Dieser Baum trägt Früchte
Jubiläum Vor 120 Jahren wird der Kreisverband für Gartenbau und Landespflege aus der Taufe gehoben. Warum Lehrer und Pfarrer am Anfang das Sagen hatten und wie sich die Aufgaben über die Jahrzehnte gewandelt haben
Stolz steht er da, der Herr mit dem Hut und der Lederhose. In den Händen hat er einen langen Stecken, mit dem er mühelos bis zur Krone des noch jungen Baumes reicht. Welche Ratschläge er den Männern gibt, die um den Baum stehen und seinen Ausführungen lauschen, ist nicht überliefert. Es scheint allerdings so, als ob der Herr ganz genau wisse, wie man einen jungen Obstbaum zurechtstutzt, damit er reichlich Früchte trägt.
Wer bis in die 1950er Jahre hinein Obstbäume oder gar eine Streuobstwiese besaß, der hatte sie nicht, weil es hübsch aussah. Vielmehr gehörte die Ernte zur Lebensgrundlage. Deshalb war es auch wichtig, dass die Bäume Früchte trugen – und ein Teil des Erfolgsgeheimnisses war eben der richtige Baumschnitt. Das Wissen darüber, welcher Ast das Wachstum hemmt und welcher es fördert, hatten die Mitglieder der Gartenbauvereine.
Anno 1897 hieß ein solcher Baumexperte Johann Kammerl. Er war Gärtnermeister und Baumschulbesitzer in Neuburg und hatte das Amt des Baumwarts beim gerade gegründeten „Bezirksverein Neuburg für Bienen- und Obstbaumzucht“inne. Im Gasthaus Kreuzbräu, wo heute die Apotheke der Barmherzigen Brüder ist, wurde am 3. März vor 120 Jahren beschlossen, den zwei Jahre zuvor gegründeten Bezirksbienenzuchtverein Neuburg um eine Obstbaum-Sektion zu erweitern und ihm deshalb einen neuen Namen zu geben. Der 3. März 1897 war damit die Geburtsstunde des heutigen Kreisverbands für Gartenbau und Landespflege Neuburg-Schrobenhausen.
Im September 1899 hat sich der Verein erstmals bei einer fünftägigen „Ausstellung für Imkerei und Obstbau“präsentiert. In der damaligen Schrannenhalle wurde den Besuchern unter anderem gezeigt, wie man Obst saften, dörren oder sterilisieren kann und wie man Honig produziert und Bienenwachs verwendet. Auch die Korbmacher aus Karlshuld waren damals mit dabei. Sie stellten Verpackungs- und Aufbewahrungsartikel aus.
Drei Jahre nach seiner Gründung, also im Jahr 1900, gehörten dem Bezirksverein für Bienen- und Obstbaumzucht 22 Ortsvereine mit insgesamt 518 Mitgliedern an. Dazu zählten etwa Ambach, Bergheim, Oberhausen, Rohrenfels, Wagenhofen oder Zell. Bis 1910 stieg die Zahl der Mitglieder auf 765 – Männer, wohlgemerkt. Denn Frauen gab es zu jener Zeit noch nicht in den Vereinen. Das Amt des Vorsitzenden blieb Lehrern und Pfarrern vorbehalten. Das hatte einen einfachen Grund: Diese Herrschaften konnten lesen und schreiben, waren gute Rhetoriker und damit Respektspersonen.
Während der beiden Weltkriege ruhte das Vereinsleben. Von den Jahren 1914 bis 1920 sowie 1939 bis 1950 gibt es in den akribisch geführten Protokollen keine Aufzeichnungen, was darauf hindeutet, dass auch keinerlei Aktivitäten stattgefunden haben. Der erste Eintrag nach dem Zweiten Weltkrieg datiert vom 1. April 1950 mit dem Hinweis, dass sich fortan die Sparten Bienenzucht und Obstbaumzucht trennen und als eigenständige Verbände weiter bestehen. Zum ersten Mal ist die Rede vom „Kreisverband Neuburg/Donau für Obst- und Gartenbau“.
Als die Nachkriegsjahre überwunden waren und der Aufschwung Einzug hielt, stand für die Gartenbauvereine und deren Mitglieder nicht mehr die Existenzsicherung im Vordergrund ihrer Vereinsarbeit. Vielmehr hatten die Menschen jetzt Sinn für Schönes und Schmückendes: Die 1960er Jahre waren das Jahrzehnt der Dorfverschönerung. 1961 wurde erstmals der Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“durchgeführt. Als Sieger ging damals der Pöttmeser Ortsteil Wiesenbach im Landkreis Neuburg hervor. Auch Blumenschmuck im Haus und Vorgarten wurde vielfach prämiert.
In den 1970er Jahren kommt schließlich das wachsende Umweltbewusstsein ins Spiel. 1973 wird die Aktion „Saubere Landschaft“ins Leben gerufen, die bis heute in vielen Gartenbauvereinen zum festen Jahresprogramm gehört. Seit den 70er Jahren befinden sich die Gartenbauvereine auch im Aufwind. Bis heute sind die Mitgliederzahlen kontinuierlich angestiegen – von 740 im Jahr 1970 auf aktuell 7861. Hinter diesem Erfolg stecken Menschen, die nicht nur ein Gespür für den Zeitgeist haben, sondern andere mit ihrer Begeisterung anstecken können. Zu diesen Menschen gehörten sicherlich die beiden Kreisvorsitzenden Sebastian Summerer aus Sinning (1985–1992) und Josef Jäckl aus Bergheim (1992–2013). Beide wurden sie zu Ehrenvorsitzenden ernannt und mit der Goldenen Rose, der höchsten Auszeichnung des bayerischen GartenbauLandesverbands, ausgezeichnet. In Jäckls Amtszeit fällt auch der Aufbau der Jugendarbeit im Kreisverband. Neben Jugendgruppen wird auch eine eigenständige Jugendorganisation im Kreisverband installiert.
Auch die Kreisfachberater tragen wesentlich zum Erfolg ihres Verbandes bei. Sabine Baues-Pommer und ihr Mann Erwin Pommer organisieren Ausstellungen, Pflanzaktionen, Wettbewerbe, Lehrfahrten und Gartenreisen sowie Kurse und Vorträge. Und sie überlegen sich, wie Jubiläen gefeiert werden – wie dieses zum 120. Geburtstag.