassende­n Indizienpr­ozess die Öffentlich­keit ausgeschlo­ssen worden war, sei dies auch für die Plädoyers gesetzlich zwingend vorgeschri­eben.

Das Urteil soll dann am Donnerstag der kommenden Woche verkündet werden.

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