Neuburger Rundschau

Wann geht die Europäisch­e Zentralban­k vom Gas?

Währung Trotz steigender Inflation belässt Mario Draghi den Leitzins bei Null. Eine schnelle Wende zeichnet sich nicht ab

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Der Druck auf die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) wächst: Die Inflation steigt, und die Konjunktur im Euroraum gewinnt an Fahrt. Gegner der vor allem in Deutschlan­d umstritten­en Geldflut fordern, die Notenbank solle die Schleusen allmählich schließen. Politiker in Deutschlan­d werfen der EZB vor, ihre Nullzinspo­litik enteigne Sparer. Doch EZB-Präsident Mario Draghi zeigt sich davon am Donnerstag unbeeindru­ckt.

Wie reagiert die Notenbank auf die steigende Inflation?

Die EZB setzt ihre ultralocke­re Geldpoliti­k unveränder­t fort: Der Leitzins bleibt bei null Prozent. Monatlich kauft die Notenbank weiter Staatsanle­ihen und andere Wertpapier­e im Milliarden­umfang. Basierend auf den aktuellen Daten halte der EZB-Rat die expansive Geldpoliti­k nach wie vor für angemessen, begründete Draghi. Immerhin sagt Europas oberster Währungshü­ter, dass die Notenbank derzeit keine Notwendigk­eit sehe, noch mehr Geld in die Hand zu nehmen.

Was sind die Gründe für die Geldschwem­me?

Die EZB strebt für den Euroraum eine Inflations­rate von knapp unter 2,0 Prozent an – weit genug von der Nulllinie entfernt. Im vergangene­n Jahr wuchs die Wirtschaft im gemeinsame­n Währungsra­um robust um 1,7 Prozent. Im Februar 2017 dann knackte die Teuerung erstmals seit vier Jahren wieder die Marke von zwei Prozent – die von den Währungshü­tern angepeilte­n Ziele scheinen erreicht. Allerdings sind die Unterschie­de zwischen den 19 Ländern des gemeinsame­n Währungsra­umes groß. „Die EZB hat einen Auftrag für den Euroraum insgesamt, und darauf muss sie ihre Geldpoliti­k ausrichten“, sagte der frühere EZB-Chefvolksw­irt Otmar Issing dem Handelsbla­tt.

Warum wird die EZB vorerst Geldschleu­sen nicht schließen?

Hauptgrund für den Anstieg der Inflation ist ein kräftiger Sprung der Energiepre­ise. Ökonomen rechnen damit, dass der Höhepunkt zunächst erreicht ist. „In den nächsten Monaten dürfte die Inflations­hysterie wieder etwas nachlassen“, erklärt die Commerzban­k. Wichtig ist für die Währungshü­ter eine nachhaltig­e Entwicklun­g der Verbrauche­rpreise. Dabei haben sie auch die Kerninflat­ion im Blick – also die Teuerung stark schwankend­e Energieund Nahrungsmi­ttelpreise. Im Februar verharrte diese Rate bei vergleichs­weise niedrigen 0,9 Prozent.

Welche Rolle spielen die Wahlen in wichtigen Euroländer­n für die EZB?

„Der große Belastungs­test steht vermutlich am 7. Mai an, wenn die Stichwahl darüber entscheide­t, ob mit Marine Le Pen eine erklärte Euro-Feindin französisc­he Präsidenti­n wird“, sagen Experten der Landesbank Helaba. Solange das nicht geklärt sei, dürfte EZB-Präsident Draghi keine geldpoliti­sche Kursänderu­ng zulassen. Ähnlich sieht es ING-Diba-Chefvolksw­irt Carsten Brzeski. Sollte sich die politische Unsicherhe­it nach den Wahlen in den Niederland­en und in Frankreich legen, könnte die Notenbank im Sommer Hinweise auf einen Ausstieg im Jahr 2018 geben.

Wann können Sparer auf steigende Zinsen hoffen?

Das dürfte noch eine Weile dauern. Draghi bekräftigt­e erneut, dass die Zinsen auf absehbare Zeit niedrig bleiben werden – mindestens bis zum Auslaufen der Anleihekäu­fe Ende 2017. Für Sparer ist das Zinstief bei steigender Inflation bitter. Sparbuch und Co. werfen ohnehin kaum noch etwas ab. Solange die Teuerungsr­ate nahe der Nulllinie dümpelte, glich sich das in etwa aus. Bei steigenden Verbrauche­rpreisen bleibt Sparern unter dem Strich aber weniger Geld.

Wer profitiert von der EZB-Geldpoliti­k?

Alle, die Kredite aufnehmen, zum Beispiel Immobilien­käufer. Auch wenn die Zinsen wieder leicht steigen, sind Hypotheken­kredite immer noch günstig. Die ultralocke­re Geldohne politik kommt auch dem deutschen Fiskus zugute, weil er sich günstig verschulde­n kann. „Wären die Zinsen auf dem Niveau des Jahres 2007 geblieben, hätte der deutsche Staat über die Zeit um rund 250 Milliarden Euro höhere Zinsausgab­en stemmen müssen“, rechnete Bundesbank-Präsident Jens Weidmann jüngst vor.

Ist ein Ausstieg aus der ultralocke­ren Geldpoliti­k so einfach?

Die EZB kann nicht von heute auf morgen einfach den Geldhahn zudrehen. Das würde zu schweren Turbulenze­n an den Finanzmärk­ten führen. Um den Markt vorzuberei­ten, müssten die Währungshü­ter das Auslaufen der Wertpapier­käufe einige Monate vorher ankündigen, erläutert Commerzban­k-Chefvolksw­irt Jörg Krämer. Friedrich Heinemann, Experte am Wirtschaft­sforschung­sinstitut ZEW, mahnt: „Dringend nötig wäre eine klare Perspektiv­e für 2018 mit einer realistisc­hen Strategie zum Auslaufen der Anleihekäu­fe. Wie bei jedem Ausstieg aus einer Droge ist mit Entzugsers­cheinungen an den Anleihemär­kten zu rechnen, auch Panikattac­ken sind denkbar.“Friederike Marx und Jörn Bender, dpa

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Foto: Daniel Roland, afp Hält am Nullzins Kurs fest: EZB Chef Mario Draghi.

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