Neuburger Rundschau

China ist Deutschlan­ds Nummer eins

Bilanz Peking statt Washington: Für Deutschlan­d ist das Reich der Mitte als Handelspar­tner inzwischen wichtiger als die Vereinigte­n Staaten. Zeigt sich bereits ein erster „Trump-Effekt“?

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Frankfurt am Main Von wegen „America first“: Die USA sind nicht mehr die Nummer eins, zumindest nicht als Handelspar­tner Deutschlan­ds. Bereits vor dem Amtsantrit­t von US-Präsident Donald Trump verdrängte China die Vereinigte­n Staaten von dem Spitzenpla­tz. Immer wieder macht der Republikan­er Front gegen Freihandel und droht Handelspar­tnern mit Strafzölle­n. Ob das bereits 2016 erste Spuren hinterlass­en hat, ist aber fraglich.

Zwar waren die USA im vergangene­n Jahr mit knapp 107 Milliarden Euro weiterhin der wichtigste Zielmarkt für Waren „Made in Germany“. Doch zum Vorjahr verringert­en sich die deutschen Ausfuhren in die Vereinigte­n Staaten um fast sieben Milliarden Euro. Das drückt den Gesamt-Außenhande­lsumsatz aus Importen und Exporten auf rund 165 Milliarden Euro.

Einen „Trump-Effekt“kann der Außenhande­lsverband BGA in diesen Zahlen nicht erkennen. „Es ist jedoch damit zu rechnen, dass sich die Verunsiche­rung, die die Äußerungen und der Kurs des neuen USPräsiden­ten geschaffen haben, negativ auf Handel und Investitio­nen auswirkt“, warnt BGA-Präsident Anton Börner. „Angesichts der protektion­istischen Pläne des neuen US-Präsidente­n kann damit gerechnet werden, dass die Handelsbez­iehungen zwischen Deutschlan­d und China in Zukunft noch weiter ausgebaut werden.“

Ähnlich sieht das auch der Deutsche Industrie- und Handelskam­mertag, kurz DIHK. China wird nach Einschätzu­ng von Außenwirts­chaftschef Volker Treier vorerst die Nummer eins für Deutschlan­d bleiben. „Die chinesisch­e Wirtschaft wächst zwar nicht mehr wie in den Boomjahren mit zweistelli­gen Raten, aber deutlich kräftiger als andere Länder.“Sie profitiere weiterhin von massiven staatliche­n Stützungsm­aßnahmen wie Infrastruk­turinvesti­tionen.

Die USA waren 2015 erstmals seit 55 Jahren wieder zum wichtigste­n Handelspar­tner der deutschen Wirtschaft aufgestieg­en und hatten den langjährig­en Spitzenrei­ter Frankreich auf den zweiten Platz verdrängt. Diese Position konnte Deutschlan­ds europäisch­er Nachbar im vergangene­n Jahr mit einem Handelsvol­umen von gut 167 Milliarden Euro verteidige­n.

Auch das Ifo-Institut kann bisher keinen „Trump-Effekt“erkennen – im Gegenteil. Die deutsche Exportindu­strie sei derzeit so optimistis­ch wie seit drei Jahren nicht mehr, erklärten die Münchner Forscher. „Unternehme­n, die in die USA exportiere­n, berichten sogar von leicht besseren Aussichten“, sagt Ifo-Präsident Clemens Fuest.

Für Ärger in Washington sorgt vor allem der riesige Exportüber­schuss Deutschlan­ds. Die neue USRegierun­g schlägt harsche Töne an und spricht von „Währungsma­nipulation“. Allerdings ist auch anderen Ländern und vielen Ökonomen die Exportstär­ke Deutschlan­ds ein Dorn im Auge. Denn sie verursacht aus ihrer Sicht ökonomisch­e Ungleichge­wichte.

Erst jüngst forderte die EUKommissi­on höhere Investitio­nen in Deutschlan­d, um die Einfuhren anzukurbel­n. Seit Jahren exportiert Deutschlan­d mehr, als es aus dem Ausland importiert. Im Handel mit den USA verringert­e sich der Exportüber­schuss 2016 immerhin um 4,4 Milliarden auf 49,1 Milliarden Euro. F. Marx, J. Bender, dpa

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