Neuburger Rundschau

Wie viel Luxus ist auf der Berghütte erlaubt?

Der Alpenverei­n widmet sich der Geschichte seiner Rasthäuser. Eines wurde sogar in die Großstadt verfrachte­t

- VON SABRINA SCHATZ

Mitten in München, auf der Praterinse­l, steht eine der ältesten Berghütten Deutschlan­ds. Von Gipfeln, Gämsen, Edelweiß ist dort keine Spur. Stattdesse­n hört man Autos hupen. Wie das sein kann? Die Höllentala­ngerhütte, auch UrHölle genannt, wurde im Zugspitzma­ssiv abgebaut und in den Garten des Alpinen Museums verfrachte­t. Nun stellt das 1894 eingeweiht­e Blockhaus das Kernstück der Ausstellun­g „Hoch hinaus!“dar, mit der sich der Deutsche Alpenverei­n (DAV) der 150-jährigen Geschichte der alpinen Schutzhütt­en und Wege widmet. Hunderte Gäste hat die UrHölle bereits beherbergt – und damit ist in München keineswegs Schluss. Jugendlich­e haben kürzlich im Matratzenl­ager übernachte­t. „Wir haben trotz g’scheiter Schlafsäck­e gefroren“, sagt Johannes Melcher. So also haben sich die ersten Bergsteige­r Ende des 19. Jahrhunder­ts gefühlt.

Denn zu dieser Zeit entdeckte das Bürgertum das Kraxeln für sich. Es wollte raus aus den Städten, frei atmen und sich bewegen. „Fabrikante­n, Professore­n und andere Wohlhabend­e haben den Hüttenbau vorangetri­eben“, sagt Kulturhist­orikerin Inge Weid. Sie hätten sich dafür eingesetzt, das schroffe Gebirge zu erschließe­n und einfache Hütten zur Rast und zum Schutz zu errichten. Auch die Ur-Hölle war und ist nur rund 40 Quadratmet­er groß, ausgestatt­et mit Eckbank und Ofen, Matratzen für die Herrschaft­en und Strohlager für Pächter und Wirtschaft­erinnen.

Zur Jahrhunder­twende kamen die Touristen in Scharen, um die Berge und Täler zu erkunden. Schnell wurde es eng in den Hütten: Es wurde aufgestock­t, um- und angebaut, um Schlafhäus­er und Speisesäle zu schaffen. „Es ist eine Geschichte der Erweiterun­g“, sagt Doris Hallama. Die Kunsthisto­rikerin erforschte die Baugeschic­hte anhand von Plänen, Bildern und Modellen, die nun auch ausgestell­t sind.

Vielen Alpinisten sei die Entwicklun­g ein Dorn im Auge gewesen: Sie wollten weder Schnicksch­nack noch Berg-Hotels, sondern zurück zu spartanisc­her Einfachhei­t. Um Luxus zu verbannen, hat der DAV 1923 die Tölzer Richtlinie­n verhängt. Die besagen: Matratzen statt Federbette­n, Brotzeit und Ruhe statt Braten und Grammophon. Daran gehalten hat sich nicht jeder Wirt, wie alte Speisekart­en belegen. „Die Frage, wie viel Komfort auf einer Hütte angebracht ist, bewegt die Gemüter bis heute“, sagt Friederike Kaiser, Leiterin des Bereichs Kultur beim DAV. „Für viele soll sie kein Selbstzwec­k, sondern eine Zwischenst­ation sein.“

In den 1970er Jahren stiegen die Anforderun­gen an Hygiene, Lawinensch­utz und eine ökologisch­e Bauweise. Darum wurde auch die Höllentala­ngerhütte 2013 abgerissen und an gleicher Stelle neu errichtet. Als die Pläne präsentier­t wurden, regte sich Protest: Manchen war die neue Hütte nicht traditione­ll genug. Hallama erklärt: „Der Typus Hütte hat sich bis heute optisch wenig verändert und orientiert sich an bäuerliche­n Vorbildern. Da geht es vor allem um Heimatschu­tz und Tradition.“Zurück zu den Anfängen führt nun die Ausstellun­g: Besucher können in Holzpantof­feln durch die Räume schlendern, Hüttenwirt­en an Hörstation­en lauschen, alte Postkarten und Landkarten anschauen – und es sich in Münchens einziger Berghütte bequem machen. O Ausstellun­g „Hoch hinaus!“9. März 2017 bis 8. April 2018, Alpines Museum München, Dienstag bis Sonntag, 10 bis 18 Uhr.

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Fotos: Archiv des DAV, München So sah die Höllentala­ngerhütte 1894 bei ihrer Einweihung aus. Vor vier Jahren wurde sie durch einen Neubau ersetzt.
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Vom Berg in die Großstadt: Die Höllen talangerhü­tte steht nun in München.

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