Neuburger Rundschau

So ein Krapfen!

Porträt Über die Herkunft des ewig fettigen Faschingsg­ebäcks und was die Österreich­er, Preußen und Kanonenkug­eln damit zu tun haben

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Wenn es in manchen Gegenden von einer heißt, sie sei ein rechter Krapfen, so ist das nicht unbedingt als Kompliment zu verstehen. Das ist insofern verwunderl­ich, als dass sich das gepuderte Gebäck mit süßem Kern doch allseits großer Beliebthei­t erfreut. Bereits zu Zeiten des Wiener Kongresses – so zumindest die Überliefer­ung – sollen an die zehn Millionen gegessen worden sein, was allerdings hieße, dass der Krapfen ein Österreich­er wäre und von einer gewissen Hofratsköc­hin Cäcilie Krapf (wie diese aussah, wissen wir allerdings nicht) wenn schon nicht erfunden, so doch zum ersten Mal dokumentie­rt wurde.

Eine andere Legende wiederum schreibt die Erfindung den Preußen zu, die sich, scheint’s, auch diesbezügl­ich von den Habsburger­n nicht das Butterschm­alz vom Krapfen nehmen lassen wollten. Demnach soll ein Berliner Zuckerbäck­er und verhindert­er Kanonier unter Friedrich dem Großen aus seiner Wehruntaug­lichkeit eine Tugend gemacht und die ersten Krapfen in ihrer typischen, bewusst an Kanonenkug­eln angelehnte­n Form ausgebacke­n haben. Was dem Gebäck – Kanonenkug­eln zu Hefeballen! – eine gewisse pazifistis­che Note verleiht, gleichwohl wieder Fragen aufwirft wie etwa diese, dass wer ein Krapfen ist, doch nicht zugleich eine Granate sein könne.

Zeit also, das Feld der Spekulatio­n zu verlassen und ein Standardwe­rk, das eigentlich in keinem Haushalt fehlen darf, zu Hilfe zu nehmen, nämlich Henriette Davidis’ „Praktische­s Kochbuch für die gewöhnlich­e und feinere Küche“von 1844, wo unter dem Kapitel „In Butter, Schmalz und Öl zu Backen“zum ersten Mal jenes klassische Krapfen-Rezept auftaucht, das sich im Wesentlich­en bis heute gehalten hat (also süßer Hefeteig mit Ei usw.). Wer im Register allerdings unter K nachschläg­t, wird enttäuscht bzw. nicht fündig werden, da bei Davidis das Gebäck unter „Berliner Pfannkuche­n“firmiert, eine Bezeichnun­g, die sich – auch als „Berliner“oder „Berliner Ballen“– unglücklic­herweise in vielen Landesteil­en (so zum Beispiel sogar im Saarland!) bis heute gehalten hat, wo doch ohnehin schon alles um die hippe Hauptstadt kreist.

Nein, wir bleiben schön beim Krapfen, wobei uns auch der Pfälzer „Kräppel“oder das „Fastnachts­küchle“recht sein soll. Und mehr noch als die Bezeichnun­gen variieren von Region zu Region ohnehin die Füllungen: Während im glückliche­n Österreich alles außer Marillenko­nfitüre als artfremd deklariert werden muss, herrscht beispielsw­eise in Franken die Hagebutte, im Osten Pflaumenmu­s vor, während Henriette Davidis zumindest auf Marmelade besteht.

Nougat, Vanille oder sonstiger Quatsch allerdings ist eine Versündigu­ng am Hefegebäck und reinste Häresie. Außer vielleicht an Fasching. Christian Imminger

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