Neuburger Rundschau

Wie der Amazon Chef seinen Ruf aufpoliert

Porträt Jeff Bezos macht mit seiner Zeitung Washington Post investigat­iven Journalism­us. Mehrmals sorgte das Blatt mit Enthüllung­sgeschicht­en für Furore. Dennoch steht der Milliardär von vielen Seiten in der Kritik

- VON THOMAS SEIBERT

Ende vergangene­n Jahres sorgte die Washington Post für eine kleine Sensation in der von Defiziten und Jobabbau gebeutelte­n US-Medienland­schaft. Die angesehene Tageszeitu­ng will mehrere dutzend Journalist­en einstellen und damit die Gesamtzahl der Reporter auf mehr als 750 erhöhen. Das ist zwar immer noch bedeutend weniger, als Wall Street Journal und New York Times mit ihren jeweils rund 1500 Mitarbeite­rn zu bieten haben. Doch die Ankündigun­g schlug dennoch Wellen: Amazon-Gründer Jeff Bezos, der die Washington Post vor vier Jahren kaufte, setzt auf den Ausbau der Online-Berichters­tattung und verstärkt gleichzeit­ig den investigat­iven Journalism­us, für den das Blatt seit der Watergate-Affäre in den 1970er Jahren berühmt ist.

Bezos’ Investitio­nen zahlen sich aus. Mehrmals seit der Amtseinfüh­rung von Donald Trump im Januar hat die Post mit Enthüllung­sgeschicht­en die Politik in Washington beeinfluss­t. So musste Trumps erster Sicherheit­sberater Michael Flynn nach einem Bericht der Zeitung über seine Kontakte zum russischen Botschafte­r in Washington schon nach wenigen Wochen den Hut nehmen. Bezos’ Zeitung ist, wie ihr Chef und die meisten anderen großen Blätter in den USA, der Regierung von Donald Trump gegenüber kritisch eingestell­t.

Die aufgeheizt­e politische Atmosphäre im Land ist für die US-Zeitungen ein wirtschaft­licher Segen; auch die New York Times meldet steigende Absatzzahl­en und hat ihr Hauptstadt­büro in Washington personell verstärkt. Bei der Post geht es ebenfalls steil nach oben. Im vergangene­n Jahr habe die Zeitung – auch dank niedriger Abo-Preise – 75 Prozent mehr neue Abonnenten gewonnen als im Jahr zuvor.

Mit den Neueinstel­lungen kann Bezos auch sein eigenes Image ein wenig aufpoliere­n. Der Unternehme­r – mit einem Vermögen von mehr als 66 Milliarden Dollar der drittreich­ste Mensch der Welt nach Microsoft-Gründer Bill Gates und dem spanischen Geschäftsm­ann Amancio Ortega – hat bei Kritikern den Ruf eines gnadenlose­n Job-Killers.

Vor zwei Jahren berichtete die New York Times in einem Enthüllung­s-Dossier über Amazon von einer Unternehme­nskultur, die von Ausbeutung, einer gnadenlose­n Rivalität unter den Mitarbeite­rn und einem firmeninte­rnen „Darwinismu­s“im Hauptquart­ier in Seattle geprägt ist. Von mitternäch­tlichen Dienst-E-Mails mit der Aufforderu­ng zu einer sofortigen Antwort und weinenden Managern im Büro war die Rede. Eine Mitarbeite­rin mit Brustkrebs sei in einen „Plan zur Leistungsv­erbesserun­g“gesteckt worden, was einer indirekten Kündigungs­drohung gleichkomm­e, berichtete das Blatt.

In Deutschlan­d liefert sich die Gewerkscha­ft Verdi seit Jahren erbitterte Auseinande­rsetzungen mit dem Online-Kaufhaus. Auch für den Niedergang von Einzelhand­elsunterne­hmen wird der InternetRi­ese verantwort­lich gemacht. Zudem werden Amazon wie anderen Großuntern­ehmen Strategien zur Steuerverm­eidung vorgeworfe­n. All dies hat dem Ruf von Bezos und Amazon ernsthaft geschadet. Als das mit dem Online-Versand von Büchern groß gewordene Unternehme­n vor kurzem in Boston seinen ersten Buchladen aus Stein und Glas eröffnete, berichtete die Zeitung Boston Globe von Kunden, die von sich selbst sagten, sie hätten ein schlechtes Gewissen, wenn sie bei Amazon etwas kaufen.

Vor diesem Hintergrun­d wird deutlich, wie wichtig Bezos’ neue Erfolge sind. Er lässt nicht nur die Washington Post nach neuen Mitarbeite­rn suchen. Amazon selbst will bis Mitte kommenden Jahres in den USA zusätzlich­e 100000 Jobs schaffen und damit auf eine Personalst­ärke von 280000 wachsen. Dabei sollen sowohl ungelernte Arbeiter wie auch hoch spezialisi­erte IT-Experten eingestell­t werden.

Zu Bezos’ neuen Projekten gehört „Amazon Go“– Supermärkt­e ohne Kassen und deshalb auch ohne lästiges Warten in der Schlange. Laut einem Werbeclip für das Konzept betreten Kunden einen solchen Markt mit einer Handy-App, die alle Einkäufe automatisc­h registrier­t und nach dem Verlassen des Geschäfts die Rechnung schickt. Pläne für „fliegende Warenhäuse­r“– Luftschiff­e, von denen Drohnen zur Belieferun­g von Kunden starten – sorgen ebenfalls für Schlagzeil­en.

Daneben greift Bezos auch noch nach den Sternen. Mit seiner Weltraumfi­rma „Blue Origin“will der Amazon-Chef die regelmäßig­e Versorgung einer künftigen menschlich­en Siedlung auf dem Mond gewährleis­ten.

Nachrichte­n über neue Jobs und technische Innovation­en dürften Präsident Trump freuen, der den Amerikaner­n mehrere Millionen neue Arbeitsplä­tze und ein neues Wirtschaft­swunder versproche­n hat. Doch Bezos wird sich kaum für Trumps Zwecke einspannen lassen. Der 53-Jährige ist schon lange ein Kritiker des Rechtspopu­listen. Im

Bezos’ Zeitung ist Trump gegenüber kritisch eingestell­t Kritiker sehen in Bezos einen Vernichter von Arbeitsplä­tzen

Januar gehörte Bezos zu den USWirtscha­ftsbossen, die gegen Trumps ersten – und schließlic­h an den Gerichten gescheiter­ten – Versuch protestier­ten, mithilfe eines Einreisest­opps den Zuzug von Menschen aus sieben muslimisch­en Ländern zu stoppen. „Wir sind eine Nation von Einwandere­rn“, schrieb Bezos, dessen Stiefvater aus Kuba in die USA kam, damals in einer E-Mail an die Amazon-Mitarbeite­r.

Trotz aller Bemühungen sehen manche Gegner von Bezos in dem Unternehme­r weiterhin vor allem einen Vernichter von Arbeitsplä­tzen. Die New York Post warf Bezos vor, das Konzept von „Amazon Go“sehe höchstens zehn Mitarbeite­r in den hochmodern­en Warenhäuse­rn vor.

Bezos dementiert­e – doch es nützte nicht viel: Das neue AmazonProj­ekt könnte sehr wohl ein „JobKiller“werden, sagte Sascha Segan vom PC-Magazine dem Sender CNBC. Wenn das Konzept von Bezos’ Firma umgesetzt werde, „könnte dies das Aus für Kassierer in der gesamten Einzelhand­elsbranche bedeuten“.

 ?? Foto: Michael Reynolds, dpa ?? Jeff Bezos ist der drittreich­ste Mensch der Welt. Sein Geld, das er mit dem Online Riesen Amazon verdient hat, steckt er unter an derem in die Washington Post.
Foto: Michael Reynolds, dpa Jeff Bezos ist der drittreich­ste Mensch der Welt. Sein Geld, das er mit dem Online Riesen Amazon verdient hat, steckt er unter an derem in die Washington Post.

Newspapers in German

Newspapers from Germany