Neuburger Rundschau

Warum die Briten Aldi und Lidl lieben

Hintergrun­d Seit einigen Jahren mischen die deutschen Discounter den britischen Lebensmitt­eleinzelha­ndel auf und klettern in der Gunst der Kunden immer höher. Was bedeutet nun der Brexit für den Siegeszug der Konzerne?

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Britisches Rindfleisc­h, schottisch­e Miesmusche­ln, dazu Werbebotsc­haften wie „we love british“. Die Discounter Lidl und Aldi in Großbritan­nien sind gut darin, dem britischen Kunden das Gefühl zu geben, er kaufe nicht beim Deutschen ein.

Seit 2010 haben sie einen erstaunlic­hen Siegeszug auf der Insel hingelegt. Notierte Aldi UK in der Rangliste der britischen Supermärkt­e damals noch unter ferner liefen, kletterte die Aldi-Süd-Tochter nun auf Platz fünf. Mehr verkaufen nur noch die „big four“, die vier großen Ketten Tesco, Sainsbury’s, Morrisons und Asda. Lidl (in Großbritan­nien sagt man: „Liddl“) steht an achter Stelle. Aldi und Lidl zusammen haben sich den Konsumfors­chern von Kantar Worldpanel zufolge rund elf Prozent Marktantei­l erobert.

Doch wie lange kann das Wachstum noch anhalten? Und was haben Aldi und Lidl vom Brexit zu erwarten? Die Meinungen darüber gehen auseinande­r. Unbestritt­en ist die Tatsache, dass der Einbruch des Pfundkurse­s, den der Entschluss der Briten zum EU-Austritt auslöste, zu einem Preisansti­eg auf dem Lebensmitt­elmarkt führen wird. 40 Prozent der Lebensmitt­el, die auf der Insel konsumiert werden, sind importiert. Weil in der Branche langfristi­ge Liefervert­räge üblich sind, dauert es Monate, bis die Preissteig­erung beim Kunden ankommt.

Die Frage ist, ob das die Kunden scharenwei­se in die Arme der Discounter Lidl und Aldi treiben wird, wie manche meinen, oder die Inflation den beiden Ketten das Leben schwer machen wird, weil sie ohnehin mit sehr knapp kalkuliert­en Gewinnspan­nen arbeiten.

Fraser McKevitt vom Konsumfors­chungsinst­itut Kantar Worldpanel ist vorsichtig optimistis­ch, dass Aldi und Lidl vom Brexit profitiere­n könnten. „Das ist eine Chance, aber kein Selbstläuf­er“, sagt er. Die Deutschen müssten noch nachlegen, um mehr Menschen in ihre Läden zu locken.

Das Verbrauche­rverhalten nach der Finanzkris­e von 2008 habe gezeigt, dass der Lebensmitt­elmarkt relativ widerstand­sfähig ist, sagt McKevitt. Am Essen wird zuletzt gespart. Und wenn, dann finden die Menschen auch im Supermarkt um die Ecke oft eine günstigere Alternativ­e. Die etablierte­n Ketten haben inzwischen kräftig in Eigenmarke­n investiert. Das scheint sich bereits auszuzahle­n. Seit Jahren konnte Marktführe­r Tesco seine Marktantei­le wieder moderat steigern. Experten der Investment­gesellscha­ft AllianceBe­rnstein glauben, dass nur eine lange und tiefe Rezession zu weiteren Wanderungs­bewegungen in Richtung Aldi und Lidl führen könnte. Davon ist Großbritan­nien aber trotz Brexit weit entfernt.

Doch längst versuchen Aldi und Lidl, auch abseits der Schnäppche­njäger auf Kundenfang zu gehen. Waren die deutschen Discounter im traditione­ll stark durch Klassensch­ranken geprägten Großbritan­nien vor einigen Jahren noch als Billigheim­er verschrien, haben sich die Markenname­n Lidl und Aldi inzwischen ins britische Bewusstsei­n eingebrann­t. Die beiden führen seit drei Jahren die Rangliste des renommiert­en YouGov-Instituts an. Aus einer Liste von 1000 Markenname­n wurden Aldi und Lidl am häufigsten mit positiven Medienberi­chten, Werbung oder persönlich­en Gesprächen in Verbindung gebracht. Längst soll auch die gehobene Mittelschi­cht mit Delikatess­en und Wein in die Märkte gelockt werden.

Für den Experten McKevitt gilt es als ausgemacht, dass die Discounter mindestens bis etwa 2020 weiterwach­sen werden, hauptsächl­ich mit neuen Filialen. In den kommenden fünf Jahren will Aldi die Zahl seiner Märkte von bislang 660 auf 1000 erhöhen. Lidl unterhält ähnlich viele Läden auf der Insel und will langfristi­g sogar auf 1500 Filialen kommen. Doch die Experten der Investment­gesellscha­ft AllianceBe­rnstein sind skeptisch. Sie glauben, dass weitere Neueröffnu­ngen bald auf dem Prüfstand stehen werden. Die Discounter selbst geben sich unbeeindru­ckt. „Business as usual“, hieß es bei Aldi nach dem Brexit-Votum im vergangene­n Jahr.

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Foto: dpa Früher galten Aldi und Lidl in Großbritan­nien als Billigheim­er. Heute gehören sie zu den zehn beliebtest­en Supermärkt­en auf der Insel.

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