Ein Arbeitsplatz mit Meerblick
Porträt Es klingt wie ein Traum: Um die Welt reisen und parallel ein wenig arbeiten. Das verspricht ein Job auf einem Kreuzfahrtschiff. Die Realität sieht allerdings ein wenig anders aus. Doch es gibt auch entscheidende Vorteile
Der Blick aus dem Fenster von Florence Schneiders Arbeitsplatz könnte auch ein Postkartenmotiv sein. Das Meer erstreckt sich bis zum Horizont, am Himmel blaue Wolken, im Wasser spiegelt sich die Sonne. Schneider arbeitet seit zweieinhalb Jahren als Kosmetikerin im Spa-Bereich auf einem Kreuzfahrtschiff von Tui Cruises. Wer bei ihr sitzt, schaut auf das Meer. „Bezahlt werden, obwohl man herumreist, das ist schon toll“, sagt Schneider. Die 26-Jährige ist ausgebildete Kosmetikerin und eine von tausenden Beschäftigten, die auf Kreuzfahrtschiffen arbeiten.
„Die Kreuzfahrtindustrie boomt“, sagt André Nickel, Arbeitsvermittler der Arbeitsagentur Suhl und spezialisiert auf Kreuzfahrtschiffe. Jedes Jahr werden neue Schiffe in den Dienst gestellt. Gesucht werden dafür längst nicht nur Fachkräfte im Bereich Gastronomie und Hotellerie, sondern auch Kosmetiker, Masseure, Frisöre oder Sport- und Fitnesstrainer. Es gibt zudem Bedarf an Mitarbeitern im Bereich Gästebetreuung oder im Verkauf, es werden Krankenpfleger und Schiffsärzte eingestellt.
Arbeitsalltag von Florence Schneider ähnelt dem an Land – und ist doch ganz anders. An diesem Tag hat sie sechs kosmetische Behandlungen: Wie an Land auch macht sie Peelings, legt ein Tages-Make-up auf oder führt eine Gesichtsreinigung durch. Anders sind die Arbeitszeiten: Sie arbeitet sieben Tage in der Woche. Die Spa-Mitarbeiter sind im Schicht-System tätig und ar- beiten zwischen acht und zehn Stunden am Tag. Freie Tage? Fehlanzeige! Die Arbeitsverträge laufen in vielen Fällen immer für vier, fünf oder sechs Monate. Dann hat man ein paar Wochen Pause, dann geht es wieder aufs Schiff.
Wer sich für einen Job auf einem Kreuzfahrtschiff interessiert, sollte sich deshalb nichts vormachen: „Immer am Gast sein, immer präDer sent sein: Das stellen sich viele zu einfach vor“, sagt Daniela Fahr, Inhaberin von Connect, einer Recruiting-Agentur für Kreuzfahrtschiffe. Viele kommen an Bord an ihre Leistungsgrenze. Hinzu kommt, dass man auf dem Schiff nur wenig Privatsphäre hat. Abends fährt man nicht nach Hause, sondern bleibt auf dem Schiff. In der Kabine sind die einfachen Angestellten in der Regel zu zweit – auch hier gibt es nur wenig Rückzugsraum.
Aber bei der Arbeit auf einem Kreuzfahrtschiff gibt es auch sehr viel zu gewinnen. „Wer auf einem Schiff tätig war, hat danach an Land die besten Aussichten“, sagt Nickel. Recruiterin Fahr gibt ein praktisches Beispiel aus dem Gastro-Bereich: „Wer auf einem Vier- oder Fünf-Sterne-Schiff mitfährt, macht häufig Bekanntschaft mit komplett anderen Menüs, die Tische werden anders eingedeckt, man arbeitet mit über 50 Nationalitäten zusammen.“Auch die Englisch-Kenntnisse verbessern sich oft stark, sagt Arbeitsvermittler Nickel. Attraktiv ist unter Umständen auch der Verdienst. Durch die Sieben-Tage-Woche arbeiten Beschäftigte relativ viele Stunden am Stück. Außerdem haben sie an Bord kaum Ausgaben: Unterkunft und Verpflegung auf dem Schiff sind frei.
Um einen Job auf einem Kreuzfahrtschiff zu bekommen, braucht man neben einer Ausbildung und guten Englisch-Kenntnissen zumindest in der Hochseeschifffahrt in der Regel ein Mindestalter von 21 Jahren, sagt Nickel. Auf den Flusskreuzfahrtschiffen kann das anders aussehen. Wichtig sei zudem interkulturelle Kompetenz. Wer sich bewerben möchte, kann auf den Karriereportalen der Reedereien schauen. Eine andere Möglichkeit sind Recruiting Days, die etwa in Hamburg oder Bremerhaven stattfinden.
Florence Schneider will auf jeden Fall noch eine Zeit lang weiter auf Kreuzfahrtschiffen arbeiten „Bei jeder Reise haben sich bis jetzt noch richtige Freundschaften entwickelt“, erzählt sie. Und wird sie eigentlich noch seekrank? „Am Anfang war ich es schon ein bisschen“, sagt sie. Aber nach und nach habe man dann alle Tricks heraus. Das Geheimnis lautet: Immer ein bisschen essen und was im Magen haben. Kristin Kruthaup, dpa