Neuburger Rundschau

Erinnerung­en nach Ladenschlu­ss

Rückblick Das erzählen Leser über den Neuburger Tante-Emma-Laden von Renate Pessenbach­er

- VON BASTIAN SÜNKEL UND CLAUDIA STEGMANN

Neuburg Wahrschein­lich hat Renate Pessenbach­er gerade in den Tagen nach ihrem Unfall gemerkt, wie die Neuburger an ihr hängen. Zumindest wenn ein paar der Erinnerung­sfetzen und guten Wünsche die unfreiwill­ige Ruheständl­erin erreicht haben, die in den sozialen Netzwerken mit lebendigen Erlebnisse­n unterfütte­rt wurden. Wir haben Leser dazu aufgeforde­rt, der Redaktion ihre Erinnerung an die Grand Dame des Neuburger Lebensmitt­elhandels zu schicken – und tatsächlic­h haben sich einige Menschen an 69 Jahre mit dem letzten Tante-Emma-Laden der Stadt zurückerin­nert.

Berta Drexler aus Echsheim hat vor etwa 35 Jahren auf der anderen Straßensei­te am Platz in der Zahnarztpr­axis Dr. Beck im Labor gearbeitet, schreibt sie uns in einer Mail. In den Pausen waren sie und ihr Kollege, Herr Rehm, Stammkunde­n in Renate Pessenbach­ers Geschäft: „Die Süßwaren haben es uns besonders angetan. Oft reichten zwischen Herr Rehm und mir ein Blick oder ein paar Worte – gönn ma uns was?“So fing einer von uns beiden an, und schon machte ich mich auf den Weg. Pilze, Apfelringe, frische knackige Mohrenköpf­e oder einfach ein Riegel mussten fast täglich sein. Dabei Berta Drexler und ihr Kollege Rehm wa ren Stammkunde­n bei Renate Pessenba cher. Fotos: privat Anni Rämisch als Kind, wie sie nach Neu burg kam, und heute.

entstand mit Renate, die mir das Du angeboten hat, immer ein kurzes nettes Gespräch.“Als Berta Drexler vor 25 Jahren schwanger wurde und die Stelle aufgab, pflegte sie den Kontakt zum Tante-Emma-Laden weiter: „Dann war es klar, dass ich nach jedem Zahnarztbe­such bei ihr vorbeischa­ute. Auch meinen Kindern stellte ich den schönen Laden stolz vor.“Sie bedankt sich bei Renate Pessenbach­er für die allseits herzliche Bedienung.

Auch Johannes Lagleder aus Neuburg will mit einem Satz Renate Pessenbach­er Danke sagen: „Ich habe gerne bei ihr eingekauft: Mit ihrer Freundlich­keit verkörpert­e sie ein Stück der guten alten Zeit.“

Mit einem alten Mietvertra­g in der Hand besuchte Bärbel Meisel die Redaktion der Neuburger Rundschau. Auf dem Vertrag steht „Theresiens­traße 162“, also jene Adresse, in der auch Renate Pessenbach­ers Laden beheimatet ist. Bärbel Meisel

erzählt, wie sie und ihr Mann Helmut als junges Paar in den zweiten Stock oberhalb des Ladens einzogen und dort drei „wunderschö­ne Jahre“erlebt haben.

Renate Pessenbach­er und Bärbel Meisel sind schnell Freunde geworden, haben in den drei Jahren des Zusammenle­bens auf der Terrasse Mai-Bowle getrunken und sich gegenseiti­g geholfen, wo sie nur konnten. Das Vertrauen sei so groß gewesen, erzählt Bärbel Meisel, die damals bei Goldix gearbeitet hat, dass sie ihre Freundin hin und wieder an Samstagen im Laden vertreten hat, wenn diese auf Reisen war. „Solche Mietsleute findet man heute nicht mehr“, sagt sie.

Eine ganz besondere Erinnerung an den Eckladen hat auch Anni Rä

misch. Die heute 82-Jährige kam 1943 als elfjährige­s Mädel aus dem Sudetenlan­d nach Neuburg. Zusammen mit ihrer Mutter und ihren drei Brüdern war sie zunächst im Studiensem­inar untergebra­cht. Dort sprach sie nach einigen Tagen eine Frau an: „Ihr habt doch sicher Hunger?!“, sagte sie und nahm die kleine Anni mit einer Freundin mit zu den Barmherzig­en Brüdern. Dort gab es dann Kaffee und Hefezopf – „und der war soooo gut“, erinnert sich Anni Rämisch. Auf dem Rückweg kamen sie schließlic­h am Kramerlade­n vorbei, der damals noch Renate Pessenbach­ers Pflegemutt­er, Josefine Berchtenbr­eiter, gehörte. „Haben Sie nicht was zum Essen für die kleinen Madeln?“, fragte die unbekannte Frau Josefine Berchtenbr­eiter durch ein kleines Fenster an der Theresiens­traße. „Ja, ich hab’ gerade Kartoffeln gekocht!“, erwiderte diese und reichte den Mädchen zwei dampfende Kartoffeln. Die Erinnerung daran wärmt auch heute noch Anni Rämischs Herz – 74 Jahre später.

 ?? Foto: Marcel Rother ?? Der legendäre Tante Emma Laden von Renate Pessenbach­er musste von seiner Be  sitzerin etwas unfreiwill­ig geschlosse­n werden.
Foto: Marcel Rother Der legendäre Tante Emma Laden von Renate Pessenbach­er musste von seiner Be sitzerin etwas unfreiwill­ig geschlosse­n werden.
 ?? Fotos: privat/clst ??
Fotos: privat/clst
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany