Gesucht: Eine Zweitklässlerin von 1976
Kriminalfall Warum einen Polizeibeamten das Verbrechen an dem sechsjährigen Eustachius Hell bis heute nicht loslässt
Das tragische Schicksal von Eustachius Hell hat ihn zeit seines Lebens nicht losgelassen: Als Sachbearbeiter dieses Falls bei der Kriminalpolizei Augsburg war Lorenz Günthner nah dran an dem dramatischen Geschehen kurz vor Weihnachten 1976. Als unsere Zeitung zum 40. Jahrestag der Entführung und Ermordung des Sechsjährigen aus Paar bei Kühbach über das Verbrechen berichtet, stutzt der heute 75-Jährige. Es ist die Information, die sich bis heute hartnäckig in Kühbach hält: dass der Täter, ein damals in Neuburg lebender Republikflüchtling aus der DDR, schon nach acht Jahren wieder freigekommen sein soll. Das aber mag der pensionierte Kripobeamte nicht glauben.
Günthner schildert seine Gefühle: „Da kommt das alles wieder zurück.“Der Sohn des Ermittlers ist nur wenig älter als Eustachius Hell und war damals ebenfalls Grundschüler. Bei der Zeitungslektüre kommen die Emotion und das Mitfühlen mit den Eltern zurück, die ihren Buben am Nachmittag des 20. Dezembers 1976 als entführt melden. Er ist von der Schule nicht nach Hause gekommen. Wenige Stunden später fordert eine Männerstimme am Telefon 200000 Mark. Die Eltern schalten die Polizei ein. Was keiner weiß und was im Nachhinein besonders erschüttert: Zu diesem Zeitpunkt ist der Erstklässler bereits tot.
Der Täter wird wenige Tage später gefasst und damit stirbt die Hoffnung, der Bub könnte noch lebend gefunden werden. Der Täter führt die Polizei zur Leiche des Kindes. Neben der Trauer kommen in der Bevölkerung bald Wut und Empörung über den Mörder auf. Der 32-Jährige, mehrfach vorbestrafte und verschuldete Mann hat eine Bank in Kühbach überfallen wollen, sich aber nicht getraut, wie er später gesteht. Der sechsjährige Bub, der gerade von der Schule nach Hause geht, wird so zum Opfer.
Schon im Februar 1977 kommt es zur Verhandlung vor dem Augsburger Schwurgericht. Der Gerichtssaal kann den Menschenandrang nicht fassen. Die Emotionen schlagen hoch, es kommt zu tumultartigen Szenen, Besucher fordern die Todesstrafe. Der Täter wird wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe und zu zehn Jahren wegen erpresserischen Menschenraubes verurteilt.
In der Tat ist der so Verurteilte nicht bereits nach acht Jahren freigekommen. Matthias Nickolai, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Augsburg, informiert: Der Mörder von Eustachius Hell ist knapp 29 Jahre hinter Gitter gesessen. 2006 sei seine Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt worden, so Nickolai. Etwa zwei Jahre später ist der Täter gestorben, haben Günthners Recherchen ergeben.
Mithilfe von Zeugen konnte die Kripo damals den Täter ermitteln. Bis heute bewundert Günthner eine Zweitklässlerin. Das Mädchen hatte das Autokennzeichen richtig notiert. Bis heute hat er das Bedürfnis, der Frau – sie dürfte knapp 50 Jahre alt sein – zu sagen, wie umsichtig sie damals gehandelt hat. O
Kontakt Lorenz Günthner möchte sich bei dem Mädchen von damals bedan ken. Unsere Redaktion stellt gerne den Kontakt zu ihm her: Telefon 08431/6776 30.