Erinnerungen nach Ladenschluss
Rückblick Das erzählen Leser über den Neuburger Tante-Emma-Laden von Renate Pessenbacher
Neuburg Wahrscheinlich hat Renate Pessenbacher gerade in den Tagen nach ihrem Unfall gemerkt, wie die Neuburger an ihr hängen. Zumindest wenn ein paar der Erinnerungsfetzen und guten Wünsche die unfreiwillige Ruheständlerin erreicht haben, die in den sozialen Netzwerken mit lebendigen Erlebnissen unterfüttert wurden. Wir haben Leser dazu aufgefordert, der Redaktion ihre Erinnerung an die Grand Dame des Neuburger Lebensmittelhandels zu schicken – und tatsächlich haben sich einige Menschen an 69 Jahre mit dem letzten Tante-Emma-Laden der Stadt zurückerinnert.
Berta Drexler aus Echsheim hat vor etwa 35 Jahren auf der anderen Straßenseite am Platz in der Zahnarztpraxis Dr. Beck im Labor gearbeitet, schreibt sie uns in einer Mail. In den Pausen waren sie und ihr Kollege, Herr Rehm, Stammkunden in Renate Pessenbachers Geschäft: „Die Süßwaren haben es uns besonders angetan. Oft reichten zwischen Herr Rehm und mir ein Blick oder ein paar Worte – gönn ma uns was?“So fing einer von uns beiden an, und schon machte ich mich auf den Weg. Pilze, Apfelringe, frische knackige Mohrenköpfe oder einfach ein Riegel mussten fast täglich sein. Dabei Berta Drexler und ihr Kollege Rehm wa ren Stammkunden bei Renate Pessenba cher. Fotos: privat Anni Rämisch als Kind, wie sie nach Neu burg kam, und heute.
entstand mit Renate, die mir das Du angeboten hat, immer ein kurzes nettes Gespräch.“Als Berta Drexler vor 25 Jahren schwanger wurde und die Stelle aufgab, pflegte sie den Kontakt zum Tante-Emma-Laden weiter: „Dann war es klar, dass ich nach jedem Zahnarztbesuch bei ihr vorbeischaute. Auch meinen Kindern stellte ich den schönen Laden stolz vor.“Sie bedankt sich bei Renate Pessenbacher für die allseits herzliche Bedienung.
Auch Johannes Lagleder aus Neuburg will mit einem Satz Renate Pessenbacher Danke sagen: „Ich habe gerne bei ihr eingekauft: Mit ihrer Freundlichkeit verkörperte sie ein Stück der guten alten Zeit.“
Mit einem alten Mietvertrag in der Hand besuchte Bärbel Meisel die Redaktion der Neuburger Rundschau. Auf dem Vertrag steht „Theresienstraße 162“, also jene Adresse, in der auch Renate Pessenbachers Laden beheimatet ist. Bärbel Meisel
erzählt, wie sie und ihr Mann Helmut als junges Paar in den zweiten Stock oberhalb des Ladens einzogen und dort drei „wunderschöne Jahre“erlebt haben.
Renate Pessenbacher und Bärbel Meisel sind schnell Freunde geworden, haben in den drei Jahren des Zusammenlebens auf der Terrasse Mai-Bowle getrunken und sich gegenseitig geholfen, wo sie nur konnten. Das Vertrauen sei so groß gewesen, erzählt Bärbel Meisel, die damals bei Goldix gearbeitet hat, dass sie ihre Freundin hin und wieder an Samstagen im Laden vertreten hat, wenn diese auf Reisen war. „Solche Mietsleute findet man heute nicht mehr“, sagt sie.
Eine ganz besondere Erinnerung an den Eckladen hat auch Anni Rä
misch. Die heute 82-Jährige kam 1943 als elfjähriges Mädel aus dem Sudetenland nach Neuburg. Zusammen mit ihrer Mutter und ihren drei Brüdern war sie zunächst im Studienseminar untergebracht. Dort sprach sie nach einigen Tagen eine Frau an: „Ihr habt doch sicher Hunger?!“, sagte sie und nahm die kleine Anni mit einer Freundin mit zu den Barmherzigen Brüdern. Dort gab es dann Kaffee und Hefezopf – „und der war soooo gut“, erinnert sich Anni Rämisch. Auf dem Rückweg kamen sie schließlich am Kramerladen vorbei, der damals noch Renate Pessenbachers Pflegemutter, Josefine Berchtenbreiter, gehörte. „Haben Sie nicht was zum Essen für die kleinen Madeln?“, fragte die unbekannte Frau Josefine Berchtenbreiter durch ein kleines Fenster an der Theresienstraße. „Ja, ich hab’ gerade Kartoffeln gekocht!“, erwiderte diese und reichte den Mädchen zwei dampfende Kartoffeln. Die Erinnerung daran wärmt auch heute noch Anni Rämischs Herz – 74 Jahre später.