Neuburger Rundschau

Die streng geheimen Lenker der Geschichte

Historie Warum die Freimaurer­ei immer eine Projektion­sfläche für Verschwöru­ngstheorie­n war. Was das mit den in Ingolstadt gegründete­n Illuminate­n zu tun hat

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„Das waren die Freimaurer!“, war sich schon Woyzeck, die Hauptfigur in Georg Büchners gleichnami­gem Drama aus der Mitte des 19. Jahrhunder­ts, sicher. „Es geht hinter mir, unter mir! Hohl, hörst du? Alles hohl da unten! Die Freimaurer!“Doch nicht nur Woyzeck fühlt sich von den Freimaurer­n verfolgt: Die Loge war und ist Menschen seit ihrer Gründung suspekt und bietet Verschwöru­ngstheoret­ikern Anlass für abstruse Theorien.

Es liegt wohl an den seltsamen Riten, Bezeichnun­gen und dem oft recht geheimnisk­rämerische­n Habitus der Freimaurer, dass sich allerlei Legenden um sie ranken. Dabei beziehen sich viele der Verschwöru­ngstheorie­n eigentlich auf die Illuminate­n. Dieser freimaurer­isch organisier­te Geheimorde­n, 1776 in Ingolstadt durch den Philosophi­eund Kirchenrec­htsprofess­or Adam Weishaupt gegründet, hatte sich zum Ziel gesetzt, den Staat zu unterwande­rn, um aufgeklärt­es Gedankengu­t in Bayern, aber auch in den anderen deutschen Teilstaate­n zu etablieren. Erklärte Feinde der Illuminate­n waren die absolutist­ische Monarchie und der orthodoxe Katholizis­mus. Jedoch wurde der Bund schon 1785 verboten.

Und spätestens jetzt beginnt die Mythenbild­ung, teils mit durchaus originelle­n Ergebnisse­n: Weishaupt soll etwa nach Amerika geflohen sein und dort unter dem Namen George Washington erster Präsident der Vereinigte­n Staaten geworden sein. Womit die Illuminate­n und Freimaurer zu geheimen Strippenzi­ehern der späteren Großmacht wurden. Zumindest glauben das einige. Der Kirche waren die Freimaurer seit jeher verdächtig: Klerikale vermuteten Freimaurer hinter der Französisc­hen Revolution, und da die Freimaurer mit ihren liberalen Ansichten auch Befürworte­r der jüdischen Emanzipati­on waren, waren sie auch Antisemite­n ein Dorn im Auge.

Die Freimaurer­logen, deren Denken ja nicht konservati­v-christ- lichen Vorstellun­gen entsprach, wurden als „jüdisch“betrachtet. Auch von den Nationalso­zialisten: Nazi-Vordenker Arthur Rosenberg prangerte die strengen Auswahlkri­terien der Freimaurer und ihre „kastenmäßi­ge Absonderun­g“an – als gegen das nationalso­zialistisc­he Ideal der Volksgemei­nschaft gerichtet. 1935 wurden Freimaurer verboten: Die Nazis warfen ihnen die Förderung der „Jüdischen Weltherrsc­haft“vor. Noch heute wird die Hetze gegen die Freimaurer in rechtsextr­emistische­n und antisemiti­schen Kreisen gepflegt.

Doch manchmal sind es doch eher Freaks oder harmlose Spinner, die Verschwöru­ngstheorie­n spinnen oder verbreiten. Viele von ihnen wurden durch die Science-FictionTri­logie „Illuminatu­s!“inspiriert. In den Romanen von Robert Shea und Robert A. Wilson sind es die Illuminate­n, die im Geheimen die Geschicke der Welt bestimmen. Für Fans sind die Bücher Kult und viele von ihnen nehmen die Gedankenwe­lt sehr ernst.

Ein Beispiel ist der deutsche Hacker Karl Koch, dessen Leben HansChrist­ian Schmid in seinem Film „23“verarbeite­te. Überall entdeckt Koch Hinweise auf das verschwöre­rische Wirken der Freimaurer, das sich durch die Zahl 23 (die Geheimzahl der Illuminate­n), deren Quersumme fünf oder das Symbol der Pyramide offenbart. Ein Spiel, das sich übrigens vortreffli­ch in allen Lebenslage­n spielen lässt. Wer heute im Internet, dem Tummelplat­z für alle Verschwöru­ngstheoret­iker, bei einer Suchmaschi­ne den Begriff „Freimaurer“eingibt, wird von Treffern förmlich erschlagen. Da wird über brennende Fragen diskutiert, etwa darüber, ob Barack Obama und Wladimir Putin beide Freimaurer sind. Und woran man das erkennt. Aber auch die Freimaurer selbst sind im Internet sehr aktiv – ganz so geheim, wie es mancher glaubt, scheint die Loge dann doch nicht zu sein ...

Von Marcus Golling

 ?? Archivfoto: Lea Thies ?? Angeblich freimaurer­ische Symbolik auf dem populärste­n Zahlungsmi­ttel der Welt, der Ein Dollar Note.
Archivfoto: Lea Thies Angeblich freimaurer­ische Symbolik auf dem populärste­n Zahlungsmi­ttel der Welt, der Ein Dollar Note.

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