Wenn das Wasser unterm Kiel schwindet
Freizeit Der Segelclub Neuburg wird heuer 50 Jahre alt. Warum er sich ernsthafte Sorgen um sein Weiterbestehen macht
Wasser und Luft: Es sind zweierlei Strömungen, mit denen es ein Segler zu tun bekommt. Eine Hand ist am Ruder und steuert das Sportgerät. Die andere hält das Segel im Wind. Das kipplige Boot verlangt zudem Körperbeherrschung. „Für Kinder ist es eine große motorische Leistung zu segeln“, sagt Hans Sturm. Andererseits ist es spannend, mit dem Wind und dem Wasser zu spielen „und es ist ein tolles Gefühl, wenn das Boot einmal so richtig Fahrt aufnimmt“, erzählt Stephan von Felbert. So richtig Fahrt aufnehmen können die Boote der Mitglieder des Segelclubs Neuburgs allerdings nur noch bedingt. Denn ihr Revier, der Donaustausee in Bertoldsheim, verlandet immer mehr. Doch das ist nicht die einzige Sorge der Segler.
Der Club feiert heuer sein 50-jähriges Gründungsfest. Wie viele Jahre es mit ihm am Donauufer bei der Staustufe in Bertoldsheim noch weiter geht, ist indes offen. Dort, wo mit den ersten Flutungen vor knapp 50 Jahren fleißige Mitglieder Hand anlegten und sich ein schmuckes Segelheim geschaffen haben. Dort, wo zu besten Zeiten über 50 Boote im Wasser lagen und wo mit der Conger-Regatta sogar ein nationaler Wettbewerb ausgerichtet wurde, dort werden die besegelbare Fläche auf dem Stausee und die Flusstiefe immer geringer. Gerade zehn bis 15 Boote hängen während der Saison noch an den Bojen. Nachdem sich mitten im Stausee durch die ständigen Sedimentablagerungen erst zwei kleine, mittlerweile aber eine zusammenhänge Insel gebildet hat, bleibt den Aktiven gerade mal noch ein etwa 800 Meter langes und rund 100 Meter breites Revier zum Segeln. „Das ist etwa die Hälfte der Fläche, die wir noch vor 50 Jahren hatten“, erklärt Hans Sturm. Denn die von Vögeln in Besitz genommene „Südsee-Insel“, wie sie Clubmitglieder durchaus romantisch be- zeichnen, darf nicht umsegelt werden. „Zu nahe kommen will ihr ohnehin keiner, will er nicht auflaufen“, erklärt Sportwart von Felbert.
Doch Wassertiefe fehlt nicht nur an dieser Stelle. Selbst am Steg vor dem Clubheim sind es bei vollem Stausee nur 60 bis 80 Zentimeter, wie Schriftführer Hans Sturm sagt. „Weil der Tiefgang zu groß ist, können einige ihre Boote gar nicht mehr ins Wasser lassen.“Gesegelt werden darf sowieso nur sonntags. Da gibt es keinen Schwellbetrieb, so ist es mit dem Staustufenbetreiber Uniper abgesprochen. Die Abmachung gilt auch für das traditionelle Zeltlager in der Zeit der Pfingstferien. Heuer wird es bereits zum 26. Mal durchgeführt und diesmal mit der Feier anlässlich des 50-jährigen Jubiläums am 17. Juni abgeschlossen.
Gerade diese Veranstaltung, an der absolute Anfänger genauso wie Fortgeschrittene teilnehmen können, verdeutlicht die Arbeit, die der 100 Mitglieder starke Verein seit Jahren für die Jugend leistet. „Aus dem Pfingstjugendlager generiert sich unser Nachwuchs“, erklärt Hans Sturm. Das sind derzeit 36 Schüler, Studenten und Auszubildende. Dazu kommen rund 40 aktive Segler und gut 30 Senioren, die inmitten der schönen Natur um das Clubheim mittlerweile mehr das gesellschaftliche Leben im Verein genießen. Dass die Segler gerade auf junge Menschen anziehend wirken, mag auch die Nachfrage von Schulen verdeutlichen. „Die wollen wissen, ob wir im Rahmen des Schulsports nicht etwas anbieten könnten“, erzählt der langjährige Schriftführer. Auch das Gabrieli-Gymnasium in Eichstätt hat den besonderen Reiz dieses Sports quasi vor der Haustüre vor einigen Jahren entdeckt. „Die kommen seitdem mit Fotos (3): Christine Reissig Internatsschülern über ein verlängertes Wochenende zum Zelten und Segeln“, erzählt Stephan von Felbert. Doch wie lange noch?
Das Problem der Verlandung des Stausees ist nicht neu und begleitet den Verein schon seit vielen Jahren. Das führte bereits zu zahlreichen kontrovers geführten Diskussionen unter den Mitgliedern. Schließlich ist der Umzug in ein neues Revier mit dem Verlust der lieb gewonnenen, sportlichen Heimat verbunden. Auf der anderen Seite droht nicht nur wegen der Verlandung Gefahr für den Fortbestand der Segler am Stausee. Denn sollte ein Flutpolder – egal, ob der im Süden bei Burgheim, oder der bei Bertoldsheim – Realität werden, „muss unser Clubheim abgerissen werden“, verdeutlicht Hans Sturm. Somit sind die Segler gegen diese Pläne. Sie sind aber für eine Stauzielerhöhung, weil ihnen diese – zumindest die nächsten Jahre – einen höheren Wasserstand bescheren würde.
Die Vogelschützer wegen der zwitschernden „Südsee-Insel“, die Befürworter der Polder und die Gegner der Stauzielerhöhung: Die Segler haben sich in einige Nesseln gesetzt. „Eigentlich passen wir gar nicht in diese Landschaft“, sagt Stefan von Felbert mit einem Augenzwinkern. Wohl wissend, dass die Segler alles andere als Naturfrevler sind und demokratisch getroffene Entscheidungen natürlich respektieren würden. Doch die Suche nach einer Alternative ist nicht einfach. Im Landkreis gibt es zwar über 50 Gewässer, die für Wassersport geeignet wären, aber fast keines, das den Seglern eine neue Heimat bieten könnte.
Dabei kennen Hans Sturm und Stephan von Felbert die optimale Lösung: Es wäre ein tieferes Gewässer im Landkreis, das nicht verlanden könnte, idealerweise ein Baggersee ohne gefährliche Strömung und einer Staustufe. „Dort könnte vor allem unser Nachwuchs täglich zum Segeln aufs Wasser“, malen sich Schriftführer und Sportwart aus. „Für den gesamten Verein, vor allem aber für unsere Arbeit mit den Jugendlichen, wäre das ein Traum“, sagen sie.
Die Alternative wäre – früher oder später – wohl das Ende des Vereins. Denn ließe die Verlandung auf dem Donaustausee das Segeln nicht mehr zu, oder kommt einer der Polder, dann könnte sich der Club entweder gleich auflösen, oder die Mitglieder schließen sich einem anderen Verein, zum Beispiel in Ingolstadt oder am Brombachsee, an. Damit hätte Neuburg nicht nur einen Traditionsverein verloren, sondern auch ein besonderes, attraktives Freizeitangebot weniger.
So weit ist es freilich noch nicht. Jetzt freut man sich erst einmal auf das traditionelle Ansegeln am 1. Mai und dann auf die runde Geburtstagsfeier am 17. Juni. Außerdem sind drei Regatten geplant – sofern es dann jeweils genug Wasser unterm Kiel gibt.
Die Suche nach einer Alternative ist nicht einfach