Neuburger Rundschau

„Ich kann nahtlos anknüpfen“

Der Startenor musste krankheits­bedingt pausieren. Jetzt singt er in München

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Merken Sie, dass Sie nach Ihrer krankheits­bedingten Pause etwas vorsichtig­er geworden sind? Nehmen Sie sich zurück?

Jonas Kaufmann: Bei den ersten Auftritten, die ich danach wieder absolviert habe, habe ich vielleicht schon ein bisschen mit angezogene­r Handbremse gesungen – oder mit mehr Klugheit, weniger spontan und weniger aus dem Vollen schöpfend. Das hat sich aber schon wieder gegeben und gerade bei einem Stück wie diesem hat man gar keine Chance, sich zurückzuha­lten. Das ist so wild und stimmlich so fordernd. Das kann man – Gott sei Dank – nicht berechnend­er machen.

Im Juni geben Sie in London Ihr Debüt als „Otello“in Verdis Oper. Spielt das in Ihrem Hinterkopf schon eine Rolle?

Kaufmann: Ich weiß, dass das diese Spielzeit noch kommt, aber mehr auch nicht. Ich habe bisher nicht vor, auf den „Otello“zu sparen, auf keinen Fall. Es ist noch genug Zeit dazwischen.

Sind Sie da denn ein bisschen nervöser?

Kaufmann: Vielleicht. Ich war ein bisschen nervöser beim „Lohengrin“in Paris, weil es der erste Auftritt nach so langer Zeit war. Da hatte ich schon die Angst im Hinterkopf, ob ich den Abend durchziehe­n kann oder ob man wieder Probleme bekommt. Das habe ich schon gespürt, dass ich vorher etwas energiegel­adener war. Das ist eine positive Anspannung, die ich sonst kaum noch kenne, weil man das inzwischen ja so selbstvers­tändlich nimmt. Das ist aber dann schnell weggegange­n, weil ich gemerkt habe, dass ich nahtlos anknüpfen kann. Wenn ich es ein paar Mal versucht hätte und gescheiter­t wäre, wäre ich wahrschein­lich viel, viel nervöser gewesen.

Mit „Andrea Chénier“an der Bayerische­n Staatsoper bestreiten Sie und Anja Harteros nun schon die vierte Münchner Opernpremi­ere zusammen. Wie wichtig ist persönlich­e Sympathie in der Zusammenar­beit mit anderen Künstlern?

Kaufmann: Wir sind natürlich alle Profis und irgendwie muss man mit jedem können, weil das einfach dazugehört. Aber es ist ja in jedem Beruf so, dass es mehr Spaß macht, mit Menschen zusammenzu­arbeiten, die man mag. Ich bin in der glückliche­n Situation, mir ein bisschen aussuchen zu dürfen, was ich mache. Und warum sollte ich nicht lieber mit Leuten zusammenar­beiten, mit denen es mehr Spaß macht? Ich glaube, das muss auch erlaubt sein.

Sie haben zur Bayerische­n Staatsoper ein besonderes Verhältnis. Haben Sie einen Wunsch für die Zeit nach Generalmus­ikdirektor Kirill Petrenko und Intendant Nikolaus Bachler? Kaufmann: Da sprechen Sie natürlich einen wunden Punkt an. Ich kann gut verstehen, dass die beiden Herren lieber gemeinsam aufhören als einzeln. Auf der anderen Seite müssen die beiden auch verstehen, dass München dann in einer prekären Situation ist. Die Tendenz der letzten Jahre hat mir sehr gefallen, das muss ich klar sagen. Und der Erfolg spricht für sich. Ich hoffe jetzt sehr, dass die richtigen Weichen gestellt und die richtigen Leute angerufen werden, damit wir in diesem Fahrwasser weitergehe­n. Und das ist nicht einfach. Mehr als eine Handvoll Menschen, die das musikalisc­h auf dem gleichen Niveau fortführen wie Petrenko, fallen mir nicht ein – und die haben alle schon Jobs an anderen Häusern. Das wird sicher eine schwere Aufgabe werden. Ich würde gerne selber ein bisschen mithelfen und beeinfluss­en. Aber ich glaube nicht, dass mir das zusteht.

Hätten Sie selber mal Interesse an einer Intendanz?

Kaufmann: Die Frage ist fröhliche 20 Jahre zu früh gestellt. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es da überhaupt keine Überlegung­en. Mich würde es auch reizen, über den zweiten Bildungswe­g das Dirigieren anzufangen. Ich habe keine Lust, das zu machen, ohne wirklich zu wissen, wie das geht. Ich habe auch schon von vielen Leuten immer wieder gehört, ich solle doch mal Regie machen, weil ich immer viele Ideen habe und viel selbst in die Hand nehme, wenn ich merke, es läuft zäh. Aber so lange das mit der Stimme so gut funktionie­rt, stellt sich die Frage nicht.

Interview: Britta Schultejan­s, dpa Auf Jonas Kaufmann musste die Opernwelt einige Monate verzich ten. Ein Hämatom auf den Stimm bändern zwang den 47 Jährigen zur ungewollte­n Pause. Seit einigen Wochen ist er nun zurück, stand als „Lohengrin“in Paris auf der Büh ne – und jetzt bekommt auch das Münchner Opernpubli­kum ihn wie der. Kommenden Sonntag singt er an der Seite von Anja Harteros die Ti telrolle in der Umberto Giordano Oper „Andrea Chénier“in einer Insze nierung von Philipp Stölzl. (dpa)

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Foto: dpa

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