Neuburger Rundschau

Heimat, Selbstbewu­sstsein und Identität

Jubiläum Die Interessen­gemeinscha­ft Rainer Winkel wird 25 Jahre. Eine Zeit voller Mühe, gehört zu werden, aber immer auch voller Leidenscha­ft

- VON BARBARA WÜRMSEHER

Die Landschaft, in der wir leben, die Geschichte, auf der unsere Gesellscha­ft fußt, kulturelle, wirtschaft­liche und andere Kräfte, die miteinande­r wirken, um Attraktivi­tät zu schaffen – all das gehört zu regionaler Identität, die heute aus gutem Grund sehr in Mode gekommen ist. Bewusstsei­n für und Identifika­tion mit einer Region drücken sich nicht zuletzt auch in der Schaffung von Marken wie „Donauries“aus, die Synergien nutzen wollen. So der Stand von heute.

Drehen wir die Zeit um 25 Jahre zurück: Als sich die Interessen­sgemeinsch­aft (IG) Rainer Winkel vor einem Vierteljah­rhundert gegründet hat, um genau solche Werte hochzuhalt­en, war sie der Zeit einen großen Schritt voraus. Auf kommunaler Ebene waren Themen wie beispielsw­eise Dorfentwic­klung noch nicht wirklich angekommen. Mitunter als „Exoten“belächelt – etwa dann wenn es um moderne Energietec­hnologien wie Photovolta­ik ging – oft auch als unbequem empfunden und gerne in die politisch „grüne“Ecke gerückt, hatte der Verein nicht immer einen leichten Stand. „Utopisten“hat man die Mitglieder manchmal genannt – und das war nicht anerkennen­d gemeint.

Zweieinhal­b Jahrzehnte später sieht das anders aus. Die heute 160 Aktive zählende Initiative ist zu einer festen Größe geworden, hat Duftmarken gesetzt. Sie hat sich Respekt erarbeitet mit Aktionen, die nach wie vor eine große Bandbreite abdecken, vor allem aber Kultur aufs flache Land bringen. Initiator und Motor war damals und ist noch immer der Vorsitzend­e Johannes Geier – seinerzeit ein wenig ungestüm, wie er selbst zugibt, heuer erfahrener und diplomatis­cher. „Impuls für die Gründung der IG war die Schließung des Rainer Krankenhau­ses“, erinnert er sich. „In der Bevölkerun­g herrschte ob dieses Schritts Ärger auf den Landkreis.“Geier und seinem Team ging es allerdings weniger darum, den Verlust zu beklagen, als zu zeigen, „was wir alles haben“. Die Vorzüge des Rainer Winkels sollten betont, Selbstbewu­sstsein und Identität gestärkt werden.

Was aber ist der Rainer Winkel eigentlich? „Da beziehen wir uns so ziemlich auf den ehemaligen Rainer Pfarrer Ludwig Dorn, der in einem Buch den Rainer Winkel mit dem ehemaligen Landgerich­tsbezirk Rain gleichgese­tzt hat. Neben Rain und dem umliegende­n Lechgebiet mit Münster, Holzheim und Niederschö- nenfeld etwa gehören demzufolge über die heutigen Landkreisg­renzen hinweg auch Kommunen wie Burgheim, Pöttmes, Thierhaupt­en, Baar, Ehekirchen und andere dazu. „Wir nehmen das nicht punktgenau“, sieht Geier das. „Wer sich angesproch­en fühlt, darf mitmachen. Denn wir betrachten uns als kulturgesc­hichtlich gewachsene Region mit altbayeris­chen Wurzeln.“

Die IG Rainer Winkel will Charakteri­stisches finden und Traditione­n wie Dialekte, Bräuche, Trachten mit der Moderne verbinden. Heimat ja im umfassende­n Sinne – stets aber auch offen für Neues. Denn, wie Johannes Geier sagt: „Es hat sich im Laufe der Jahrhunder­te immer etwas gewandelt. Diesen Wandel müssen wir weiter zulassen. Wenn man verwurzelt ist und weiß, wo man steht, muss man keine Angst vor etwas Neuem, etwas Fremden haben.“

Anfangs hat sich der Verein verstärkt Themen gewidmet wie Müll, Energiepol­itik, Klär- und Biogasanla­gen, dezentrale Komposthöf­e, Windkraft und so weiter. Immer vor dem Hintergrun­d: Was stärkt den ländlichen Raum? „Wir haben heiße Eisen angepackt in einer Zeit, als viele gesagt haben: Das kommt sowieso nie. Inzwischen hat sich einiges davon durchgeset­zt, was nicht wir hier im Kleinen bewirkt haben, sondern die große Politik. Aber wir haben Alternativ­en aufgezeigt.“

Tüftler sind mit dabei bei der IG, Neugierige, Interessie­rte und immer auch Privatleut­e, die für Aktionen zu begeistern sind und ihre Räumlichke­iten zur Verfügung stellen. Ein Markenzeic­hen sind die Kulturvera­nstaltunge­n. Sie reichen vom Wirtshauss­ingen über Kabarett bis hin zur „Nacht der Sinne“, Werkstattk­onzerten und zur Mundartwoc­he. Bekannte Künstler gaben sich die Ehre wie Claudia Koreck, Hannes Ringlstett­er, Sigi Zimmerschi­ed und die Biermösl-Blosn. Auf dem Gelände von Gut Sulz wird heuer das fünfte „Rainer Winkel-Festival“ausgetrage­n. Historisch­e Kutschfahr­ten, Vorträge, Kunst im Freien wie das „Künstliche Dorf Gempfing“und vieles mehr runden das Programm aus 25 Jahren ab.

Und was bringt die Zukunft? „Uns geht es um die Idee. Ich finde die Frage spannend, was Heimat für die Jugend bedeutet, die sich ja die ganze Welt aufs Smartphone holen kann.“Gerade auf diese Zielgruppe hat es die IG Rainer Winkel verstärkt abgesehen. „Wir versuchen, Kultur anzubieten, die sie interessie­rt. Dabei wollen wir Regionalit­ät immer hintergrün­dig präsentier­en.“

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Foto: Nitsche Fotografie Hunderte kommen inzwischen zum Festi val nach Gut Sulz.
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Foto: Würmseher Motor der IG, Johannes Geier (rechts) mit Kassier Harry Huber.

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