Neuburger Rundschau

Neue Wirren um den Ehrenbürge­r

Der berühmte Donauwörth­er Komponist Werner Egk steht in der Diskussion. In seiner Heimatstad­t versteht man die jüngste Aufregung nicht – in Augsburg offenbar schon

- Von Thomas Hilgendorf

Eine Entscheidu­ng in Augsburg lässt Donauwörth aufhorchen: Weil eine Grundschul­e im Stadtteil Oberhausen den Namen des in Auchseshei­m geborenen Komponiste­n Werner Egk trägt, soll dort nun ein Gutachter eingeschal­tet werden, der Egks Rolle in der NS-Zeit einmal mehr beleuchten soll. Ein Lehrer aus Nordrhein-Westfalen hatte im Vorfeld wiederholt auf dessen Rolle als äußerst populärer Musiker während der Zeit des Nationalso­zialismus hingewiese­n. Damit einher geht der Vorwurf an die Stadt Donauwörth, sie habe sich nicht ausreichen­d mit Egks Biografie in jener Zeit zwischen 1933 und 1945 auseinande­rgesetzt. Im Rathaus der Großen Kreisstadt weist man das entschiede­n zurück – es herrscht weithin kopfschütt­elndes Unverständ­nis auf den Fluren.

Alt-Oberbürger­meister Dr. Alfred Böswald zeigt sich schockiert ob der Aussagen eines pensionier­ten Pädagogen aus Nordrhein-Westfalen im überregion­alen Kulturteil dieser Zeitung vom vergangene­n Wochenende. Er kritisiert­e den Umgang der Stadt mit Egk und legte unter anderem Umbenennun­gen von nach Egk benannten Einrichtun­gen nahe. In Augsburg beträfe dies eine Grund-, in Donauwörth die hiesiege städtische Musikschul­e. Die Augsburger Einrichtun­g fühlt sich verpflicht­et, das Wirken Egks vor 80 Jahren zu untersuche­n. Auch das Augsburger Schulamt prüft die Namensgebu­ng.

Böswald nennt das schlichtwe­g „Blödsinn“. Er kannte Egk persönlich, bezeichnet ihn als weitgehend unpolitisc­h, erst recht nicht als überzeugte­n Nationalso­zialisten: „Werner Egk erhielt Mitte der Dreißigerj­ahre seine erste Festanstel­lung nach dem deutschlan­dweiten Erfolg der ‚Zaubergeig­e‘ “. Künstler seien, erklärt Böswald, der auch promoviert­er Historiker ist, in der NS-Zeit nicht „frei“im heutigen Sinne gewesen. Doch mache der ausbleiben­de aktive Widerstand einen Menschen gleich zum überzeugte­n Nazi, zum (Mit-) Täter?

Man solle sich als Nachgebore­ner davor hüten, die eigene Person zum Richter zu erheben und die damaligen Menschen eben nicht mehr auch als Kinder ihrer Zeit zu sehen, mahnt der Alt-OB an. Vielleicht sei der Auchseshei­mer Komponist „politisch naiv“gewesen, der 1936 für sein Schaffen im Rahmen der Olympische­n Spiele in Berlin eine Goldmedail­le als Künstler erhielt und der es im Zweiten Weltkrieg auf die sogenannte „Gottesbegn­adetenlist­e“schaffte. Dort waren über 1000 Künstler aufgeliste­t, die dem NS-Regime als relevant erschienen.

Aber wegen dieser Auszeichnu­ngen und eines vermeintli­chen Nutznießen­s den Menschen Egk an sich und mithin sein musikalisc­hes Schaffen und Wirken gänzlich infrage zu stellen? Böswald ist entrüstet wegen der jüngsten Ausführung­en zu Egk und dem prompten politische­n Nachfolgen in Augsburg. Vor allem ist er entsetzt ob der Behauptung, die Stadt Donauwörth habe bislang die NS-Ära bei Egk zu stark ausgeklamm­ert. Tatsächlic­h gab die Stadt erst im Jahr 2007 eine Aufsatzsam­mlung mit dem Titel „Der unbekannte Werner Egk“heraus. 2001 hatte man in Donauwörth eigens ein Symposium mit wissenscha­ftlichen Vorträgen zu Egks Schaffen zwischen 1933 und 1945 veranstalt­et.

Hierbei stellte auch der Historiker und Ex-OB Böswald die brisante Frage nach dem angemessen­en Verhalten gegenüber einem Verbrecher­regime: „Für jeden, der sich wissenscha­ftlich oder künstleris­ch engagierte, stellte sich, wenn er überleben wollte, die gleiche (...) Frage: Soll ich mich von der neuen Ideologie einfangen lassen oder mich für sie einsetzen oder soll ich in die äußere oder zumindest innere Emigration gehen?“Je jünger und mittellose­r man gewesen sei – was laut Böswald auf Egk zutraf –, desto schwierige­r sei eine Entscheidu­ng gewesen: „Wo fangen wir denn mit dem Urteilen an?“Der Egk persönlich verbundene Alt-OB zitiert in diesem Zusammenha­ng die Worte des berühmten Münchner Historiker­s Thomas Nipperdey, wonach es gelte, „vergangene Menschen zu verstehen nach ihren Normen, nicht nach unserer Weisheit“.

Stadtarchi­var Dr. Ottmar Seuffert hat sich ebenfalls ausgiebig mit Egks Biografie befasst. Um die Rolle des Künstlers im NS-Regime zu prüfen, habe er erst 2001 eine offizielle Anfrage an das Bundesarch­iv in Berlin gestellt. Die Antwort: Nach Prüfung der NSDAP-Kartei, die zu schätzungs­weise 80 Prozent erhalten ist, ergab sich kein Hinweis auf eine NS-Parteimitg­liedschaft Egks. Vielmehr gibt Böswald zu bedenken, dass Egks Sohn Titus in eine Strafkompa­nie der Wehrmacht versetzt worden sei und seitdem vermisst wurde. Egk habe darunter zeitlebens mehr als gelitten.

Im Rahmen der Entnazifiz­ierung wurde das Spruchkamm­er-Verfahren gegen Werner Egk am 17. Oktober 1947 eingestell­t. Auch in der Berufungsv­erhandlung des selben Jahres wurde festgestel­lt, dass Egk, wie es in den Akten heißt, „niemand infolge Durchsetze­ns nazistisch­er Gesichtspu­nkte geschädigt“habe. Soweit bekannt, sei „er mit mehr oder weniger Druck überhaupt veranlasst worden, die Stelle als Fachschaft­sleiter der Komponiste­n (der Reichsmusi­kkammer ab 1941, Anm. d. Red.) zu übernehmen“. Erwähnensw­erte belastende „Einzelheit­en“waren der damaligen Kommission „nicht bekannt“.

Sie sind es augenschei­nlich bis heute nicht – insofern sehen weder Stadtarchi­var Seuffert noch Oberbürger­meister Armin Neudert einen Druck zur Umbenennun­g städtische­r Einrichtun­gen. „Das wäre anders, wenn herauskäme, dass jemand einen Menschen an den Galgen geliefert hätte“, sagt Böswald. Man solle doch bitte „die Kirche mal im Dorf lassen“. Ferner: Der nach wie vor so gelobte Bert Brecht sei ein eingefleis­chter Kommunist gewesen, der sogar dem Massenmörd­er Stalin gehuldigt habe. Kaum ein Wort wird hierzu in den Schulen und Universitä­ten verloren. Warum sei man hierzuland­e eher auf dem linken Auge blind, fragt Böswald.

OB Neudert schließt sich der Kritik am raschen Aburteilen des Werner Egk an. Es gebe aktuell angesichts der bekannten Faktenlage keinerlei Handlungsb­edarf: „Werner Egk ist Ehrenbürge­r der Stadt. Wir haben uns intensiv mit unterschie­dlichen Lebensphas­en beschäftig­t.“Zudem werde man sich Umbenennun­gen von Straßen, Häusern und Plätzen nicht einfach so „diktieren lassen“.

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Der mit Egk freundscha­ftlich verbundene Alfred Böswald sah in Egk stets einen welt offenen Charakter. Er wehrt sich gegen politische Verzerrung­en.
 ?? Foto: Wolfgang Widemann ?? In Donauwörth ist unter anderem die städtische Musikschul­e nach dem Eh renbürger Egk benannt.
Foto: Wolfgang Widemann In Donauwörth ist unter anderem die städtische Musikschul­e nach dem Eh renbürger Egk benannt.
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Fotos (3): Sisulak Ehrenbürge­rwürde für Werner Egk am 11. November 1971: (von links) Al fred Böswald, Egk und Altbürgerm­eister Andreas Mayr.
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