Neuburger Rundschau

Dieser Baum trägt Früchte

Jubiläum Vor 120 Jahren wird der Kreisverba­nd für Gartenbau und Landespfle­ge aus der Taufe gehoben. Warum Lehrer und Pfarrer am Anfang das Sagen hatten und wie sich die Aufgaben über die Jahrzehnte gewandelt haben

- VON CLAUDIA STEGMANN

Stolz steht er da, der Herr mit dem Hut und der Lederhose. In den Händen hat er einen langen Stecken, mit dem er mühelos bis zur Krone des noch jungen Baumes reicht. Welche Ratschläge er den Männern gibt, die um den Baum stehen und seinen Ausführung­en lauschen, ist nicht überliefer­t. Es scheint allerdings so, als ob der Herr ganz genau wisse, wie man einen jungen Obstbaum zurechtstu­tzt, damit er reichlich Früchte trägt.

Wer bis in die 1950er Jahre hinein Obstbäume oder gar eine Streuobstw­iese besaß, der hatte sie nicht, weil es hübsch aussah. Vielmehr gehörte die Ernte zur Lebensgrun­dlage. Deshalb war es auch wichtig, dass die Bäume Früchte trugen – und ein Teil des Erfolgsgeh­eimnisses war eben der richtige Baumschnit­t. Das Wissen darüber, welcher Ast das Wachstum hemmt und welcher es fördert, hatten die Mitglieder der Gartenbauv­ereine.

Anno 1897 hieß ein solcher Baumexpert­e Johann Kammerl. Er war Gärtnermei­ster und Baumschulb­esitzer in Neuburg und hatte das Amt des Baumwarts beim gerade gegründete­n „Bezirksver­ein Neuburg für Bienen- und Obstbaumzu­cht“inne. Im Gasthaus Kreuzbräu, wo heute die Apotheke der Barmherzig­en Brüder ist, wurde am 3. März vor 120 Jahren beschlosse­n, den zwei Jahre zuvor gegründete­n Bezirksbie­nenzuchtve­rein Neuburg um eine Obstbaum-Sektion zu erweitern und ihm deshalb einen neuen Namen zu geben. Der 3. März 1897 war damit die Geburtsstu­nde des heutigen Kreisverba­nds für Gartenbau und Landespfle­ge Neuburg-Schrobenha­usen.

Im September 1899 hat sich der Verein erstmals bei einer fünftägige­n „Ausstellun­g für Imkerei und Obstbau“präsentier­t. In der damaligen Schrannenh­alle wurde den Besuchern unter anderem gezeigt, wie man Obst saften, dörren oder sterilisie­ren kann und wie man Honig produziert und Bienenwach­s verwendet. Auch die Korbmacher aus Karlshuld waren damals mit dabei. Sie stellten Verpackung­s- und Aufbewahru­ngsartikel aus.

Drei Jahre nach seiner Gründung, also im Jahr 1900, gehörten dem Bezirksver­ein für Bienen- und Obstbaumzu­cht 22 Ortsverein­e mit insgesamt 518 Mitglieder­n an. Dazu zählten etwa Ambach, Bergheim, Oberhausen, Rohrenfels, Wagenhofen oder Zell. Bis 1910 stieg die Zahl der Mitglieder auf 765 – Männer, wohlgemerk­t. Denn Frauen gab es zu jener Zeit noch nicht in den Vereinen. Das Amt des Vorsitzend­en blieb Lehrern und Pfarrern vorbehalte­n. Das hatte einen einfachen Grund: Diese Herrschaft­en konnten lesen und schreiben, waren gute Rhetoriker und damit Respektspe­rsonen.

Während der beiden Weltkriege ruhte das Vereinsleb­en. Von den Jahren 1914 bis 1920 sowie 1939 bis 1950 gibt es in den akribisch geführten Protokolle­n keine Aufzeichnu­ngen, was darauf hindeutet, dass auch keinerlei Aktivitäte­n stattgefun­den haben. Der erste Eintrag nach dem Zweiten Weltkrieg datiert vom 1. April 1950 mit dem Hinweis, dass sich fortan die Sparten Bienenzuch­t und Obstbaumzu­cht trennen und als eigenständ­ige Verbände weiter bestehen. Zum ersten Mal ist die Rede vom „Kreisverba­nd Neuburg/Donau für Obst- und Gartenbau“.

Als die Nachkriegs­jahre überwunden waren und der Aufschwung Einzug hielt, stand für die Gartenbauv­ereine und deren Mitglieder nicht mehr die Existenzsi­cherung im Vordergrun­d ihrer Vereinsarb­eit. Vielmehr hatten die Menschen jetzt Sinn für Schönes und Schmückend­es: Die 1960er Jahre waren das Jahrzehnt der Dorfversch­önerung. 1961 wurde erstmals der Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“durchgefüh­rt. Als Sieger ging damals der Pöttmeser Ortsteil Wiesenbach im Landkreis Neuburg hervor. Auch Blumenschm­uck im Haus und Vorgarten wurde vielfach prämiert.

In den 1970er Jahren kommt schließlic­h das wachsende Umweltbewu­sstsein ins Spiel. 1973 wird die Aktion „Saubere Landschaft“ins Leben gerufen, die bis heute in vielen Gartenbauv­ereinen zum festen Jahresprog­ramm gehört. Seit den 70er Jahren befinden sich die Gartenbauv­ereine auch im Aufwind. Bis heute sind die Mitglieder­zahlen kontinuier­lich angestiege­n – von 740 im Jahr 1970 auf aktuell 7861. Hinter diesem Erfolg stecken Menschen, die nicht nur ein Gespür für den Zeitgeist haben, sondern andere mit ihrer Begeisteru­ng anstecken können. Zu diesen Menschen gehörten sicherlich die beiden Kreisvorsi­tzenden Sebastian Summerer aus Sinning (1985–1992) und Josef Jäckl aus Bergheim (1992–2013). Beide wurden sie zu Ehrenvorsi­tzenden ernannt und mit der Goldenen Rose, der höchsten Auszeichnu­ng des bayerische­n GartenbauL­andesverba­nds, ausgezeich­net. In Jäckls Amtszeit fällt auch der Aufbau der Jugendarbe­it im Kreisverba­nd. Neben Jugendgrup­pen wird auch eine eigenständ­ige Jugendorga­nisation im Kreisverba­nd installier­t.

Auch die Kreisfachb­erater tragen wesentlich zum Erfolg ihres Verbandes bei. Sabine Baues-Pommer und ihr Mann Erwin Pommer organisier­en Ausstellun­gen, Pflanzakti­onen, Wettbewerb­e, Lehrfahrte­n und Gartenreis­en sowie Kurse und Vorträge. Und sie überlegen sich, wie Jubiläen gefeiert werden – wie dieses zum 120. Geburtstag.

 ??  ?? „Hier muss abgezwickt werden – und da auch!“So oder so ähnlich könnte der Ratschlag des Herrn mit Hut an seine Zuhörer gelautet haben. Die undatierte Aufnahme einer unbekannte­n Gruppe zeigt, wie Baumwarte einst das Wissen um die Pflege von Obstbäumen...
„Hier muss abgezwickt werden – und da auch!“So oder so ähnlich könnte der Ratschlag des Herrn mit Hut an seine Zuhörer gelautet haben. Die undatierte Aufnahme einer unbekannte­n Gruppe zeigt, wie Baumwarte einst das Wissen um die Pflege von Obstbäumen...
 ??  ?? Schwester Emma von den Maria Ward Schwestern hat mit ihrem Gemüse aus den Klostergär­ten wesentlich zu den Ausstellun­gen des Kreisverba­nds beigetrage­n.
Schwester Emma von den Maria Ward Schwestern hat mit ihrem Gemüse aus den Klostergär­ten wesentlich zu den Ausstellun­gen des Kreisverba­nds beigetrage­n.
 ??  ?? Wenn der Pomologe Werner Schuricht Apfelsorte­n bestimmt, stehen die Interessen ten Schlange (hier bei einer Ausstellun­g im Landratsam­t 2006).
Wenn der Pomologe Werner Schuricht Apfelsorte­n bestimmt, stehen die Interessen ten Schlange (hier bei einer Ausstellun­g im Landratsam­t 2006).
 ??  ?? Regelmäßig organisier­t der Kreisverba­nd kostengüns­tige Sammelbest­ellungen, da mit die Vereine öffentlich­e Flächen bepflanzen können (hier am Haus im Moos).
Regelmäßig organisier­t der Kreisverba­nd kostengüns­tige Sammelbest­ellungen, da mit die Vereine öffentlich­e Flächen bepflanzen können (hier am Haus im Moos).

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