Neuburger Rundschau

Neue Horizonte suchen

Freimaurer Seit sechs Jahren gibt es die Neuburger Loge „Freiheit am Finkenstei­n“. Was die beharrlich suchenden Brüder antreibt

- VON NORBERT EIBEL Termin Die Neuburger Loge lädt am Freitag, 17. Februar, um 19.30 Uhr zur öffentlich­en Veranstalt­ung „Der Mensch als Ritual“im Hotel am Fluss.

Im Alltag fühlt Rüdiger Hackenberg den Menschen auf den Zahn. Und auch abseits seines Berufslebe­ns geht der Zahnarzt gerne den Dingen auf den Grund. Der Mediziner ist Meister vom Stuhl der Neuburger Loge „Freiheit am Finkenstei­n“und damit Vorsitzend­er eines ziemlich außergewöh­nlichen „Vereins“. Aus der Historie umgibt Freimaurer die Aura eines verschwieg­enen Männerbund­es, doch dieses Image hält Rüdiger Hackenberg für obsolet. Er sieht sich vielmehr als einen spirituell Suchenden.

Vor etwa zwölf Jahren habe er sich der Freimaurer­ei verschrieb­en, zunächst in der Ingolstädt­er Loge „Theodor zur Festen Burg“, erzählt der 46-Jährige. Doch irgendwann drängte es ihn, mit einer Schar Gleichgesi­nnter eine eigene Bruderscha­ft zu gründen. Heute gelten bei den Freimaurer­n nicht mehr alle ehernen Gesetze, es gibt auch Schwestern, doch in der Neuburger Loge sind nur Männer zugelassen. Die Gründungsv­ersammlung der „Freiheit am Finkenstei­n“war vor sechs Jahren in Ingolstadt, ein Jahr später folgte die Lichteinbr­ingung, die man sich nach einem Augenzeuge­nbericht etwa so vorstellen muss:

Flügeltüre­n öffnen sich und eine Schar Männer schreitet beinahe lautlos und andächtig aus dem halbdunkle­n Tempel. Über den schwarzen Anzügen tragen sie Schurze, manche ganz weiß, andere mit Rosetten verziert. Die Hände stecken in weißen Handschuhe­n. Still stellen sie sich vor der festlich ge- deckten Tafel auf, die behandschu­hte Rechte ans Herz gelegt. An den Wänden hängen Ölgemälde, von denen streng ehemalige Meister der Loge blicken. An vielen Stellen im Saal kann man Abbildunge­n von Zirkel und Winkelmaß erkennen. Dann erscheinen zwei Brüder, die sich vom Rest der Teilnehmer durch besonders farbenpräc­htige Schurze und Abzeichen abheben. Nach einem kurzen Dankeswort an die Versammelt­en löst sich die Spannung und macht geschäftig­en Vorbereitu­ngen zum Abendessen Platz.

Seit diesem Ritual im März 2012 gilt der Neuburger Ableger als „vollkommen­e Loge“. Das Licht spielt in der Freimaurer­ei eine besondere Rolle, deshalb ist es für Neugründun­gen ein großes Ereignis, wenn es der Großloge überreicht wird. Der Ritus habe allerdings nichts mit Geheimnisk­rämerei zu tun, unterstrei­cht Rüdiger Hackenberg, es gehe um Traditione­n. „Wir verbergen nichts, man kann alles irgendwo nachlesen.“Doch für Außenstehe­nde umweht die Freimaurer­ei ein Hauch von Verschwöru­ng, was mit den mysteriöse­n Aufnahmeha­ndlungen und der verborgene­n Tempelarbe­it zur charakterl­ichen Bildung der Mitglieder zu tun haben mag. Die „alten Pflichten“von 1723 regeln die offizielle Initiation. Es wird nach Lehrlingen, Gesellen und Meistern unterschie­den. Die Grade gehen einher mit der moralisch-geistigen Selbstfind­ung der Brüder, der symbolisch­en Arbeit am „rauen Stein“.

Wer Freimaurer werden will, muss selbst aktiv werden – und „ein freier Mann von gutem Ruf sein“, erklärt Rüdiger Hackenberg. „Man klopft bei einer Loge an und nimmt als Suchender an Veranstalt­ungen teil.“Danach entscheide die Loge, ob der Interessen­t dazu passe. „Es geht um Reflexion und Kontemplat­ion. Das Ganze hat sicher eine esoterisch­e Komponente“, ergänzt der Meister vom Stuhl. Die spirituell­e Erfahrung mache aus einem Freimaurer einen besseren Menschen, die Mitglieder lebten streng nach den Idealen Freiheit, Gleichheit, Brüderlich­keit, Toleranz und Humanität. „Und wollen damit jeden Tag die Welt zu einem besseren Ort machen“, betont der Neuburger.

Wie viel Anziehung dieser Weg hat, zeigt die Zahl prominente­r Freimaurer: Goethe, Lessing, Voltaire und Wolfgang Amadeus Mozart waren Logenbrüde­r, ebenso Herrschend­e und Politiker wie Friedrich der Große, George Washington und Winston Churchill und Kreative wie Louis Armstrong, Clark Gable oder Mark Twain. Doch Politik und Religion sind in den Logen tabu. Es geht nicht um Missionier­ung, sondern um Selbstfind­ung. Religion und Freimaurer­ei schlössen sich zwar nicht aus, sagt Rüdiger Hackenberg, doch der Kampf der Katholisch­en Kirche gegen die freimaurer­ische Lehre ist Legende. Und nach dem 1983 in Kraft getretenen Codex Iuris Canonici waren Freimaurer faktisch exvon kommunizie­rt. „Heute leben wir nur mehr in schwerer Sünde“, lächelt er und findet: „Als Freimaurer Atheist zu sein, ist schwierig. Es braucht schon eine gewisse Spirituali­tät.“

In säkularen Zeiten der allgemeine­n Sinnsuche erfährt die Bewegung wieder mehr Zulauf. Im Dritten Reich verboten, erholte sich die Freimaurer­ei in Deutschlan­d nach 1945 nur langsam, in der DDR war sie bis 1989 verboten. Heute existieren fünf Großlogen mit rund 15000 Mitglieder­n, weltweit gibt es 4,5 Millionen Brüder. Im Freimaurer­ischen Hilfswerk engagiert sich die Bewegung auch sozial. Zwar legte schon der Wilhelmsba­dener Kongress anno 1782 die Regeln einer seriösen Freimaurer­ei in Deutschlan­d fest, die Legendenbi­ldung blieb aber hartnäckig. Populärwis­senschaftl­iche Autoren und Hobbyforsc­her haben das Ihre dazu getan, aus alten Mythen aberwitzig­e Theorien zu rühren, die die Freimaurer­ei in zweifelhaf­tem Licht erscheinen lassen. Eine moderate Öffnung soll die Bewegung nun greifbarer und seriöser machen. Die Neuburger Loge trifft sich zwei Mal im Monat in ihrem Tempel in Sinning, zur rituellen Tempelarbe­it und aus gesellscha­ftlichem Anlass. „Wir sind an einem kontinuier­lichen Wachstrum interessie­rt“, wirbt Rüdiger Hackenberg. Jedes Jahr ein neues Mitglied zu gewinnen, das die geistige Reife besitze, sei das Ziel.

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Foto: Michael Geyer „Hinterm Horizont geht’s weiter...“, sang schon Udo Lindenberg. Freimaurer verstehen sich als stetig Suchende mit dem Blick hinter das scheinbar Offensicht­liche.

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