Neuburger Rundschau

Mörder von Kims Halbbruder setzten chemische Waffe ein

Nordkorea Behörden finden das Nervengift VX. Was es bewirkt und warum es verboten ist

- VON FINN MAYER KUCKUK

Das Nervengift VX wirkt bereits in kleinsten Mengen tödlich. Schon ein Tropfen der öligen, bernsteinf­arbenen Flüssigkei­t auf der Haut bringt einen erwachsene­n Menschen um. VX gilt als eine der gefährlich­sten Substanzen überhaupt. Die Vereinten Nationen haben die Chemikalie deshalb als Massenvern­ichtungswa­ffe weltweit verboten.

Umso mehr schockt es, dass Kim Jong Name, der 45 Jahre alte Halbbruder des nordkorean­ischen Diktators Kim Jong-Un, wohl mit genau mithilfe dieses Nervengift­s auf dem Flughafen der malaysisch­en Hauptstadt Kuala Lumpur getötet wurde. Die malaysisch­en Behörden gehen jedenfalls aufgrund von Teilergebn­issen ihrer gerichtsme­dizinische­n Untersuchu­ng des Leichnams davon aus und haben das gestern so mitgeteilt.

Die Frauen, die Kim Jong Nam das Gift verabreich­t haben, hätten sich noch am Flughafen erbrochen und sofort nach dem Attentat die Hände gewaschen, sagte Khalid Abu Bakar, der Polizeiche­f von Kuala Lumpur, am Freitag. Das deute darauf hin, dass sie ebenfalls mit kleinsten Mengen der Substanz in Berührung gekommen sind.

Eine Gruppe von Attentäter­n hat den 45-jährigen Kim Jong-Nam am 13. Februar im Abflugbere­ich des Flughafens ermordet. Die Polizei ist sich sicher, dass Nordkorea hinter dem Attentat steckt.

Machthaber Kim Jong-Un hat mehrere mögliche Motive, seinen Halbbruder auszuschal­ten. Als älterer Sohn des gemeinsame­n Vaters war Jong-Nam ursprüngli­ch für die Thronfolge ausersehen. Doch er hat seinem Land und seiner schwierige­n Familie vor 15 Jahren den Rücken gekehrt. Seitdem hat er vor allem den Wunsch nach einem friedliche­n Leben geäußert. Dennoch zitierten ihn Journalist­en immer wieder mit kritischen Äußerungen über sein Heimatland und seinen Bruder.

Der Einsatz von Nervengift auf einem Flughafen ist ein heftiger Verstoß gegen internatio­nale Normen. Selbst für nordkorean­ische Standards gilt das als enorme Provokatio­n. „Ein offener Mord auf dem Flughafen eines Drittlands ist eine unverzeihl­iche, rücksichts­lose und unmenschli­che Handlung“, sagte Südkoreas Premier Hwang KyoAhn. Das nordkorean­ische Regime trage seine Brutalität zunehmend nach außen.

„Wir untersuche­n derzeit, wie das VX nach Malaysia gelangt ist“, sagt Khalid. „Aber da schon winzige Mengen ausreichen, ist der Transport des Mittels schwer zu erfassen.“Khalid kündigte an, dass die Bereiche des Flughafens, in denen die Verdächtig­en sich aufgehalte­n haben, nun besonders gereinigt werden.

Malaysia fordert von Nordkorea eine Erklärung für die Vorgänge, doch Pjöngjang leugnet jede Beteiligun­g an dem Mord. Die Propaganda­medien geben umgekehrt der malaysisch­en Regierung die Schuld: Diese arbeite mit den Erzfeinden des Kim-Regimes in Südkorea zusammen. Zuvor hatte Nordkorea die Überführun­g des Leichnams ohne vorherige Obduktion verlangt. Doch das kam für Malaysia nicht infrage – die Ermittler wollten Klarheit über die Todesursac­he erlangen. Die Behörden ermitteln nun mit Hochdruck weiter, um den genauen Ablauf der Tat zu rekonstrui­eren, sagte Khalid.

Nordkorea verfügt offenbar über erhebliche Vorräte an verbotenem Giftgas. Südkoreani­sche Experten sprechen von bis zu 5000 Tonnen an einsatzber­eiten Chemiewaff­en, darunter das hochwirksa­me VX, das bei dem Anschlag zum Einsatz kam.

Aus einem Papier des Verteidigu­ngsministe­riums in Seoul geht hervor, dass es Chemiewaff­enfabriken an acht verschiede­nen Standorten in Nordkorea gibt. „VX lässt sich von staatliche­r Seite in großen Mengen zu niedrigen Kosten herstellen“, sagt Militärexp­erte Lee IlWoo. Das Land verfüge aber noch über weitere Giftstoffe und 13 verschiede­ne biologisch­e Kampfstoff­e, darunter Stämme der Pest.

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Fotos: dpa Malaysisch­e Polizeibea­mte haben den Mord an Kim Jong Nam (rechtes Bild) auf dem Flughafen von Kuala Lumpur nochmals nach gestellt. Jetzt kam heraus, dass Nervengift im Spiel war.
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