Heimat, Selbstbewusstsein und Identität
Jubiläum Die Interessengemeinschaft Rainer Winkel wird 25 Jahre. Eine Zeit voller Mühe, gehört zu werden, aber immer auch voller Leidenschaft
Die Landschaft, in der wir leben, die Geschichte, auf der unsere Gesellschaft fußt, kulturelle, wirtschaftliche und andere Kräfte, die miteinander wirken, um Attraktivität zu schaffen – all das gehört zu regionaler Identität, die heute aus gutem Grund sehr in Mode gekommen ist. Bewusstsein für und Identifikation mit einer Region drücken sich nicht zuletzt auch in der Schaffung von Marken wie „Donauries“aus, die Synergien nutzen wollen. So der Stand von heute.
Drehen wir die Zeit um 25 Jahre zurück: Als sich die Interessensgemeinschaft (IG) Rainer Winkel vor einem Vierteljahrhundert gegründet hat, um genau solche Werte hochzuhalten, war sie der Zeit einen großen Schritt voraus. Auf kommunaler Ebene waren Themen wie beispielsweise Dorfentwicklung noch nicht wirklich angekommen. Mitunter als „Exoten“belächelt – etwa dann wenn es um moderne Energietechnologien wie Photovoltaik ging – oft auch als unbequem empfunden und gerne in die politisch „grüne“Ecke gerückt, hatte der Verein nicht immer einen leichten Stand. „Utopisten“hat man die Mitglieder manchmal genannt – und das war nicht anerkennend gemeint.
Zweieinhalb Jahrzehnte später sieht das anders aus. Die heute 160 Aktive zählende Initiative ist zu einer festen Größe geworden, hat Duftmarken gesetzt. Sie hat sich Respekt erarbeitet mit Aktionen, die nach wie vor eine große Bandbreite abdecken, vor allem aber Kultur aufs flache Land bringen. Initiator und Motor war damals und ist noch immer der Vorsitzende Johannes Geier – seinerzeit ein wenig ungestüm, wie er selbst zugibt, heuer erfahrener und diplomatischer. „Impuls für die Gründung der IG war die Schließung des Rainer Krankenhauses“, erinnert er sich. „In der Bevölkerung herrschte ob dieses Schritts Ärger auf den Landkreis.“Geier und seinem Team ging es allerdings weniger darum, den Verlust zu beklagen, als zu zeigen, „was wir alles haben“. Die Vorzüge des Rainer Winkels sollten betont, Selbstbewusstsein und Identität gestärkt werden.
Was aber ist der Rainer Winkel eigentlich? „Da beziehen wir uns so ziemlich auf den ehemaligen Rainer Pfarrer Ludwig Dorn, der in einem Buch den Rainer Winkel mit dem ehemaligen Landgerichtsbezirk Rain gleichgesetzt hat. Neben Rain und dem umliegenden Lechgebiet mit Münster, Holzheim und Niederschö- nenfeld etwa gehören demzufolge über die heutigen Landkreisgrenzen hinweg auch Kommunen wie Burgheim, Pöttmes, Thierhaupten, Baar, Ehekirchen und andere dazu. „Wir nehmen das nicht punktgenau“, sieht Geier das. „Wer sich angesprochen fühlt, darf mitmachen. Denn wir betrachten uns als kulturgeschichtlich gewachsene Region mit altbayerischen Wurzeln.“
Die IG Rainer Winkel will Charakteristisches finden und Traditionen wie Dialekte, Bräuche, Trachten mit der Moderne verbinden. Heimat ja im umfassenden Sinne – stets aber auch offen für Neues. Denn, wie Johannes Geier sagt: „Es hat sich im Laufe der Jahrhunderte immer etwas gewandelt. Diesen Wandel müssen wir weiter zulassen. Wenn man verwurzelt ist und weiß, wo man steht, muss man keine Angst vor etwas Neuem, etwas Fremden haben.“
Anfangs hat sich der Verein verstärkt Themen gewidmet wie Müll, Energiepolitik, Klär- und Biogasanlagen, dezentrale Komposthöfe, Windkraft und so weiter. Immer vor dem Hintergrund: Was stärkt den ländlichen Raum? „Wir haben heiße Eisen angepackt in einer Zeit, als viele gesagt haben: Das kommt sowieso nie. Inzwischen hat sich einiges davon durchgesetzt, was nicht wir hier im Kleinen bewirkt haben, sondern die große Politik. Aber wir haben Alternativen aufgezeigt.“
Tüftler sind mit dabei bei der IG, Neugierige, Interessierte und immer auch Privatleute, die für Aktionen zu begeistern sind und ihre Räumlichkeiten zur Verfügung stellen. Ein Markenzeichen sind die Kulturveranstaltungen. Sie reichen vom Wirtshaussingen über Kabarett bis hin zur „Nacht der Sinne“, Werkstattkonzerten und zur Mundartwoche. Bekannte Künstler gaben sich die Ehre wie Claudia Koreck, Hannes Ringlstetter, Sigi Zimmerschied und die Biermösl-Blosn. Auf dem Gelände von Gut Sulz wird heuer das fünfte „Rainer Winkel-Festival“ausgetragen. Historische Kutschfahrten, Vorträge, Kunst im Freien wie das „Künstliche Dorf Gempfing“und vieles mehr runden das Programm aus 25 Jahren ab.
Und was bringt die Zukunft? „Uns geht es um die Idee. Ich finde die Frage spannend, was Heimat für die Jugend bedeutet, die sich ja die ganze Welt aufs Smartphone holen kann.“Gerade auf diese Zielgruppe hat es die IG Rainer Winkel verstärkt abgesehen. „Wir versuchen, Kultur anzubieten, die sie interessiert. Dabei wollen wir Regionalität immer hintergründig präsentieren.“