Neuburger Rundschau

Tricksen und täuschen in der Formel 1

- VON MILAN SAKO ms@augsburger allgemeine.de

Es gibt Ärger in Barcelona. Nicht bei den Fußball-Fans, die sind noch immer trunken vom 6:1-Wunder von Paris. Nein, draußen vor den Toren der wunderbare­n GaudíStadt in Montmeló raucht es. Dort drehen die Formel-1-Boliden traditione­ll ihre letzten Runden vor dem Saisonstar­t. Offiziell nennt die PS-Branche die viertägige Veranstalt­ung Testfahrte­n. Das muss sein. Schließlic­h müssen die Rennställe auf dem Asphalt überprüfen, ob das, was die Ingenieure über den Winter konstruier­t und die Mechaniker danach zusammenge­schraubt haben, auf der Strecke nicht auseinande­rfliegt.

Das mag für die Hinterbänk­ler wie Force India, Haas oder Sauber gelten. Aber für Mercedes, Ferrari oder Red Bull geht es auch darum zu tricksen und zu täuschen. Zuerst den Gegner in Barcelona in Sicherheit wiegen und dann in Melbourne den versteckte­n Turbo zünden.

So stellt sich das der Laie vor, aber in Wirklichke­it geht das in der Formel 1 viel subtiler. Kiebitze beobachten und Fotografen dokumentie­ren jedes noch so kleine Flügelchen am Spoiler, um es später zu kopieren und zu testen.

Auf der Strecke wird ebenfalls geblufft. So lupfte Sebastian Vettel im Ferrari nach schnellen Runden regelmäßig kurz vor dem Ziel das Gaspedal, um nicht das komplette Potenzial seiner neuen roten Göttin zu verraten. Wenn es überhaupt eine Göttin wird. In den vergangene­n drei Jahren entpuppte sich das Gefährt eher als Gurke.

Deshalb tut Vettel gut daran, sich selbst und seinem Team Zurückhalt­ung aufzuerleg­en. Es gehe doch gar nicht darum zu zeigen, wo man stehe. Für Testfahrte­n gibt es schließlic­h keine WM-Punkte, sagt Vettel. Konkurrent Lewis Hamilton ist sich sicher, dass Ferrari pokert. Die Italiener seien viel schneller, als sie zeigen. Aber warum gehen eigentlich alle Teams im März gemeinsam nach Barcelona? Warum testet nicht jeder für sich? Weil es teuer ist, eine Teststreck­e mit Personal und Rettungswa­gen und Zeitmessun­g und allem, was dazugehört allein zu mieten. Das könnten sich wieder nur die Branchenri­esen leisten und die kleinen Teams hätten einen weiteren Nachteil. So hat man vergleichb­are Zeiten auf ein- und derselben Teststreck­e, die man doch nicht vergleiche­n kann. Denn erst am 26. März in Melbourne kommen die Karten auf den Tisch.

Lewis Hamiltons Gerede von einem starken Ferrari ist nur der Versuch, den Druck auf die anderen zu erhöhen. Schließlic­h hat Mercedes in den vergangene­n drei Jahren 51 von 59 Grands Prix gewonnen, Red Bull fünf und Ferrari drei. Im Fußball würde man sagen: Vor dem Spiel den Ball flach halten und dann hoch gewinnen. Wie der FC Barcelona.

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Foto: dpa Es scheint aufwärtszu­gehen mit Sebasti an Vettel und Ferrari – zumindest in den Testfahrte­n waren die Italiener schnell unterwegs.
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