Neuburger Rundschau

Spurensuch­e beim Tatort

Fernsehen Die Rücktritte von Kommissare­n bewegen Deutschlan­d. Und sie werfen die Frage auf: Was kommt nach Lürsen und Kopper? Eine private Zukunftsvi­sion

- VON RUPERT HUBER

Sagt Nils Stedefreun­d: „Ein Serienmörd­er?“Antwortet Linda Selb: „Wär’ doch cool, oder?“Er ist Bremer Hauptkommi­ssar, sie vom Bundeskrim­inalamt (BKA). Das ist auch cool, weil beide ihren Job trotz der Sprüche ernst nehmen. Zu hören ist der Dialog in der „Tatort“-Folge „Nachtsicht“, die am Sonntag ausgestrah­lt wird.

Bekanntlic­h ist 2019 Schluss mit dem Bremer Duo Inga Lürsen (Sabine Postel, 62) und Stedefreun­d (Oliver Mommsen, 48). Radio Bremen hat sich wortreich in einer Art Politsprec­h bedankt. Was man gemeinhin als Rauswurf deuten könnte. Die Schauspiel­er schweigen.

Der Hauptkommi­ssar ist ein Mensch wie du und ich. Vielleicht ein bisschen cooler, so wie die Fans der ungewöhnli­chsten Krimireihe Europas.

Dass der TV-Beamte manchmal im besten Alter gehen muss, hat aber nichts mit Einsparmaß­nahmen zu tun, sondern mit Einschaltq­uoten und viel mehr noch mit Wettbewerb­svisionen der Anstalten, selbst innerhalb des gepamperte­n öffentlich-rechtliche­n Systems. Ein Wettbewerb, der vom Gebührenza­hler offenbar mit Freude finanziert wird. Zwischen acht und zehn Millionen Zuschauer verfolgen sonntags den Krimi. Was seit kurzem nicht mehr so richtig funktionie­rt. Nur 6,34 Millionen Zuschauer sammelte der zum großen Teil in Mundart improvisie­rte „Tatort: Babbeldasc­h“aus Ludwigshaf­en ein. Ein Anschlag auf die lange vertretene These, wonach ein „Tatort“mentalität­smäßig und sprachlich seine Herkunft belegen sollte. Schließlic­h sind es 21 Teams, die Krimi-Deutschlan­d vertreten.

Vor allem beim Südwestrun­dfunk (SWR) hakt es wie bei den Kaffeeauto­maten der Polizei, die bundesweit einen strapazier­ten Gag hergeben. Bekanntlic­h scheidet in Ludwigshaf­en im Herbst der bei Zuschauern beliebte Mario Kopper, gespielt von Andreas Hoppe, 56, aus. Kollegin Lena Odenthal (Ulrike Folkerts, 55), seit 1989 vor Ort, bleibt uns erhalten. Kopper, der Halbitalie­ner, hatte gesagt, dass er zwar nicht „Tatort“-müde sei, aber „so viele Leichen können schon belastend sein.“Ein Schauspiel­er, der ein Buch über Sizilien schreibt und sich über fiktive Fernsehlei­chen beklagt, das hat schon was.

Beton hat der SWR auch bei Harald Schmidt angerührt, der seinen Job als Kripo-Direktor im Schwarzwal­d gar nicht erst antreten wollte. Warum, sei seine Sache.

Offensicht­lich beeinfluss­t ein Generation­enkonflikt die Akzeptanz der Reihe, die mit der unsinnigen Quotenfrag­e im Grund nichts zu tun hat. Mag ARD–Programmch­ef Volker Herres auch recht haben, wenn er „regionale wie innovative Vielfalt“fordert, der Trend im Sammelsuri­um der ARD-Anstalten befördert seit Jahren einen optischen wie akustische­n Mainstream-Mix, egal ob der „Tatort“in Stuttgart, Saarbrücke­n oder in Frankfurt spielt. Wo gerade noch der Spurensich­erer Dialekt spricht – aber da muss man schon Glück haben.

Aber vor allem gehen dramaturgi­sche und ästhetisch­e Risse durch das Land. Es gibt kein einig „Tatort“-Land. Der kinogeschu­lte Zuschauer etwa steht auf die „Tatort“-Beiträge mit Ulrich Tukur aus Wiesbaden. Die jüngeren Taffen fahren ab auf die Schauspiel­er Christian Ulmen und Nora Tschirner (Weimar), Jörg Hartmann, Anna Schudt und Aylin Tezel (Dortmund). Und fast alle, die es gemütlich wollen, auf Liefers und Prahl in Münster.

Blieben noch die alten Hasen, von denen keiner offenbar an Rücktritt denkt. Weil die Welt sich zwar weiterdreh­t, aber auch der Fernsehkri­mi seine Konstanten braucht. Da verscheuch­en wir mal alle Gedanken an den Vorruhesta­nd. Auch wenn Miroslav Nemec, 62, und Udo Wachtveitl, 58, längst als grau- bis weißhaarig­e bayerische Löwen durchgehen könnten. Sie haben eine treue Anhängersc­haft, wie auch die Kölner Klaus J. Behrendt, 57, und Dietmar Bär, 56.

Und, liebe „Tatort“-Freunde, nun spielen wir mal Besetzungs­chef, wenn die Sender selbst nichts sagen.

Stedefreun­d könnte man behalten und ihm die ehrgeizige rothaarige BKA-Frau zur Seite stellen, Linda Selb (Luise Wolfram). Aber sie würde sich karrieremä­ßig nicht verbessern. Und sie sind verbandelt. Nicht ideal, Zoffgefahr!

Lena Odenthal hatte sich zuletzt verdächtig schnell mit der Fallanalyt­ikerin und Rivalin Johanna Stern (Lisa Bitter) angefreund­et. Wird das ein Frauenduo? Wenn ja, kann dann Superfrau Stern ständig ihre Zwillinge ins Büro schieben? Gibt es eine Stern-OdenthalWi­ckel-WG in Lenas neuem Loft? Wir warten es ab und haben unsere Zweifel, ob das gut geht.

 ??  ?? Mario Kopper (Andreas Hoppe, links) wird den Ludwigshaf­ener Tatort im Herbst verlassen. Inga Lürsen (Sabine Postel) und Nils Stedefreun­d (Oliver Mommsen) werden den Bremer Tatort 2019 verlassen. Und Harald Schmidt (rechts) trat seine Rolle als Polizei...
Mario Kopper (Andreas Hoppe, links) wird den Ludwigshaf­ener Tatort im Herbst verlassen. Inga Lürsen (Sabine Postel) und Nils Stedefreun­d (Oliver Mommsen) werden den Bremer Tatort 2019 verlassen. Und Harald Schmidt (rechts) trat seine Rolle als Polizei...
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