Neuburger Rundschau

Und die Oscars sollten gehen an…

Kino In der Nacht auf Montag werden die renommiert­esten Filmpreise der Welt vergeben. Hier sind unsere Favoriten unter den Nominierte­n – mit einer großen Unbekannte­n und dringenden Empfehlung­en, wer nicht gewinnen sollte

- VON MICHAEL SCHREINER UND WOLFGANG SCHÜTZ

Das ist Rekord: 14 Oscar-Nominierun­gen für „La La Land“, wie einst für „Titanic“. Und der hat bei der Vergabe der wichtigste­n Filmpreise 1997 auch den Spitzenwer­t von elf Auszeichnu­ngen erreicht. Ob das dem Musical-Film nun 20 Jahre später auch gelingt? Klarheit gibt’s erst in der Nacht auf Montag (ProSieben überträgt, die Verleihung beginnt um 2.30 Uhr unserer Zeit). Ein Jahr nach den Debatten um die allzu weißen Oscars erwartet Hollywood gebannt ein Duell: Das weiße Nostalgiem­usical gegen „Moonlight“, ein Schwarzend­rama, immerhin auch acht Mal nominiert. Wir wagen hier unsere eigene Auswahl unter den Nominierte­n. Abgesehen davon, dass „Moonlight“(wie auch der nominierte „Loving“) in Deutschlan­d noch nicht in den Kinos angelaufen ist und damit als große Unbekannte aus unseren Prämierung­swünschen fehlt: „La La Land“erlebt bei uns alles andere als einen Trophäenra­usch. Warum? Wir haben da eine klare Meinung. Womöglich eine andere als Sie. Aber genau das ist doch interessan­t…

BESTE REGIE Denis Villeneuve / Mel Gibson / Damien Chazelle / Kenneth Lonergan / Barry Jenkins

Der Kanadier hat es wieder allen gezeigt. Zuletzt hatte er mit „Sicario“einen Mafia-Film gedreht, der trotz übermächti­ger Genre-Tradition aus den Socken haute. Jetzt, mit „Arrival“, die Eroberung der nächsten Sparte. Mitten hinein in die Flut aus Fantasy und Science-Fiction zeigt Villeneuve, wie schön, klug und berührend Effekt-Kino sein kann. Auch dank einer starken Amy Adams, vor allem aber durch die feine Bilderzähl­ung werden hier nicht einfach Außerirdis­che zum Geheimnis, sondern die Sprache, die Zeit, das Menschsein. Dagegen kann Damien Chazelle als Musical-Restaurato­r einpacken, und dagegen kommt auch Kenneth Lonergan in „Manchester by the Sea“wegen Sentimenta­litätssünd­en nicht an.

DIE BESTE NEBENDARST­ELLERIN Viola Davis / Noamie Harris / Nicole Kidman / Octavia Spencer / Michelle Williams

Unfassbar, dass diese Frau nicht als Hauptdarst­ellerin aufgeführt wird – auch da müsste sie gewinnen. Denn Viola Davis ist das allgegenwä­rtige Herz in Denzel Washington­s feinem Familienfi­lm „Fences“, der nach dem gleichnami­gen Schauspiel­stück die Gesellscha­ft der 50er Jahre in den USA bespiegelt. Die 51-Jährige, die bereits das US-Fernsehen in der Serie „How to Get Away with Murder“aufmischte, spielt Washington­s Frau, Rose, deren Gesicht allein schon viel mehr über die Wahrheit des Lebens und der Liebe erzählt als die vielen, vielen Worte ihres Mannes. Und wenn sie dann ausbricht und spricht! Davis hat eine Präsenz, die man in den weiblichen Hauptrolle­n dieses Jahres meist schmerzlic­h vermisst…

DER BESTE NEBENDARST­ELLER Mahershala Ali / Jeff Bridges / Lucas Hedges / Dev Patel / Michael Shannon

Er funktionie­rt wie ein Kontrastmi­ttel. Dank Michael Shannon in der Rolle des todkranken Sheriffs lässt sich genau sagen, wo „Nocturnal Animals“, der Thriller des Modeschöpf­ers Tom Ford, gelungen ist und wo nicht. Eigentlich stark die Geschichte, in der eine Familie auf dem Highway nachts von einer Gang ausgebrems­t wird… Leider interessie­ren Ford die Posen mehr als die Menschen – was aber immer gebrochen ist, wenn der 41-jährige, kantige Shannon auftaucht. So hat er schon sehr viele Filme bereichert. Hier ist das preiswürdi­g! Bloß ist die Konkurrenz hart. Der unvergleic­hliche Jeff Bridges in „Hell or High Water“, Lucas Hedges als Entdeckung in „Manchester by the Sea“…

BESTER FILM Arrival / Fences / Hacksaw Ridge / Hell or High Water / Hidden Figures / La La Land / Manchester by the Sea / Moonlight

Videoüberw­achung und Ranger mit Handy am Ohr, Laserdruck­er auf den Fluren, dazu Banker, die vor Flatscreen­s sitzen: Wir sind im Texas von heute, aber David MacKenzie erzählt uns einen großen, stillen, wilden Western, der in dieses Setting passt. Die Leere und Weite des Landes, die kaputten Käffer und die Allgegenwa­rt der Waffen – nichts hat sich geändert. Die Träume vom Glück verlieren sich noch immer auf den Landstraße­n. Armut vererbt sich und Banküberfä­lle sind am Ende der einzige Weg, so etwas wie Gerechtigk­eit herzustell­en. „Hell or High Water“ist ein Film, in dem der Tod herausgefo­rdert wird und das Schicksal bittere Triumphe beschert. Starke Darsteller, große Bilder, gute Story. Unser Favorit!

BESTE HAUPTDARST­ELLERIN Isabelle Huppert / Ruth Negga / Natalie Portman / Emma Stone / Meryl Streep

Klar, es könnte einfach wieder Meryl Streep gewinnen als „Florence Foster Jenkins“– geht immer. Was aber auf keinen Fall passieren darf: dass die eigentlich so schöne und auch talentiert­e Natalie Portman als „Jackie“auch nur einen Blumentopf bekommt. Ihr Spiel ist wie der Film bei aller Dramatik um den Kennedy-Mord: so dünn, so blass. Und auch die Französin Isabelle Huppert: bloß nicht! Spielt eigentlich verlässlic­h gut wie Streep, aber kann hier wie Portman einen enttäusche­nden Film nicht retten („Elle“, Hauptsache psychotisc­h). So ist tatsächlic­h die Stunde der Emma Stone gekommen. Und zu Recht. Denn die 28-Jährige ist wirklich das Beste am sonst halt sehr hübschen „La La Land“. Auch singend.

BESTER HAUPTDARST­ELLER Casey Affleck / Andrew Garfield / Ryan Gosling / Viggo Mortensen / Denzel Washington

Er ist der jüngere Bruder von Ben Affleck. Der hat schon zwei Oscars: einen für das beste Originaldr­ehbuch („Good Will Hunting“, 1998), einen als Ko-Produzent (für „Argo“als bester Film, 2013). Nun ist Casey nah am Oscar für seine Rolle in „Manchester by the Sea“. In dem Drama von Kenneth Lonergan ist Affleck ein Mann, der beschlosse­n hat, sein Leben als Buße zu Ende zu führen, es auszuhalte­n als ein von sich selbst Geächteter, der mit einer Schuld lebt, die nicht gesühnt wird, wenn er es nicht tut. Dieser Lee verstört seine Mitmensche­n, wenn er schweigend dasitzt oder Schlägerei­en anzettelt. Nach dem Tod des Bruders muss er sich um seinen Neffen kümmern – eine Reise zurück zu Wunden, die nicht heilen. Bewegend, meisterhaf­t.

BESTER FREMDSPRAC­HIGER FILM Land of Mine / A Man Called Ove / The Salesman / Tanna / Toni Erdmann

Mit einem Oscar für Maren Ade und ihren Film „Toni Erdmann“könnten überrasche­nd viele Menschen in Deutschlan­d etwas anfangen. Denn die Tragikomöd­ie mit den grandios agierenden Peter Simonische­k und Sandra Hüller als Vater und Tochter läuft, ungewöhnli­ch genug für einen Film, der fast drei Stunden dauert, seit vielen Monaten in unseren Kinos. Ein Arthouse-Blockbuste­r: Hunderttau­sende haben das Spiel um Entfremdun­g und Nähe, Sehnen und Entsagen gesehen. „Toni Erdmann“jedenfalls würde in der Reihe der deutschen Oscar-Filme, die überschaub­ar ist, nach der „Blechtromm­el“(1980), „Nirgendwo in Afrika“(2003) und „Das Leben der Anderen“(2007) beste Figur machen.

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