Einkaufen im Gefängnis – per Mausklick
Justiz Übers Internet vermarkten bayerische Gefängnisse, wie in Niederschönenfeld und Kaisheim, Arbeiten von Insassen. Der Freistaat erwirtschaftet so rund 40 Millionen Euro
Kaisheim/Niederschönenfeld In Bayerns Gefängnissen hat das InternetZeitalter eine neue Dimension erreicht. „www.haftsache.de“heißt die magische Formel, unter der Kunden außerhalb der Mauern erwerben können, was hinter Gittern produziert wird. 14 bayerische Justizvollzugsanstalten bestücken dieses Online-Kaufhaus, indem sie aus ihren Werkstätten Möbel, Wohnund Gartenaccessoires, Leder- und Metallwaren, Spielzeug und vieles mehr ins Zentrallager liefern, von wo aus dann in kürzester Zeit die Bestellungen verschickt werden. Mit dabei: die Kaisheimer und die Niederschönenfelder JVA.
Das Kaisheimer Gefängnis ist wie eine kleine, in sich abgeschlossene Stadt. Auf weitläufigem Areal findet sich eine Infrastruktur, die das Leben dort nahezu autark macht, 600 Haftplätze stehen zur Verfügung, 410 Gefangene im Jahresdurchschnitt sind bereit zur Beschäftigung. Sie können als Schlosser arbeiten, als Maler, Weber, Schreiber, Bäcker, im Elektrobereich, als Schweißer, Köche und manches andere mehr.
Schon seit Langem werden die Werkstätten der JVA als „verlängerte Werkbank“betrachtet, also als eine Möglichkeit für Firmen und Privatkunden „von draußen“, dort Arbeiten in Auftrag zu geben. Auch einzelne Produkte gibt es schon seit geraumer Zeit. Beispielsweise stellt die Schusterei seit nahezu 25 Jahren bunte Filzpantoffel in fünf Farben und zweierlei Ausfertigung her. Seit zehn Jahren fertigt die Schlosserei Rankhilfen für Pflanzen und seit 15 Jahren entsteht in der werkpädagogischen Einrichtung Holzspielzeug. Vieles – wie etwa Handtücher, Bettwäsche, Arbeitsschuhe – dient rein dem internen Gebrauch. Ein Teil der Produkte aber wird ganz gezielt aktiv übers Internet vermarktet.
„Die Produktion war und ist ja nicht wirtschaftlich orientiert, sondern hat den Sinn und Zweck, dass Gefangene Arbeit bekommen“, erklärt Anstaltsleiter Friedhelm Kirchhoff. Resozialisierung sei der wichtigste Gedanke. Schließlich gehören Arbeit und Ausbildung zu den Voraussetzungen, um nach der Haft ein straffreies Leben führen zu können. „Wir freuen uns aber auch über die Nebeneffekte, dass zum einen der Staatshaushalt durch die Einnahmen entlastet wird und zum anderen die Gefangenen Wertschätzung erfahren, wenn sie Dinge verkaufen können“, sagt Kirchhoff. Der Strafvollzug kostet den Freistaat im Jahr etwa 400 Millionen Euro. Mit der Online-Vermarktung werden rund 40 Millionen wieder eingenommen.
Seit es den Internet-Auftritt www.haftsache.de gibt, ist der Online-Verkauf erfolgreich angelaufen. „In zehn Tagen waren 300 Paar Filzpantoffel an den Mann gebracht“, sagt Karl Rehm, der Leiter der Service- und Koordinierungsstelle für das Arbeitswesen. „Die ersten Artikel, wie beispielsweise Schaukelpferde, waren auch schon ausverkauft.“Jetzt will man beobachten, wo der Schwerpunkt des Kundeninteresses liegt. Die bisherigen Produktideen stammen von Mitarbeitern und Gefangenen sowie von Studenten des Lehrstuhls für Industrial Design der Technischen Universität München. In dieser Zusammenarbeit soll die Kreativität auch künftig weitergehen.