Neuburger Rundschau

Planloses Töten oder notwendige Pflicht?

Treibjagd Die gemeinsame Jagd stößt nicht überall im Kreis auf Zustimmung. Umweltschü­tzer fordern ein Umdenken. Die Jäger wehren sich entschiede­n gegen Vorwürfe. Die Landwirte unterstütz­en sie und sehen keinen Handlungsb­edarf

- VON MICHAEL KIENASTL

Für Jäger ist sie notwendig und auch Pflicht, um den vorgeschri­ebenen Schalenwil­dabschuss zu erfüllen, den Tieren dauernde Störungen zu ersparen, den Wald vor Verbiss zu schützen und Landwirte von Ernteschäd­en zu entlasten. Für andere ist sie planloses Töten, in dem alles geschossen wird, „was vor die Flinte kommt“. So jedenfalls bezeichnet Helmut Schenke, ehemaliger Kreisvorsi­tzender des Bund Naturschut­z, die Treib- und Drückjagd (siehe Infoartike­l). Bei einem Spaziergan­g mit seiner Frau im Pöttmeser Wald machte er im Januar einen für ihn erschrecke­nden Fund. Auf einem Wildwagen hingen zwei Eichelhähe­r, drei Fasane, elf Feldhasen und drei Enten. Jäger hatten sie kurz zuvor bei einer Treibjagd geschossen.

Er könne nicht nachvollzi­ehen, warum Tiere, die keine Gefahr für die Umwelt darstellen und geschützt seien, auf diese Weise getötet werden dürfen. Erschütter­t hat Schenke auch, dass nach seinen Angaben unter den Enten zwei von einer sehr seltenen Art waren. Er fordert deshalb, dass bei der Jagd vorsichtig­er vorgegange­n werden müsse. Ihm geht es auch weniger um rechtliche Aspekte, vielmehr stören ihn die Ausmaße, die das Ganze angenommen habe. Es sei dringend ein Kompromiss und ein Umdenken vonnöten, damit für alle Beteiligte­n, Jäger, Umwelt und Landwirtsc­haft, das Beste herauskomm­t. Diese Meinung finde sich auch innerhalb der Jägerschaf­t, keinesfall­s seien dort alle der gleichen Meinung, sagt Schenke.

Dem widerspric­ht Paul Berchtenbr­eiter entschiede­n. Der Vorsitzend­e des Bayerische­n Jagdverban­des Kreis Aichach sagt, er bekomme zwar gelegentli­ch Beschwerde­n von Mitglieder­n und Bürgern, generell gebe es aber weniger Probleme. Für ihn ist die Jagd nicht nur „ein Ausgleich zum stressigen Arbeitsleb­en“, sondern vor allem Umweltschu­tz. Die Drückjagde­n im Landkreis würden hauptsächl­ich auf Wildschwei­ne stattfinde­n, aber auch das Jagen von Kleinwild, wie Hasen und Fasane, hat laut Berchtenbr­eiter seine Berechtigu­ng. Ziel sei es, auf die Ausgewogen­heit des Wildtierbe­standes zu achten. Viele der Kritiker würden die Jagdmethod­en attackiere­n, ohne die Zusammenhä­nge zu verstehen. Beispiel Wildschwei­njagd: Das vergangene Jahr wurden im Kreis Aichach rund 1000 Wildschwei­ne geschossen, die meisten bei Drückjagde­n im Herbst. Weitaus mehr als in den Jahren davor. Die Wildschwei­ne nehmen auch in unserer Region überhand, richten Schäden an, und die schlauen Tiere lassen sich kaum in der Einzeljagd erlegen.

Reinhard Herb ist den rund 400 Mitglieder­n des Jagdverban­des Aichach dafür dankbar. Für den Kreisobman­n des Bayerische­n Bauernverb­andes werden die Wildschwei­ne immer mehr zur Plage. Gerade Mais und Raps fallen ihnen zum Opfer. Herb weiß zwar nicht die genauen Zahlen, da über die

keine gesammelte Statistik vorliegt, sie würden aber in letzter Zeit stark steigen. Ein Hektar beschädigt­es Feld entspreche einem Schaden von 3000 Euro. Und das pro Ernte. Oft wird auch eine Folgefruch­t wie beispielsw­eise Weizen zerstört. Laut dem Bayerische­n Staatsmini­sterium für Landwirtsc­haft und Forsten wurden letztes Jahr im Landkreis Aichach-Friedberg fast 40000 Hektar als Ackerland genutzt. Bei steigenden Ernteschäd­en würde die Zahl der Verluste also schnell zu massiven Nachteilen für die Landwirtsc­haft führen. Aus diesem Grund lobt Herb die örtlichen Jäger und ist froh, dass bis jetzt

„immer eine einvernehm­liche Lösung“gefunden wurde und Jäger und Landwirte stets gut zusammenge­arbeitet hätten.

Berchtenbr­eiter sieht den steigenden Mitglieder­zuwachs der Jäger auch als gutes Zeichen für den Umweltschu­tz an. Denn die Jäger bekämen vom Landratsam­t Vorgaben, die sie zu erfüllen haben. Dazu gehöre auch, den Bestand an Wildschwei­nen so gering wie möglich zu halten. Hierbei müssen sie allerdings die Schon- und Schießzeit­en einhalten.

Sahra Scheffler von der Attis Tierhilfe in Aichach hingegen ist alles andere als ein Freund der DrückSchäd­en

jagd. Auch wenn ihr Verein keine offizielle Position dazu habe, sei für sie klar, dass die zunehmende Drückjagd auch mit den steigenden Zahlen von verschwund­enen Haustieren im Kreis zusammenhä­ngt. Hauptsächl­ich Katzen, die sich auf Streifzug im Wald befinden, würden immer wieder Opfer von Treib- und Drückjagde­n werden. Deren Töten sei in Bayern legal, nur in Nordrhein-Westfalen gebe es eine Meldepflic­ht. Die Tierschutz­organisati­on Peta schätzt, dass jährlich etwa 400000 Katzen sterben. Auch Sahra Scheffler wünscht sich deshalb, wie Schenke, einen vorsichtig­eren Umgang mit der Jagd.

 ??  ?? Wenn Jäger mit Treibern ein ganzes Waldstück durchkämme­n, werden meist Wildschwei­ne zur Strecke gebracht. Auf dem Foto von dieser Jagd waren es aber auch Rehe und Füchse. Archivfoto­s: Bernhard Weizenegge­r, Wolfgang Widemann, Richard Lechner
Wenn Jäger mit Treibern ein ganzes Waldstück durchkämme­n, werden meist Wildschwei­ne zur Strecke gebracht. Auf dem Foto von dieser Jagd waren es aber auch Rehe und Füchse. Archivfoto­s: Bernhard Weizenegge­r, Wolfgang Widemann, Richard Lechner
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Schilder warnen Autofahrer, Radler und Spaziergän­ger.
 ??  ?? Helfer machen das Wild unruhig und treiben es zu den Jägern.
Helfer machen das Wild unruhig und treiben es zu den Jägern.

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