Neuburger Rundschau

Wie gefährlich leben Tiere in Zoos?

Natur Oft sterben gerade junge Tiere – an Krankheite­n oder bei Unfällen. Ein Wildtierfo­rscher über artgerecht­e Haltung

-

Herr Professor Hofer, immer wieder sterben gerade junge Tiere in Zoos. Warum ist das so?

Dass Jungtiere sterben, ist ganz natürlich. In der freien Wildbahn schafft es bei manchen Raubtieren nicht einmal die Hälfte ins Erwachsene­nalter. In Zoos sterben eigentlich gar nicht so viele junge Tiere. Im Gegensatz zur Wildnis überlebt die Mehrheit dort sogar. Die Chancen stehen für sie in Zoos viel besser, die Lebensumst­ände sind angenehmer. Für die Ernährung ist gesorgt und sie haben dort auch keine Feinde. Insgesamt sind Tiere in Zoos also meist in besserer Verfassung als ihre Artgenosse­n in Freiheit.

Sind Zootiere anfälliger für Krankheite­n als Artgenosse­n in freier Wildbahn?

Dieser Vermutung kann man im Grunde nichts entgegense­tzen, weil viel zu wenig bekannt ist. Dazu bräuchten wir Wissenscha­ftler, die in der freien Wildbahn arbeiten. Solche Teams gibt es bislang kaum. Zur Zucht werden Zootiere untereinan­der gepaart. Spielt der eingeschrä­nkte Genpool eine Rolle bei der Gesundheit?

Hofer: Um das zu vermeiden, gibt es Zuchtprogr­amme. Dabei wird genau geprüft, wer sich mit wem paaren darf. Auch wird festgelegt, wie die Jungtiere auf die Zoos in ganz Europa verteilt werden. Probleme mit Inzucht, wie es sie noch in den 1960er Jahren gab, wurden auf diese Weise weitestgeh­end verbannt.

Kann überhaupt jede Tierart artgerecht in einem Zoo gehalten werden?

Ja und nein. Grenzwerti­g ist sicher der Umgang zum Beispiel mit Killerwale­n. Die artgerecht­e Haltung dieser Tierart ist zwar möglich, aber ob die jeweilige Organisati­on bereit ist, entspreche­nde Investitio­nen zu tätigen, das steht auf einem anderen Blatt. Grundsätzl­ich gibt es nur sehr wenige Tiere, die nicht artgerecht in einem Zoo gehalten werden können.

Oft werden Wildtiere in anderen Klimazonen als ihrer natürliche­n gehalten. Macht ihnen das nichts aus?

Hofer: Umso größer ein Tier ist, desto weniger klimaempfi­ndlich ist es. Eisbären zum Beispiel können ganz anders mit Temperatur­en umgehen, als man es erwarten würde. Sie stammen aus der Arktis. Im Winter sind sie eisiger Kälte, völliger Dunkelheit und peitschend­en Winden ausgesetzt. Im Sommer kann es aber so warm wie im Mittelmeer­raum werden. In einem Zoo am Äquator sollte man einen Eisbären trotzdem nicht halten, da ist es das ganze Jahr über zu warm.

Immer wieder gibt es Kritik, dass Tiere in Gefangensc­haft nicht genügend Auslauf haben. Wie ist die Situation in deutschen Zoos?

Gefangensc­haft ist ein wertender Begriff. Dabei sind die Grundbedür­fnisse von Wildtieren in Zoos erfüllt, wenn es etwa um Schutz, Futter, soziale Kontakte und die Aufzucht von Nachwuchs geht. Keine Tierart vermisst im Zoo ihre Feinde oder etwa den Druck bei der Nahrungssu­che. Ich halte die Situation in deutschen Zoos großteils für gut. Viele Einrichtun­gen haben für die nächsten Jahrzehnte Pläne, was Renovierun­gen und die Verbesseru­ng der Gehege angeht. Klar ist aber auch, dass nicht alles gleichzeit­ig passieren kann und Zeit braucht.

Interview: Laura Jocham

 ?? Foto: dpa ?? Immer wieder gibt es Kritik an den Be dingungen, unter welchen Wildtiere in Zoos gehalten werden.
Foto: dpa Immer wieder gibt es Kritik an den Be dingungen, unter welchen Wildtiere in Zoos gehalten werden.
 ??  ?? Zur Person Professor Heri bert Hofer ist Direktor des Leibniz Instituts für Zoo und Wildtierfo­r schung in Berlin.
Zur Person Professor Heri bert Hofer ist Direktor des Leibniz Instituts für Zoo und Wildtierfo­r schung in Berlin.

Newspapers in German

Newspapers from Germany