Wunder gibt es immer wieder
Es ist Mittwochnacht im Estadio Camp Nou niemandem der Heilige Geist erschienen. Kein verstorbener Barça-Held ist von den Toten auferstanden und kein einziger Tropfen Wasser wurde zu Wein. Trotzdem ist nach dem Viertelfinaleinzug des FC Barcelona in der Champions League überall von einem Wunder die Rede.
Zugegeben, es ist nur ein Fußball-Wunder. Aber ist ein 6:1 nach einem 0:4 geringer zu schätzen als die biblische Lazarus-Nummer?
Waren die Spanier nach der Hälfte des Weges ins Viertelfinale nicht schon derart tot, dass jeder vernünftige Sanitäter den Leichenwagen bestellt hätte? Und erst recht beim 1:3. Eingesargt, Deckel drauf, großes Amen. Fielen nicht die ersten Schaufeln Erde und Blumen hinterher. Begleitet von Tränen und letzten Worten. „… haben bis zum letzten Atemzug gekämpft.“
Und dann rumpelt es noch einmal in der Kiste, und noch einmal. Lebt da unten noch einer? Der Schiedsrichter will sicher sein, gibt fünf Minuten dazu. Deniz Aytekin hatte vorher schon geholfen. Das fünfte Rumpeln mit einer Atemspende in sein Pfeifchen befördert, obwohl der Strafraum-Sturz des Barça-Stürmers Suárez keinen Pfiff wert war. Aber auch Schiedsrichter sind Menschen. Lassen sich hineinziehen in das Wunder, das mit Barças Auferstehung im allerletzten Moment seine Vollendung fand.
Wahnsinn! Unfassbar! Wer das Wahnsinnige und das Unfassbare zusammenbringen möchte, behilft sich mit dem Wunder. Dass es nirgendwo so zahlreich auftritt wie im Fußball, liegt nahe. In vielen Ländern ist das Spiel Religion, beherrscht von Göttern, Außerirdischen und Titanen. In keinem Klub sind so viele von ihnen versammelt wie beim FC Barcelona.
Wenn also jemand das Unglaubliche vollbringen würde, dann Messi & Co. Keiner hat das schöner beschrieben als die Gazzetta dello Sport: „Am Rande des Abgrunds konnte einzig Barça ein solch episches Unternehmen gelingen.“Bravo Amici! Es war freilich auch alles bereitet dafür. Wie bei jedem Fußball-Wunder bestand auch das vorliegende aus zwei Partien, von denen die erste haushoch verloren sein musste. Barça hat das toll hinbekommen. Zwei Wochen Pause bis zum Rückspiel waren wichtig, damit die Hoffnung Zeit hatte zu gedeihen. Danach haben nur noch Realisten an Barça gezweifelt. Wundergläubige aber ahnten, was geschehen könnte.