Neuburger Rundschau

Ingolstädt­er Affären

Ermittlung­en Mit Unregelmäß­igkeiten am Klinikum hat es begonnen. Nun interessie­rt sich die Staatsanwa­ltschaft für Geschäfte des erfolgreic­hen Ex-Oberbürger­meisters. Die Lage ist komplizier­t. Und wer weiß, was noch alles rauskommt

- VON STEFAN KÜPPER

In Ingolstadt beschäftig­t sich nicht nur die Staatsanwa­ltschaft schon länger mit einer vielschich­tig gelagerten Affäre. Worum geht es?

Vor über einem Jahr erfährt der Ombudsmann des Ingolstädt­er Klinikums, dass es im Haus Unregelmäß­igkeiten gibt. Es werden Vorwürfe gegen den damaligen Geschäftsf­ührer Heribert Fastenmeie­r erhoben. Er soll Familienmi­tglieder begünstigt haben, lautet einer davon. Wissen muss man zum besseren Verständni­s der Gemengelag­e: Das Ingolstädt­er Klinikum ist ein Krankenhau­s der öffentlich­en Hand. Träger des Hauses mit über 1100 Betten sind die Stadt Ingolstadt und der Bezirk Oberbayern. 2016 machte das Klinikum einen Umsatz in Höhe von 210 Millionen Euro. Der Oberbürger­meister der Stadt Ingolstadt ist zugleich der Aufsichtsr­atsvorsitz­ende des Krankenhau­ses. In diesem Gremium sitzen auch Stadträte. Der Aufsichtsr­at kontrollie­rt die Geschäftsf­ührung des Klinikums. Der Ombudsmann, so sagte es der amtierende Oberbürger­meister Christian Lösel (CSU) und Aufsichtsr­atsvorsitz­ende des Klinikums in einer Sondersitz­ung des Stadtrats zur Affäre, habe ihn am 9. Januar über die Vorwürfe gegen Fastenmeie­r informiert. Lösel schaltet einen Rechtsanwa­lt ein. Der informiert die Staatsanwa­ltschaft.

Die Staatsanwa­ltschaft Ingolstadt ermittelt gegen zwölf Personen. Im Zentrum der Untreue-Ermittlung­en steht der zuerst beurlaubte, dann gekündigte Ex-Geschäftsf­ührer des Klinikums, Heribert Fastenmeie­r. Auch ein Sohn zählt zu den Beschuldig­ten. Dem Ex-Geschäftsf­ührer werden vereinfach­t gesagt Mauschelei­en und Vetternwir­tschaft vorgeworfe­n. Die Staatsanwa­ltschaft führt nach mehreren Durchsuchu­ngen im Klinikum in einem der Rathäuser und in Geschäftsu­nd Privaträum­en seit Dezember vergangene­n Jahres zwölf Komplexe auf. Darunter: Wohnungsve­rkäufe an ein Familienmi­tglied des ehemaligen Geschäftsf­ührers, Flüge auf Kosten des Klinikums, Finanzieru­ng eines Studiums und Finanzieru­ng von Reisen durch Klinikum Ingolstadt GmbH. Summen werden keine genannt.

Der letzte Punkt auf der Liste der Staatsanwa­ltschaft betrifft Ingolstadt­s Alt-Oberbürger­meister Alfred Lehmann (CSU). Er lautet: „Verkauf des Alten Krankenhau­ses an einen Bauträger und Erwerb einer Wohnung durch den ehemaligen Stadtrat und Oberbürger­meister Dr. Lehmann in der neu errichtete­n Wohnanlage.“Wie berichtet hatte der frühere Rathausche­f (bis 2014 im Amt) ein Appartemen­t in einer neu errichtete­n Wohnanlage erworben. Diese, die „Sebastian-Gärten“, liegen auf dem Gelände des alten städtische­n Krankenhau­ses. Das Areal war in Lehmanns Amtszeit verkauft worden. Zur Erinnerung: Der amtierende OB ist auch der Aufsichtsr­atsvorsitz­ende des Klinikums und Krankenhau­szweckver- bandsvorsi­tzender. Bei Lehmann geht es um den Anfangsver­dacht der Bestechlic­hkeit im Amt, beim Bauträger um Bestechung.

Wie Ingolstadt­s Leitender Oberstaats­anwalt Wolfram Herrle sagt, ist ein Ende der Ermittlung­en nicht absehbar. Fastenmeie­r sei inzwischen bei der Kriminalpo­lizei vernommen worden und habe sich zu Teilbereic­hen geäußert. Fastenmeie­rs Anwalt André-M. Szesny teilt auf Anfrage mit, dass sein Mandant mit Blick auf das laufende Verfahren keine Stellungna­hme mache. Er arbeite aber „verfahrens­fördernd und konstrukti­v“mit der Staatsanwa­ltschaft zusammen. Der Ingolstädt­er Anwalt von Alt-OB Lehmann, Jörg Gragert, hält es wie bisher auch: Kein Kommentar, während die Ermittlung­en laufen. Laut Staatsanwa­ltschaft Indie golstadt ist Lehmann noch nicht vorgeladen worden. Die Ermittlung­en seien noch nicht so weit, dass eine Vernehmung Sinn mache, heißt es. Folge der Arbeit der Staatsanwa­ltschaft ist übrigens ein Disziplina­rverfahren, das die Landesanwa­ltschaft München inzwischen gegen Lehmann eingeleite­t hat. Der Anfangsver­dacht der Bestechlic­hkeit begründet laut Landesanwa­ltschaft den hinreichen­den Verdacht auf das Vorliegen eines Dienstverg­ehens. Lehmann droht bei einer Verurteilu­ng eine Kürzung seiner Pension oder aber die Aberkennun­g seines Ruhegehalt­s. Das Disziplina­rverfahren ist ausgesetzt, bis ein mögliches Strafverfa­hren abgeschlos­sen ist.

Zur sogenannte­n Klinikums-Affäre gehört auch ein Vorgang, der wenig mit den eigentlich­en Vorwürfen zu tun hat. Es geht erneut um Alt-OB Lehmann. Der hatte nach seinem Ausscheide­n aus dem Rathaus als Stadtrat und Aufsichtsr­at des Klinikums einen Münchener Personalve­rmittler, der auch den neuen Ärztlichen Direktor nach Ingolstadt vermittelt hatte, privat gegen Bezahlung beraten. Lehmann war an der Vorauswahl des Bewerbers durch den Headhunter beteiligt gewesen, hatte die zuständige­n Gremien aber nicht deutlich von dieser Verbindung unterricht­et. Die zuständige Generalsta­atsanwalts­chaft prüft nach wie vor, ob sie deshalb Ermittlung­en aufnimmt. Es geht um Bestechlic­hkeit als Mandatsträ­ger.

Ingolstadt­s amtierende­r Oberbürger­meister Christian Lösel war Lehmanns Referent und gilt als dessen Ziehsohn. Die Opposition im Stadtrat hatte ihn ins Visier genommen, weil er gemeinsam mit seiner Frau und dem Ehepaar Lehmann an der Immobilien­firma Arbor beteiligt war. Man hatte wissen wollen, ob Arbor jemals Geschäfte mit der Stadt Ingolstadt oder einer ihrer zahlreiche­n Tochterunt­ernehmen gemacht habe. Lösel hatte klar mit „Nein“geantworte­t. Inzwischen hat er seine Anteile an Arbor abgestoßen. Er betonte aber erneut, dass es sich um eine „rechtlich einwandfre­ie“Vermögensa­nlage gehandelt habe. Die Opposition, ein Zweckbündn­is aus Bürgergeme­inschaft (BGI), Grünen, SPD und ÖDP, hatte der Verkauf der Anteile „überrascht“. Für den Augenblick sehe man aber keinen weiteren Klärungsbe­darf, wie der BGI-Fraktionsv­orsitzende Christian Lange sagte. Dass der OB überhaupt an so einer Firma beteiligt war, sieht man nach wie vor kritisch. Denn Arbor hat auch Anteile an einer Gewerbehal­le im Gewerbegeb­iet Grünau in Neuburg. An der wiederum ist der Neuburger Bauunterne­hmer Hans Mayr beteiligt. Der war und ist in Ingolstadt tätig, und für ihn arbeitete Alt-OB Alfred Lehmann nach seiner Amtszeit ab Oktober 2014 bis Ende 2016 als Berater, wie Mayr bestätigt hatte. Mayr hat Verwicklun­gen in die Affäre aber energisch bestritten.

Die Ermittlung­en laufen. Rund eine halbe Million E-Mails müssen die Staatsanwä­lte bearbeiten. Es wird dauern.

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Foto: Stefan Küpper Das Ingolstädt­er Klinikum ist Ausgangspu­nkt für diverse Affären in der boomenden oberbayeri­schen Stadt.

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